Süddeutsche Zeitung

Abkühlung im Haus:Heiße Tage, heiße Nächte

Schon wieder stehen Deutschland Temperaturrekorde bevor. Wie übersteht man diese Hitze? Und wie hält man die Wohnung am besten kühl? Eine Geschichte über das Lüften.

Von Martin Zips

"Ich bin so knallvergnügt erwacht", heißt es in Joachim Ringelnatz' sommerlichem Gedicht "Morgenwonne": "Ich klatsche meine Hüften./Das Wasser lockt. Die Seife lacht./Es dürstet mich nach Lüften." Gut, das mit den Lüften ist so eine Sache. Dem einen ist die Luft zu kühl, dem anderen zu schwül, der eine dürstet nach ihr, dem anderen stinkt sie. Da kann es dann schon mal zum Streit kommen, wie vor einigen Monaten in der Darmstädter Straßenbahnlinie 8, als sich vier Herren an der Haltestelle "Friedhof" einfach nicht darüber einigen konnten, ob sie lieber mit geöffnetem oder geschlossenem Fenster unterwegs sein wollten. Es kam zu wüsten Handgreiflichkeiten.

Auch jetzt, da laut Deutschem Wetterdienst erneut Hitzerekorde fallen könnten (Kitzingen, 5. Juli 2015, 40,3 Grad! Alter, da geht doch noch was!), ist nicht nur in öffentlichen Verkehrsmitteln, sondern auch in Behörden, Großraumbüros und besonders in privaten Wohngemeinschaften eine leicht entzündliche Grundstimmung zu spüren. Es herrscht Uneinigkeit über die Frage, auf welche Weise Kühlung zu erreichen sei. Denn Lüften ist eine hochkomplexe Angelegenheit. Wann sollen Fenster und Balkontüren geöffnet, wann Markisen und Rollläden geschlossen werden? Zu berücksichtigen gilt nicht nur die thermische Konvektion, sondern auch der Winddruck. Manche Hausbewohner tendieren zur Stoßlüftung, andere zur Spalt- oder Quelllüftung.

Nachts die Fenster auf, tagsüber die Rollos runter

Damit das gelingt, was der frühere Schalker Sportvorstand Christian Heidel mal "die Birne durchlüften" nannte, gilt nicht nur laut Deutschlands ältester Fachzeitschrift für Architekten und Bauingenieure, der Deutschen Bauzeitung: "Eine intensive Querlüftung ist sinnvoll, um in sommerlichen Hitzeperioden in den Nacht- und Morgenstunden ein Gebäude zu kühlen und damit eine Überhitzung während des Tages zu vermeiden." Mit anderen Worten: Wer nicht ausgerechnet im Dachgeschoss wohnt, der macht am besten nachts die Fenster auf und tagsüber die Rollos runter. "Je niedriger die Außentemperatur liegt, umso schneller ist aufgrund der Thermik der Luftaustausch."

Das freilich ist leichter gesagt als getan, denn erstens wohnt ein nicht unbeträchtlicher Teil des Landes im Parterre oder an der Hauptstraße. Da schläft es sich unbehaglich mit offenem Fenster. Zweitens warnte schon Hippokrates in seinem Werk "Über die Winde" etwa 400 v. Chr. vor einem Zuviel an Freiluft, weshalb manche Zeitgenossen einem heute noch "Lüftungszwang" unterstellen. Und drittens mag der Paarschlaf zwar seit Anfang des 19. Jahrhunderts allgemein üblich sein - das sagt aber nichts darüber aus, welche Probleme er verursacht. Etwa, wenn bei weit geöffneten Fenstern nachts plötzlich alle Türen knallen.

Bleibt noch die Anmietung einer Klimaanlage aus dem Baumarkt, die jedoch laut der Wiener Organisation "Die Umweltberatung" nur dann was bringt, wenn die Öffnung für den Abluftschlauch auch dicht hält. Alles andere sorge für horrende Stromkosten und befeuere den Klimawandel. Am besten dürfte es schon sein, die Tropennächte nach Ringelnatz mit klatschenden Hüften und lachender Seife knallvergnügt zu überstehen. Aber das ist reine Kopfsache.

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SZ vom 25.07.2019/wib
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