Hochzeit:"Wer sich traut, ist konservativ"

Adventure challenge wedding ceremony to celebrate Valentine's Day

Über den Wolken: Abenteuerliche Hochzeit im klassischen weißen Kleid.

(Foto: dpa)

Gunter Mehler hat Theologie studiert, nach seinem Abschluss 1990 jedoch zunächst diverse andere Tätigkeiten ausgeübt. Seit 2009 bietet er als freier Theologe Trauungen, Trauerfeiern und andere individuelle Zeremonien an.

Interview von Barbara Vorsamer

Warum machen Paare, die nicht kirchlich heiraten möchten, nicht einfach eine große Party - wozu braucht es die Zeremonie?

Gunter Mehler: Der wichtigste Grund für eine freie Trauung ist das Bedürfnis, die Liebe öffentlich zu machen und vor allen Menschen, die einem wichtig sind, Ja zueinander zu sagen. Es ist ein Unterschied, ob man sich zu Hause auf dem Sofa seiner Liebe versichert - oder man dieses Ja, dieses "Ich liebe dich", vor hundert Leuten laut ausspricht.

Eine freie Trauung ohne Gäste würde es also nicht geben?

Doch, das habe ich auch schon erlebt. Es war für beide Partner die zweite Ehe, beide befanden sich in einer komplizierten und konfliktreichen Familiensituation. Da wollten sie nicht mit der ganzen Verwandtschaft feiern. Die Trauung fand also auf einer Hotelterrasse statt - nur das Brautpaar, die Fotografin und ich. Die Fotos waren wichtig, damit die beiden danach "Wir haben uns getraut"-Karten verschicken konnten. Auch diesem Paar ging es darum, durch die Zeremonie ihre Verbindung sichtbar zu machen.

Wie verläuft so eine freie Trauung?

Im Grunde wie eine kirchliche Trauung - nur ohne religiösen Überbau. Die großen Kirchen sind seit Jahrtausenden geübt darin, die Menschen zu taufen, zu trauen und zu bestatten. Es gibt keinen Grund für mich, den Ablauf anders zu gestalten.

Warum entscheiden sich dann so viele gegen das Original?

Immer mehr Menschen treten aus der Kirche aus, sind nicht getauft oder die Partner gehören nicht derselben Konfession an. Dennoch wollen sie nicht darauf verzichten, ihrer Liebe einen offiziellen Rahmen zu geben. Inhaltlich steht dann bei der freien Trauung das Paar und seine Liebe im Mittelpunkt.

Hat ein Jawort vor einem freien Theologen rechtliche Konsequenzen?

Nein, dafür braucht es immer die standesamtliche Trauung. Bei den meisten Paaren findet die auch als Erstes statt. Viele Paare, die zunächst nur aus steuerlichen Gründen geheiratet haben oder weil ein Kind kommt, wollen diesen Schritt später noch feiern.

Eine freie Trauung ist aber auch ohne Eheurkunde vom Standesamt möglich, ein Kollege von mir hat schon mal so ein Paar getraut. Die Partner haben sich bewusst dafür entschieden, ihre Liebe mit einer Zeremonie zu untermauern, ohne dafür eine rechtlich verbindliche Maßnahme in Anspruch zu nehmen. Sie tragen Eheringe und bezeichnen sich gegenseitig als "mein Mann" und "meine Frau". Und wenn sie gefragt werden, ob sie verheiratet seien, lautet die Antwort "ja".

Wie bereiten Sie sich und Ihre Kunden auf die Zeremonie vor?

Nach einem ersten Kennenlerngespräch gebe ich den Paaren eine "Hausaufgabe": Ich bitte sie, mir schriftlich ihren Partner vorzustellen und mir zu verraten, was sie oder ihn besonders macht. Ich lasse mir ihre Geschichte erzählen, wie sie sich kennengelernt haben, warum sie heiraten wollen und wie sie sich ihre Zukunft miteinander vorstellen. So bekomme ich ein Gefühl dafür, was für eine Art der Liebe, was für eine Beziehung ich vor mir habe und welche Geschichte dazu passen könnte. Die persönliche Ansprache ist meine wichtigste Aufgabe bei der freien Trauung. Sie ist das, was in der Kirche die Predigt ist.

Was gehört noch zu einer freien Zeremonie?

Neben der Ansprache das Jawort, der Ringtausch und natürlich der Kuss. Ebenfalls ein wichtiges Element sind die Wünsche an das Brautpaar, bei einer kirchlichen Trauung wären das die Fürbitten. Hier geht es auch wieder um Öffentlichkeit, darum, dass die Gemeinschaft das Brautpaar annimmt und ihnen alles Gute für ihre gemeinsame Zukunft wünscht.

Was geben Sie den Paaren, die zu Ihnen kommen, mit auf ihren Weg, welche Botschaft liegt Ihnen besonders am Herzen?

Meine aktuelle Lieblingsgeschichte handelt von einem Paar, das davon hört, dass am Ende der Welt das unermessliche Glück zu finden sei. Sie machen sich auf dem Weg, er ist lang und beschwerlich. Als sie an die Tür zum Glück kommen, gehen sie hinein - und stehen in ihrem eigenen Wohnzimmer. Diese Geschichte passt zu sehr vielen Paaren, und mithilfe des Wohnzimmer-Bildes lässt sich eine persönliche Ansprache schreiben: Was ist in eurem Wohnzimmer, wie lebt ihr, was steht da? Und was könnte noch dazukommen?

Was halten Sie von selbst geschriebenen Eheversprechen?

Das wollen viele, weil sie es in Hollywood-Filmen sehen, aber ich rate den Paaren meistens davon ab. Sie unterschätzen, wie schwer es ist, vor vielen Menschen zu sprechen und wie emotional die Trauung werden kann. Fast allen Bräuten kommen die Tränen und so manchem Bräutigam versagt die Stimme. Wenn sie dann ein langes Eheversprechen aufsagen müssen und das nicht so hinkriegen, wie sie es sich gewünscht haben, ist die Enttäuschung groß. Ein guter Kompromiss ist für viele das laut ausgesprochene "Ja, ich will" - und danach ein leises Versprechen, das nur die Partnerin oder der Partner hört.

Theoretisch ist bei einer freien Trauung alles möglich. Haben Sie schon viele verrückte Zeremonien miterlebt?

Beim Ablauf weniger, der ist immer ähnlich: Das Paar kommt rein, gibt sich das Jawort und geht wieder als Ehepaar. Experimentierfreudig sind die Leute nur beim Rahmen: Manche wollen auf dem Schiff heiraten, auf einer Alm oder einer Blumenwiese. Zeremonien im Freien sind sehr beliebt. Es gibt Mottohochzeiten, Trachtenhochzeiten oder Hochzeiten, zu denen alle in Lederkluft kommen, weil beide passionierte Motorradfahrer sind. Aber das Grundprinzip ist immer dasselbe. Wer sich traut, ist konservativ - zumindest in dieser Hinsicht.

Gilt das auch für homosexuelle Paare?

Ja. Auch sie wollen den ganz normalen Ablauf, und die Hochzeit in der Kirche ist ihnen leider verwehrt. Das Einzige, was bei gleichgeschlechtlichen Paaren manchmal heikel ist, ist die Reihenfolge, in der die Partner genannt werden, denn die liegt nicht auf der Hand. Doch meistens gibt es da schon eine, quasi eine historische. Das Paar nennt sich entweder Michael und Maik. Oder eben Maik und Michael.

Was war die bewegendste Trauung, die Sie erlebt haben?

Letztens hatte ich eine Hochzeit, bei der beide Partner schon über 70 waren. Eine Jugendliebe. Sie ist unverheiratet geblieben, er hatte zweimal geheiratet und war verwitwet - und jetzt haben sie sich wieder getroffen und sich endlich getraut. Das war sehr ergreifend.

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