Hell's Kitchen (XXXII):Der blaue Hund

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Unser Kolumnist bekommt Besuch von einer den Lesern bereits bekannten Isländerin. Er nimmt sie mit in seine Bar - wo sie eine höchst erstaunliche Entdeckung macht.

Von Christian Zaschke

Hell's Kitchen befand sich in dieser Woche in Aufruhr, weil die Isländerin zu Besuch war. Innerhalb kürzester Zeit hatte sie die Hälfte der Einwohner des Viertels bezaubert. Die älteren Leser werden sich daran erinnern, dass die Isländerin mich eine Weile begleitete, als ich vor geraumer Zeit das Land in einem Chevrolet Tahoe von Küste zu Küste durchquerte. Ich bin mir sicher, dass sie bis heute in weiten Teilen des südlichen Amerika vermisst wird.

Da die Fügung sie nun in die schwüle Sommerhitze New Yorks geweht hatte, zeigte ich ihr all die geheimen Orte, und für den letzten Abend, ihr Flug ging erst um zehn, hatte ich das Rudy's aufgespart, eine exzellente Schrottbar, von der aus verschiedenen Gründen nicht verraten werden kann, wo sie genau liegt. Als wir den Laden betraten, saß mein Freund V., der Fremdenführer, am Tresen und unterhielt sich mit einem Paar aus Manchester, England, obwohl er, wie er mir zuraunte, kein Wort verstand. Der Akzent von Manchester ist etwas eigen.

Die Isländerin kannte nach wenigen Minuten den halben Tresen und wies mich beiläufig darauf hin, dass über dem Regal mit den Hot-Dog-Brötchen ein Gemälde des Malers George Rodrigue hänge, der eines Tages beschlossen hat, in fast jedem seiner Bilder einen blauen Hund mit gelben Augen unterzubringen.

Mir war das Bild noch nie aufgefallen, also fragte ich V., ob es neu sei. V. geht seit mehr als 20 Jahren ins Rudy's. "Habe das Bild hier noch nie gesehen", brummte er, während das Manchester-Paar auf ihn einredete. Ich fragte Yolanda, die Barfrau, seit wann das Bild da hänge. Yolanda schaute auf das Bild. "Ah", sagte sie, "das alte Bild." Sie arbeitet länger im Rudy's, als V. dort trinkt.

Damals, auf unserer Reise, machten die Isländerin und ich Halt in Lafayette, Louisiana, und wir kehrten im Blue Dog Café ein. George Rodrigue hat lange in Lafayette gelebt, in dem Lokal hängen Dutzende seiner Bilder. Der blaue Hund schaut einem von allen Wänden beim Essen zu. Da die Isländerin binnen Minuten mit dem halben Blue Dog Café ins Gespräch vertieft war, erfuhren wir, dass der blaue Hund einmal in einer Werbung für einen schwedischen Wodka verwendet wurde, und dass Rodrigues Sohn André gerade da war. Der gab uns dann eine Führung durchs Café und erzählte alles über die Bilder und seinen Vater.

Ich erzählte V. die Geschichte. Er sah die Isländerin an, er sah das Bild an, er sah mich an, er bestellte bei Yolanda drei Stella, wir hoben die Gläser, das Paar aus Manchester schloss sich an und sagte etwas Unverständliches.

Dann war es Zeit.

Yolanda bestellte ein venezolanisches Taxi, denn, sagte sie, das seien die besten Taxis. Das Taxi kam, die Isländerin stieg ein, das Taxi fuhr, und wir im Rudy's, wir in Hell's Kitchen - wir blieben zurück. Aber immerhin, sagte V.: Wir haben jetzt einen Hund.

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