Infografik:Was bleibt

Heute wird so viel vermacht wie nie zuvor - auch wenn keiner ganz genau weiß, wie hoch die jährlichen Erbschaften sind. Ein statistischer Rundgang durch die Erbenrepublik Deutschland.

Von Christian Endt

Schmuckstücke, Häuser, Unternehmen: Die Deutschen haben immer mehr zu vererben. Wie viel es genau ist, weiß aber niemand so richtig - nicht einmal das Statistische Bundesamt. Die Behörde gibt jedes Jahr eine "Erbschafts- und Schenkungsstatistik" heraus, die aktuelle Ausgabe umfasst 40 Seiten. Doch die wichtigste Zahl, die Gesamthöhe aller Erbschaften, fehlt.

Als Annäherung taugt am ehesten ein Eintrag auf Seite 12, "steuerpflichtige Erwerbe insgesamt": 2014 waren das knapp 34 Milliarden Euro. Ein großer Teil dessen, was in Deutschland vererbt oder verschenkt wird, ist aber eben nicht steuerpflichtig. Dafür sorgen verschiedene Freibeträge und Ausnahmeregeln.

Wer etwas vom Ehepartner bekommt, muss das erst ab einer Höhe von 756 000 Euro versteuern. Für Kinder liegt der Freibetrag bei 400 000 Euro. Wohnungen und Häuser bleiben innerhalb der Familie sogar in unbegrenzter Höhe steuerfrei, wenn der Erbe selbst darin wohnt. Damit fällt für einen großen Teil der Erbschaften in der Mittelschicht überhaupt keine Steuer an. Auch für die Erben von Millionen- oder Milliardenvermögen gibt es Spielräume. Deren Geld ist häufig in Firmenbesitz angelegt, für den es großzügige Ausnahmeregeln gibt, zum Schutz von Arbeitsplätzen.

Wie viel vererben Deutsche jedes Jahr?

218 Milliarden Euro, schätzt Stefan Bach vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW).

Egal ob Freibetrag, Haus oder Firma: Geld, das wegen diverser Ausnahmeregeln nicht der Erbschaftsteuer unterliegt, taucht nicht in den Zahlen des Statistischen Bundesamtes auf. Die 34 Milliarden Euro sind also nur ein kleiner Teil dessen, was tatsächlich vererbt wird.

Ökonomen müssen daher auf Umfragen wie das Sozio-oekonomische Panel (SOEP) zurückgreifen. Für das SOEP werden jedes Jahr Menschen aus 12 000 Haushalten angeschrieben und gefragt, wie viel Geld sie haben - aus Einkommen, aus Vermögen, aus Erbschaften. Stefan Bach vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) hat 2014 die Daten ausgewertet und kam auf Erbschaften in Höhe von 43 Milliarden Euro pro Jahr. Das ist zwar etwas mehr als in der Steuerstatistik, aber wohl weiterhin viel zu wenig: "Milliardäre sind gemeinhin schwer zu erreichen", sagt Bach, "und wenn, dann geben sie ungern Auskunft über ihre Finanzen." Man muss davon ausgehen, dass viele große Erbschaften im SOEP fehlen.

Ihnen kann man nur über einen Umweg auf die Spur kommen. Weil jeder irgendwann stirbt, wird aller Besitz irgendwann vererbt. Daher lässt sich die Höhe der Erbschaften prinzipiell aus den Vermögen berechnen. Über die weiß man allerdings genauso wenig wie über Erbschaften. Seit 1997 gibt es keine Vermögensteuer mehr und daher auch keine Statistik. Telefonumfragen sind wiederum unvollständig. Bach behilft sich daher zusammen mit einem Kollegen mit der Liste der 500 reichsten Deutschen aus dem Manager Magazin. Die Zeitschrift schätzt den Besitz der Oberschicht anhand verschiedener Quellen wie Archiven und Gesprächen mit Bankmanagern. Wissenschaftlich exakt ist das nicht, aber ein Anhaltspunkt. Mithilfe der Liste, Umfragedaten und statistischen Formeln erkundet Bach dann das Vermögen der Deutschen. Daraus errechnet er unter Einbeziehung der Sterblichkeit jährliche Erbschaften von 218 Milliarden Euro. Andere Ökonomen kamen auf 220 Milliarden und 307 Milliarden Euro (siehe Grafik). Irgendwo dazwischen liegt wahrscheinlich die Wahrheit.

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