Süddeutsche Zeitung

Hochzeits-Pannen:Von wegen "schönster Tag im Leben"

Prügeleien um den Brautstrauß, esoterische Zeremonien und Kotze auf der Torte: Kein anderes Event hat mehr Potenzial für Pannen! Die schönsten schrecklichen Hochzeits-Anekdoten unserer Leser.

Von Violetta Simon

Was, wenn die Braut bei ihrer Entführung ins Klo einbricht? Das Zelt mit der Hochzeitsgesellschaft geflutet wird? Die Schwiegermutter eine Trauerrede hält - und Sie sich nicht einmal betrinken können, weil der Alkohol ausgegangen ist? Wie der "schönste Tag" im Leben eines Brautpaares ablaufen soll, davon hat jeder eine eigene Vorstellung - vor allem das Schicksal.

Hier eine Auswahl der schönsten Anekdoten unserer Leser* (*Namen von der Redaktion geändert), bei denen wir uns an dieser Stelle für die zahlreichen Einsendungen herzlich bedanken möchten.

Was Bräute und Bräutigame erlebt haben

Friederike H., Braut: Am Polterabend vor der Hochzeit hatten Freunde die wunderbare Idee, sich einen Industriesauger mit Gebläse zu besorgen und unser Auto, das bereits für die Hochzeit dekoriert war, mit Millionen von kleinen Styroporkügelchen zu füllen. Da wir damit am nächsten Morgen zur Kirche fahren wollten, durften wir das Fahrzeug erst einmal komplett entleeren und die Sitze mühevoll absaugen. Doch die Kügelchen blieben überall haften - am schwarzen Anzug meines Mannes waren sie besonders gut zu sehen. Ständig wurde er angesprochen: "Du hast da was!" - "Worin hast du dich denn gewälzt?" Der Kontakt zu unseren Freunden ist seitdem, nun ja, beeinträchtigt. Was sie sich dabei gedacht haben, werden wir wohl nie verstehen. Geblieben sind uns die Reste vereinzelter Kügelchen, die noch immer in den Ritzen der Autositze stecken. Sie erinnern uns bis heute an unseren Hochzeitstag.

Alle Artikel zum Thema Hochzeit

Trotz Scheidungsstatistiken ist der Trend zum Heiraten ungebrochen, jedes Jahr trauen sich in Deutschland mehr als 350 000 Paare und schließen den Bund fürs Leben. Doch zuvor sind viele Entscheidungen zu fällen. Manchmal mutieren Bräute in dieser Zeit zu Monstern. Manchmal geht erst auf der Hochzeitsparty alles schief. Und manchmal ist es einfach nur der schönste Tag im Leben. Lesen Sie hier alle Texte rund um das Thema Hochzeit.

Gerhard L., Bräutigam: Wir hatten zuvor klar kommuniziert: Bitte keine Brautentführung! Die ältesten, besten Freunde meiner Frau hielten sich nicht daran und verschleppten die Braut. Statt sie in eine Bar zu bringen, sperrten sie sie in die nächste Toilette. Dort wurde ihr bald langweilig, also versuchte sie, aus dem Fenster zu entkommen. Als sie jedoch auf den Klodeckel stieg, brach sie ein und blieb mit dem Fuß stecken. Es dauerte, bis man sie befreite. Da war der Knöchel schon recht dick. Und der Schuh kaputt. Und die Laune im Eimer.

Hannelore S., Braut: Das Brautkleid, das ich mir im Laden ausgesucht hatte, war in meiner Größe nicht vorhanden, also wurde es nachbestellt. Eine Woche vor der Hochzeit sollte ich zur Anprobe kommen, um Änderungen vornehmen zu lassen. Doch als das Kleid ankam, hatte es dieselbe Größe wie das erste! Ich musste ein anderes nehmen. Da ich sehr groß bin und kaum Modelle von der Stange tragen kann, gab es genau ein Kleid, das mir passte. Dabei gefiel es mir noch nicht einmal. Doch es blieb keine Zeit, weitere Kleider zu bestellen oder umzuändern.

Und so heiratete ich in einem Brautkleid, das ich mir so nie ausgesucht hätte - ein kleiner Albtraum. Am Hochzeitstag riss beim Anziehen dann auch noch ein Träger. Trotz allem war es eine schöne Hochzeit, und mittlerweile bin ich seit zehn Jahren glücklich verheiratet.

Gerd O., Bräutigam: Die schlimmste Hochzeit? Meine eigene. Die Feier war auf einer Streuobstwiese südlich von München geplant - ein oberbayrisches Idyll mit altem Bauernhof und Kapelle. Es war Juli, und seit Wochen so heiß, dass wir Bedenken hatten, unsere Gäste in der sengenden Sonne dem potenziellen Hitzeschlag auszusetzen. Also besorgten wir Pavillons, Sonnenschirme und mehr Getränke. Doch es kam anders ...

Am Tag zuvor stürzten die Temperaturen unerwartet ins Bodenlose. Der Regen kam. Aus anderen Teilen Deutschlands angereiste Gäste waren kleidungsmäßig nicht vorbereitet. Am Hochzeitstag zeigte das Thermometer unter zwölf Grad an. Die Streuobstwiese verwandelte sich in eine Schlammlandschaft. Alle froren im Zelt ohne Boden, mit nassen Haaren und Füßen, in Sommerkleidern und kurzen Hosen. Meine Frau tauschte das Hochzeitskleid nach zwei Stunden gegen Jeans und Pulli. Ich zog mich ebenfalls um - beim Bücken war meine Anzughose am Hosenboden gerissen. Das geplante große Feuer fiel ins Wasser.

Zu allem Übel erlitt auch noch einer der Gäste einen allergischen Schock. Er musste intubiert und mit dem Rettungswagen abtransportiert werden. Nach drei Stunden war fast die Hälfte der Gäste gegangen. Da habe ich geweint. Dafür war es am nächsten Tag wieder schön. Nach dem Aufräumen hatten wir immerhin Sonnenbrand.

Silvia K., Braut: Mitten in der schönsten Partystimmung passierte es: Meine Tante stieg beim Tanzen auf die Schleppe meines Brautkleides. Natürlich hatten wir kein Notfallset dabei, nicht einmal eine Sicherheitsnadel war aufzutreiben. Ich knotete das Ding notdürftig an den oberen Teil fest. Es sah ein bisschen nach Piratenbraut aus, aber nicht schlecht. Zumindest musste ich mir von da an keine Gedanken mehr um die Schleppe machen. Schade nur um das teure Kleid.

Nora D., Schwester der Braut: Freie Trauungszeremonie im Schlosspark. Die Location ist ein Traum, das Wetter ebenfalls. Während der Pastor die Traurede hält, bleiben immer mehr Spaziergänger stehen und versammeln sich um die kleine Hochzeitsgesellschaft. Es bildet sich eine Menschentraube. Einige von ihnen dokumentieren das Geschehen mit dem Handy und posten es auf Facebook. Auf den Hochzeitsbildern werden später sehr viele fremde Menschen zu sehen sein.

Friederike M., Tochter des Brautpaars: Das peinlichste Erlebnis hatte ich auf der Hochzeit meiner Eltern. Ich war damals erst ein Jahr alt - dennoch trug ich maßgeblich zum "Gelingen" dieses Tages bei. Wie ich aus Erzählungen weiß, verfolgte ich die Zeremonie die meiste Zeit vom Schoß meiner Urgroßmutter aus, die mich auch auf der anschließenden Feier immer wieder umhertrug, wenn ich anfing zu quengeln und meine Eltern mit den Gästen beschäftigt waren.

Als wir gerade am Buffet vorbeispazierten, ich bäuchlings über die Schulter meiner Uroma gelegt, muss mich wohl ein frühkindlicher Spuckreiz überkommen haben. In dem Moment, als sie sich nichtsahnend im Raum umsieht, musste ich mich übergeben - direkt auf die Hochzeitstorte. Meine Urgroßmutter wäre am liebsten im Boden versunken (abgesehen davon, dass ihr Kostüm ebenfalls ruiniert war). Alle Anwesenden verharrten in einer Art Schockstarre - irritiert, angeekelt und amüsiert zugleich. Der Kuchen war nicht mehr zu retten und musste durch Blechkuchen ersetzt werden, der eilig aus umliegenden Bäckereien herangeschafft wurde.

Heute bin ich 25, allerdings vergeht keine Familienfeier, an der mir nicht von mindestens einem der damals anwesenden Verwandten geraten wird, ich solle doch bitte Abstand vom Kuchen halten. Vor allem mein Vater findet das sehr witzig.

Franca H., Schwägerin der Braut: Die Hochzeit fand im süditalienischen Salerno statt. Alles war bereit, die Kirche mit Blumen geschmückt. Doch die Familie des Bräutigams erschien nicht, sie waren alle noch mit dem Frisör und der Kosmetikerin beschäftigt. Der Pfarrer, das Brautpaar und wir, drei Gäste aus Deutschland, warteten eine Stunde. Schließlich fand die Trauung ohne die italienische Verwandtschaft statt. Erst als das Brautpaar aus der Kirche auf den Vorplatz trat, kamen sie anspaziert.

Beim Essen ging die Tragödie weiter. Wir hatten zuvor gesagt, dass wir keine Meeresfrüchte mögen - es gab fast nichts anderes. Eines der Kinder warf der Großmutter eine Cola-Dose in die Pasta, sodass die Oma und der Tisch bekleckert waren. Auf der Hochzeitstorte fehlte oben das Brautpaar aus Marzipan - offenbar hatte jemand die Dekoration gegessen. Da begann die Braut zu weinen.

Unsere neuen Verwandten aßen, bis sie keinen Ton mehr hervorbrachten. Sie hingen danach in den Stühlen und gingen bald nach Hause. Es war die schrägste Hochzeit, die wir je erlebt hatten.

Hannah F., Schwester der Braut: Bei der Hochzeit meiner Schwester war alles sehr groß und aufwendig: Zweimal Schloss, für Standesamt und Kirche. Zwei Pastoren, katholisch und evangelisch. Gigantischer Ballsaal, unfassbar teures Hotel. Am Morgen der kirchlichen Trauung stand die Braut aufgelöst in meinem Hotelzimmer am Bett und schrie mich an, ich müsse die Tischkarten neu machen, es sei ja alles falsch. Der Hotelempfang sei informiert, ich könne dort alles ändern und ausdrucken. Also habe ich - im Pyjama und in Windeseile - neue Tischkarten erstellt.

Zur kirchlichen Trauung hätte ich es um ein Haar nicht mehr geschafft. Am Treppenaufgang hatte sich bereits der 20-köpfige Chor des Schwagers versammelt und sang. Als ich mich an ihnen vorbeidrücken und in die Schlosskapelle eintreten wollte, wurde ich von Touristen aufgehalten: Ich könne da nicht hinein, dort fände gerade eine Promi-Hochzeit statt.

Auf den Hochzeitsbildern hatte der Fotograf zwar fast überall die Füße abgeschnitten. Und ich sah in meinem goldenen Kleid aus wie ein überdimensionales Ferrero Rocher. Aber das Paar selbst fand sich und seine Hochzeit toll und verschickte später an seine Gäste DVDs mit je 600 (!) Bildern.

Mehmet B., Trauzeuge: "Das passiert jetzt nicht wirklich", dachte ich noch, als ich die Standesbeamtin diesen Satz sagen höre: "Sie dürfen nun die Ringe tauschen!" Ich stehe neben dem Brautpaar vor dem Altar, sämtliche Blicke erwartungsvoll auf mich gerichtet, und klopfe hektisch meine Sakkotaschen ab. Versuche, nachzuvollziehen, wo sie gelandet sein könnten: Ich hatte die Ringe in die Innentasche gesteckt. Dort hatten sie das Sakko ausgebeult, also habe ich sie aus dem Kästchen entfernt. Das war mir zu unsicher, weshalb ich sie wieder ins Kästchen steckte und in meiner Manteltasche aufbewahrte. Den zog ich dann aber nicht an, weil es anfing zu regnen. Ich ließ den Mantel hängen und ging in der Regenjacke los.

"Verzeihung, die Ringe?" - ich stehe da und raufe mir die Haare, stammle eine Entschuldigung. Der Brautvater reagiert geistesgegenwärtig, stellt seinen Ehering zur Verfügung, die Brautmutter ihren. Das Brautpaar steckt sich die Ringe an, unter dem Beifall der Hochzeitsgesellschaft.

Johann W., Freund des Bräutigams: Hochzeit am Starnberger See, alles sehr edel und mondän. Jedes Detail war von der Braut genauestens geplant. Selbst Geschenke mussten im Vorfeld abgeklärt werden, sie mussten zum Beispiel farblich ins Gesamtbild passen. Das Essen war exquisit und muss sehr teuer gewesen sein. Die Portionen waren winzig. Auf die Frage hin, ob man einen Nachschlag ordern könne, hieß es knapp "nein". Der absolute Stimmungskiller war schließlich die Rede des Brautvaters. Sie dauerte etwa eine Stunde und war eine detailreiche Biografie der Braut. Der Bräutigam kam leider nicht darin vor.

Armin L.: Es war ein Gedicht. Die Mutter der Braut trug selbstgereimte Verse vor: ein weinerliches Potpurri aus Vorwurf, Beleidigung und Rache, gerichtet gegen den Bräutigam. Tränenreich beschwerte sie sich, dass der neue Schwiegersohn ihr die Tochter entziehe und die beiden sich außerdem nie bei ihr blicken ließen. Das Ganze dauerte 25 Minuten - in Reimform, immerhin. Zur Entschädigung spielten anschließend die neunjährigen Nichten der Braut "La Cucaracha". Auf der Blockflöte. Auch schön.

Eveline F.: Auf dieser Hochzeit ließen sie wirklich nichts aus: Kutscherspiel, Bettlaken-Herz mit der Nagelschere ausschneiden, Reise nach Jerusalem. Am Ende war das Essen abgekühlt, die Stimmung ebenfalls. Die Krönung war jedoch die Rede von Onkel Jürgen, der das Leben der Brautleute nacherzählte - vom kleinen Robert, der immer so gerne Mettwurstbrötchen bei der Omi aß, über die Schulzeit, bis hin zur Universitätskarriere. Als der Onkel endlich an den Punkt kam, wo Robert und seine Frau sich zum ersten Mal trafen, waren einige bereits eingeschlafen. Als ich wieder zu mir kam, waren die beiden gerade erst zusammengezogen.

Daniel H., Freund des Bräutigams: Die Rede des Brautvaters grenzte an Körperverletzung. 45 Minuten lang schwafelte er über das "Schiff Petra", das in den "Hafen Günter" fährt. Er ließ wirklich keine Metapher aus. Gekrönt wurde das Ganze von einer Stimmungsmacher-Stubenmusik. Das einzig Gute war, dass sämtliche Getränke auf das Brautpaar gingen, und so stand bald ein 18-jähriger Single Malt auf unserem Tisch. Er ließ uns das Martyrium schnell vergessen.

Kerstin L.: Als ich das erste Mal zu einer türkischen Hochzeit eingeladen war, kannte ich die wichtigste Regel noch nicht: Nie hungrig zum Fest gehen! Gefeiert wurde in einer abgelegenen Schützenhalle, wir waren pünktlich um 16 Uhr da, doch von dem Brautpaar fehlte jede Spur. Dafür klingelte ständig ein Handy: Braut und Bräutigam erkundigten sich immer wieder, ob alle 500 Gäste bereits angekommen seien - vorher könnten sie nicht erscheinen.

Als die beiden dann endlich zur Tür hereintanzten, war es 20 Uhr. Mein Magen knurrte bereits gegen die laute Musik an. Doch außer mir war offensichtlich niemand hungrig: Alle fielen in den Tanz des Brautpaares mit ein, es war eine ausgelassene Stimmung, wie ich sie selten erlebt habe. Stundenlang ging das so, die Gäste verließen die Tanzfläche nur, um sich kurz frisch zu machen. Ich futterte unterdessen die Nüsse, die auf dem Tisch standen. Und auf den Tischen der Nachbarn.

Da ergriff jemand das Mikrofon. Ich jubelte innerlich, jetzt würde endlich das Buffet eröffnet. Aber nein, es folgte die Geschenkübergabe. 500 Gäste stellten sich in einer Reihe auf, um dem Brautpaar Gold und Scheine zu überreichen. Der Mann auf der Bühne stellte jeden Gast persönlich vor - inklusive der Höhe des Geldgeschenks.

Ich war dem Zusammenbruch nahe. "Ich habe draußen den Hähnchenwagen gesehen", versuchte mein Mann mich zu beruhigen. "Es geht bestimmt gleich los." Als die Geschenkübergabe endlich vorbei war, rollte tatsächlich ein Imbisswagen herein - und jeder Gast bekam ein halbes Grillhähnchen zugeteilt. In dem Moment war ich einfach nur froh, keine Vegetarierin zu sein.

Als um Mitternacht die fünfstöckige Torte hereingerollt wurde, stolperte ich wild entschlossen mit dem Teller in der Hand nach vorne. Ich muss sehr hungrig ausgesehen haben: Ich bekam als Erste nach dem Brautpaar ein Stück Kuchen.

Laura S., Kollegin der Braut: Als wir ankamen, drückte man uns Essensmarken in die Hand. Es gab rote und blaue: Die roten Wertmarken standen für besseres Essen und Nachschlag, sie waren der Familie und Verwandtschaft vorbehalten. Wir bekamen blaue - und gingen am Ende hungrig nach Hause.

Dirk N.: Wir wurden nach der Hochzeit von den Eheleuten gebeten, die Gläser, die man uns zur Begrüßung als Gastgeschenk überreicht hatte, wieder abzugeben.

Sophie L., Braut: Als ich meinen Brautstrauß warf, konnte ich noch nicht ahnen, dass ich damit eine kleine Katastrophe auslösen würde: Zwei der eingeladenen Damen nahmen das Ritual eindeutig zu ernst. Beide wollten im nächsten Jahr heiraten. Sie kämpften erbittert um den Brautstrauß. Es kam zu einem Handgemenge, die beiden landeten auf dem Boden. Einer von ihnen wurde dabei der Ohrring aus dem Ohr gerissen. Es floss Blut, und es flossen Tränen. Zuerst bekamen die Umstehenden einen ziemlichen Schreck, doch dann brach allgemeines Gelächter aus. Zum Glück war nach fünf Minuten alles vergessen. Die beiden Damen heirateten tatsächlich im Jahr darauf. Ich bin inzwischen wieder geschieden.

Maria P.,: Ich war zehn, und beim Brautstraußfangen durften auch wir Kinder mitmachen. Ich gab alles, fing den Strauß - und wurde von allen Seiten angebrüllt. Ich war total erschrocken und völlig überfordert. Was ich nicht wusste: Offensichtlich war zuvor vereinbart worden, dass die beste Freundin der Braut den Strauß fangen sollte. Sie hatte vor wenigen Tagen einen Antrag bekommen. Die Reaktion finde ich damals wie heute übertrieben.

Udo W.: Die Messlatte war hoch. Nach einer wundervollen Trauung in einer Kapelle auf einem kleinen Berg mit grandioser Aussicht konnte der Rest des Tages eigentlich nicht mehr besser werden. Wurde er auch nicht: Das Essen kam viel zu spät, es war zu wenig und nicht besonders gut. Es gab nichts und niemanden, der für Stimmung gesorgt hätte - nicht einmal Musik, bis auf eine zwischendurch abgespielte, langweilige MP3-Playlist. Wie gern hätten wir uns betrunken, nach dem Motto "Sieben Halbe Bier sind auch ein Schnitzel". Doch nicht einmal dafür war das Wirtshaus gerüstet. Sowohl Bier als auch Wein waren irgendwann aus, Schnaps gab es ohnehin nicht.

Als um 22 Uhr eine Band die Bühne betrat, verschwand das Brautpaar, um das Kind ins Bett zu bringen. Womöglich hatten sie aber auch andere Pläne (vorgezogene Hochzeitsnacht? Nickerchen? Lieblingsserie schauen? zu McDonald's fahren?), denn sie kamen erst um ein Uhr nachts zurück. Im Grunde hätten sie auch gleich wegbleiben können: Fast alle Gäste, die bis dahin aus Höflichkeit ausgeharrt hatten, nutzten die Gelegenheit, um sich zu verabschieden.

Amelie L.: Eigentlich wollte das Brautpaar nach der Trauung nur noch die obligatorische Foto-Session hinter sich bringen und nachkommen, während wir im Partyraum schon mal das Buffet aufbauten und den Sektempfang vorbereiteten. Wir warteten geschlagene drei Stunden auf die beiden - ohne Musik, ohne Essen.

Das Einzige, was die Langeweile unterbrach, waren die sonderbaren Menschen, die immer wieder mal die Tür öffneten und hereinschauten. Sie stellten eigenartige Fragen, auf eine distanzlose Art: wann der Bus käme, ob sie mal vom Essen probieren dürften, wie die Katze von Elvis heiße. Als das Brautpaar endlich eintraf, war bei den Gästen die Luft raus. Aus Verzweiflung hatten sich einige in der letzten Stunde an der Bar dem Alkohol zugewandt. Das Buffet hatten die Gäste bis dahin nicht angerührt, der Sekt war inzwischen schal geworden.

Plötzlich ging die Tür auf und eine Frau rief: "Ich brauche einen Arzt - zum Heiraten!" Kurz darauf erschien ein junger Mann in einem weißen Kittel. Es stellte sich heraus, dass sich der Partyraum auf dem Gelände einer Psychiatrie befand. Die sonderbaren Menschen waren harmlose Insassen, die sich frei bewegen durften.

Martin A.: Eine Schwester der Braut hält in der Kirche von der Kanzel aus eine Rede. Stolpert anschließend und fällt die Treppe hinunter. Verbringt den restlichen Gottesdienst - für alle gut hörbar - wimmernd in der Kirchenbank. Die anderen Schwestern der Braut sollen in der Kirche Klarinette spielen. Offensichtlich haben sie jedoch nicht geprobt. Immer wieder brechen sie mitten im Stück ab, setzen neu an, scheitern erneut. Schließlich geben sie auf und weinen bitterlich. Die Braut muss vom Traualtar wegtreten und sie trösten.

Sebastian P.: Die Trauzeremonie wurde von einer Freundin der Braut gestaltet, ein besinnlich-esoterisches Ritual: Die rund sechzig Gäste sollten vor dem Paar einen Kreis bilden. Aus einem Ghettoblaster setzte asiatische Fahrstuhlmusik ein. Dann musste die Gruppe, mit vollem pantomimischem Einsatz von Händen und Armen, diverse frei interpretierte Tänze vollführen. Das Ganze erinnerte stark an betrunkene Waldorfschüler, die ihren Namen tanzen.

Die Herausforderung war, dass sich der Gästekreis während der Darbietung zum Brautpaar hin verschieben sollte. Wenn man dann vor Braut und Bräutigam zu stehen kam, musste man eine brennende Kerze in eine Wasserschüssel setzen und dem Paar etwas wünschen. Währenddessen gab die Freundin sinnfreie Weisheiten zum Besten: "Liebe ist nur das halbe Leben, das andere ist Bratkartoffel." Die Gäste waren zunächst belustigt, bald darauf jedoch sichtlich genervt. Immerhin kam ein bisschen Bewegung in die Feierlichkeit.

Eva B., Konditorin: Ein Paar kam zu mir, um die Hochzeitstorte zu besprechen. Sie wollte eine Torte in Gold, etwas Dekoratives, das sich gut auf Facebook macht. Er hingegen eröffnete uns, er hätte gern etwas in den Farben seines Lieblingsvereins - Werder Bremen. Die beiden stritten so heftig, dass sie schon die Hochzeit auf Eis legen wollten. Ich konnte sie überzeugen, noch mal in Ruhe darüber nachzudenken und eine Woche später wiederzukommen. Sie entschieden sich für ein vierstöckiges Modell. In Grün, verziert mit Gold.

Wie ich später erfuhr, wurde die Hochzeitstorte an dem Abend nicht kühl genug gelagert und wurde matschig. Als sie schließlich in den Saal gerollt wurde, nun ja, da wäre es egal gewesen, ob sie gold oder grün war. Das Kunstwerk verlor in der Kurve die Form, die beiden obersten Etagen rutschten auf den Boden.

Manuel P., Fotograf: Während des Gottesdienstes einer kirchlichen Trauung verkündete der Pastor: "Sie alle sind so schön angezogen und daher auch bestimmt sehr reich. Deshalb möchte ich Sie bitten aufzustehen und einmal durch den Altarraum im Kreis zu gehen. Ich stelle dort einen Teller für die Kollekte hin und wünsche mir, kein Geklimper von Münzen, sondern nur das Rascheln von Scheinen zu hören." Brautpaar und Gäste (die übrigens fast ausnahmslos aus der Mittelschicht stammen) waren äußerst peinlich berührt.

Johannes S., Pfarrer: Unvergesslich bleibt mir eine Trauung in Erinnerung wegen seiner fröhlichen Gäste aus dem Trucker-Milieu. Die Straße, die sich neben der Kirche den Berg emporschlängelte, war mit einer Reihe blank geputzter Zugmaschinen voll geparkt. Vor der Trauung gab es ein ohrenbetäubendes Getute aus den Signalhörnern sämtlicher Brummis. Die Gäste erschienen überwiegend in Jeansanzügen und -röcken; die Braut trug ein weißes Lederkleid mit Stickereien und weiße Lederstiefel. Die Männer hatten fast alle riesige Hüte dabei - ein seltsamer Anblick!

Für die Rede während der Zeremonie hatte ich mir einige Gleichnisse ausgedacht. So verglich ich den gemeinsamen Lebensweg mit einer Reise im Sattelschlepper und die Bibel mit dem Bordbuch. Man spürte eine große Herzlichkeit; alle machten prima mit und waren sehr aufmerksam. Da ich mich informiert hatte, wie sich Lkw-Fahrer grüßen, beendete ich meine Rede nicht mit "Amen", sondern stilecht mit: "Allzeit Schrott- und gebührenfreie Fahrt!"

In dem Moment beugte sich ein Trucker zu seiner Sitznachbarin rüber und raunte: "Kleiner Witzbold da vorne, was?" Ich habe davon erfahren, weil die Dame, die neben ihm saß, zufällig meine Frau ist, die den Trau-Gottesdienst miterleben wollte. Aber das konnte der nette Mann ja nicht wissen.

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