Nora D., Schwester der Braut: Freie Trauungszeremonie im Schlosspark. Die Location ist ein Traum, das Wetter ebenfalls. Während der Pastor die Traurede hält, bleiben immer mehr Spaziergänger stehen und versammeln sich um die kleine Hochzeitsgesellschaft. Es bildet sich eine Menschentraube. Einige von ihnen dokumentieren das Geschehen mit dem Handy und posten es auf Facebook. Auf den Hochzeitsbildern werden später sehr viele fremde Menschen zu sehen sein.
Friederike M., Tochter des Brautpaars: Das peinlichste Erlebnis hatte ich auf der Hochzeit meiner Eltern. Ich war damals erst ein Jahr alt - dennoch trug ich maßgeblich zum "Gelingen" dieses Tages bei. Wie ich aus Erzählungen weiß, verfolgte ich die Zeremonie die meiste Zeit vom Schoß meiner Urgroßmutter aus, die mich auch auf der anschließenden Feier immer wieder umhertrug, wenn ich anfing zu quengeln und meine Eltern mit den Gästen beschäftigt waren.
Als wir gerade am Buffet vorbeispazierten, ich bäuchlings über die Schulter meiner Uroma gelegt, muss mich wohl ein frühkindlicher Spuckreiz überkommen haben. In dem Moment, als sie sich nichtsahnend im Raum umsieht, musste ich mich übergeben - direkt auf die Hochzeitstorte. Meine Urgroßmutter wäre am liebsten im Boden versunken (abgesehen davon, dass ihr Kostüm ebenfalls ruiniert war). Alle Anwesenden verharrten in einer Art Schockstarre - irritiert, angeekelt und amüsiert zugleich. Der Kuchen war nicht mehr zu retten und musste durch Blechkuchen ersetzt werden, der eilig aus umliegenden Bäckereien herangeschafft wurde.
Heute bin ich 25, allerdings vergeht keine Familienfeier, an der mir nicht von mindestens einem der damals anwesenden Verwandten geraten wird, ich solle doch bitte Abstand vom Kuchen halten. Vor allem mein Vater findet das sehr witzig.
Franca H., Schwägerin der Braut: Die Hochzeit fand im süditalienischen Salerno statt. Alles war bereit, die Kirche mit Blumen geschmückt. Doch die Familie des Bräutigams erschien nicht, sie waren alle noch mit dem Frisör und der Kosmetikerin beschäftigt. Der Pfarrer, das Brautpaar und wir, drei Gäste aus Deutschland, warteten eine Stunde. Schließlich fand die Trauung ohne die italienische Verwandtschaft statt. Erst als das Brautpaar aus der Kirche auf den Vorplatz trat, kamen sie anspaziert.
Beim Essen ging die Tragödie weiter. Wir hatten zuvor gesagt, dass wir keine Meeresfrüchte mögen - es gab fast nichts anderes. Eines der Kinder warf der Großmutter eine Cola-Dose in die Pasta, sodass die Oma und der Tisch bekleckert waren. Auf der Hochzeitstorte fehlte oben das Brautpaar aus Marzipan - offenbar hatte jemand die Dekoration gegessen. Da begann die Braut zu weinen.
Unsere neuen Verwandten aßen, bis sie keinen Ton mehr hervorbrachten. Sie hingen danach in den Stühlen und gingen bald nach Hause. Es war die schrägste Hochzeit, die wir je erlebt hatten.
Hannah F., Schwester der Braut: Bei der Hochzeit meiner Schwester war alles sehr groß und aufwendig: Zweimal Schloss, für Standesamt und Kirche. Zwei Pastoren, katholisch und evangelisch. Gigantischer Ballsaal, unfassbar teures Hotel. Am Morgen der kirchlichen Trauung stand die Braut aufgelöst in meinem Hotelzimmer am Bett und schrie mich an, ich müsse die Tischkarten neu machen, es sei ja alles falsch. Der Hotelempfang sei informiert, ich könne dort alles ändern und ausdrucken. Also habe ich - im Pyjama und in Windeseile - neue Tischkarten erstellt.
Zur kirchlichen Trauung hätte ich es um ein Haar nicht mehr geschafft. Am Treppenaufgang hatte sich bereits der 20-köpfige Chor des Schwagers versammelt und sang. Als ich mich an ihnen vorbeidrücken und in die Schlosskapelle eintreten wollte, wurde ich von Touristen aufgehalten: Ich könne da nicht hinein, dort fände gerade eine Promi-Hochzeit statt.
Auf den Hochzeitsbildern hatte der Fotograf zwar fast überall die Füße abgeschnitten. Und ich sah in meinem goldenen Kleid aus wie ein überdimensionales Ferrero Rocher. Aber das Paar selbst fand sich und seine Hochzeit toll und verschickte später an seine Gäste DVDs mit je 600 (!) Bildern.
Mehmet B., Trauzeuge: "Das passiert jetzt nicht wirklich", dachte ich noch, als ich die Standesbeamtin diesen Satz sagen höre: "Sie dürfen nun die Ringe tauschen!" Ich stehe neben dem Brautpaar vor dem Altar, sämtliche Blicke erwartungsvoll auf mich gerichtet, und klopfe hektisch meine Sakkotaschen ab. Versuche, nachzuvollziehen, wo sie gelandet sein könnten: Ich hatte die Ringe in die Innentasche gesteckt. Dort hatten sie das Sakko ausgebeult, also habe ich sie aus dem Kästchen entfernt. Das war mir zu unsicher, weshalb ich sie wieder ins Kästchen steckte und in meiner Manteltasche aufbewahrte. Den zog ich dann aber nicht an, weil es anfing zu regnen. Ich ließ den Mantel hängen und ging in der Regenjacke los.
"Verzeihung, die Ringe?" - ich stehe da und raufe mir die Haare, stammle eine Entschuldigung. Der Brautvater reagiert geistesgegenwärtig, stellt seinen Ehering zur Verfügung, die Brautmutter ihren. Das Brautpaar steckt sich die Ringe an, unter dem Beifall der Hochzeitsgesellschaft.