Hilfe für aggressive und auffällige Kinder:Gewaltprävention statt Ritalin

Gewalttätige Jugendliche fielen mit ihrem Verhalten oft schon im Kindergartenalter auf. Häufig werden sie mit Medikamenten behandelt, doch das verdeckt nur die Ursachen für die Gewalt. Es geht aber auch anders - und besser.

Mit Programmen zur Gewaltprävention lässt sich die Aggressivität auffälliger Kinder nach zwei Jahren deutlich senken. Zu diesem Ergebnis kommen Psychologen des Sigmund-Freund-Instituts in Frankfurt nach einer Studie in Kindertagesstätten.

Mickey Rooney und Wallace Beery in "Das letzte Sklavenschiff", 1937

Jugendliche, die gewalttätig werden, fallen mit ihrem Verhalten oft schon im Kindergartenalter auf.

Mickey Rooney prügelt sich als Swifty in dem Film "Das letzte Sklavenschiff", 1937.

(Foto: SCHERL)

Je früher Kinder Gewaltbereitschaft entwickelten, desto hartnäckiger halte sie sich auch später, sagte Institutsdirektorin Marianne Leuzinger-Bohleber. Bei gewaltbereiten Jugendlichen zeige sich: "Die Probleme waren im Kindergarten schon sichtbar."

Die Gründe für auffälliges Verhalten von Kindern seien vielfältig und reichten von organischen Hirnstörungen über nicht verarbeitete Erlebnisse wie Flucht, Vertreibung oder Verlust der Eltern bis hin zu Langeweile wegen Hochbegabung.

"Auffälligen" Kindern Medikamente zu geben wie das gegen Hyperaktivität eingesetzte Mittel Ritalin sei wenig sinnvoll, sagte die Psychoanalytikerin.

Damit könnten zwar die Verhaltensstörungen verschwinden, aber die Ursachen würden versteckt. "Es ist eine große Verführung, Probleme mit Medikamenten zum Verschwinden zu bringen", sagte Leuzinger-Bohleber.

Das Institut hatte von 2004 bis 2006 in 14 zufällig ausgewählten Frankfurter Kindertagesstätten ein "Präventions- und Interventionsprogramm" organisiert - dazu gehörten regelmäßige Supervisionen und intensive Gespräche mit den Eltern sowie psychoanalytische Einzeltherapien für behandlungsbedürftige Kinder.

Nach den zwei Jahren wurden die 390 Kinder, die an dem Programm teilnahmen, mit 390 Kindern aus anderen Kindertagesstätten verglichen. Die Aggressivität der "Interventionsgruppen" sei deutlich gesunken, berichtete Leuzinger-Bohleber.

Drei bis sechs Prozent der Kinder sind nach Einschätzung der Forscher extrem sozial auffällig, aggressiv oder schwer zugänglich. Fehlende Sprachkenntnisse seien dabei nicht das Wichtigste, betonte Leuzinger-Bohleber. Sie zeigten meist nur, dass ein Kind "innere Loyalitätsprobleme" mit seinem Familienhintergrund habe.

Sie beschrieb das Beispiel einer afghanischen Frau, die zunächst völlig unzugänglich war und kein Wort Deutsch sprach. Auch ihr Kind sprach nicht deutsch. Erst, als es gelungen war, persönlichen Zugang zu der Frau herzustellen, lernte das Kind innerhalb einer Woche fließend Deutsch.

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