Hell's Kitchen (XLVIII):Pong

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Unser Kolumnist leidet unter Rückenschmerzen. Die Therapeuten, die ihm empfohlen werden, sind nicht sehr hilfreich, dafür aber sehr teuer.

Von Christian Zaschke

Wir saßen in Jeffs Lieblingsrestaurant, dem "Alta" im Greenwich Village, als es aus ihm herausbrach: "So geht es nicht weiter. Du gehst morgen zu meinem Chiropraktiker. Ich rufe ihn jetzt sofort an." Seit Wochen hatte ich größere Rückenprobleme, was Jeff sehr auf die Nerven ging. Das lag nicht daran, dass ihm mein körperliches Wohlbefinden so am Herzen lag, sondern daran, dass ich, wenn ich wie sonst immer nur leichte Rückenprobleme habe, exakt so gut Tischtennis spiele wie er. Man findet das nicht oft: den perfekten Gegner. Wir haben sonst nicht viel gemein, Jeff macht in Immobilien, er geht öfter auf Kreuzfahrten mit Gruppen von deutlich jüngeren Männern, gern erzählt er von seinen eingebildeten Krankheiten.

Ich habe ihn kennengelernt, weil mir eine Londoner Freundin, als ich nach New York zog, gesagt hatte: "Du musst Jeff kennenlernen." Vermutlich hätte ich ihn kein zweites Mal getroffen, wenn wir nicht gegen Ende des Gesprächs festgestellt hätten, dass wir beide ernsthaft Tischtennis spielen, beziehungsweise "Pong", wie Jeff zu sagen pflegt. Wir schlenderten rüber ins "Fat Cat", wo man während des Tischtennisspielens exzellenten Jazz-Bands lauschen kann. Das Bier ist okay, der Wein ist lausig, die Tischtennisbälle sind so orange wie Donald Trump. Wir lieferten uns ein episches Match, und für Jeff war an diesem Abend klar, dass die Götter uns in Manhattan zusammengebracht hatten, damit wir einmal in der Woche Pong gegeneinander spielen.

Er rief den Chiropraktiker an und machte einen Termin. "Du gehst da ein-, zweimal hin und bist geheilt", sagte er. Ich war etwas skeptisch. Die Osteopathin, die meine Freundin S. empfohlen hatte, berechnete 225 Dollar dafür, dass sie mir eine Viertelstunde mit einer Massagemaschine über den Rücken fuhr. Der englische Physiotherapeut am Times Square, den mein Vermieter J. mir ans Herz gelegt hatte, kostete zwar nur 110 Dollar, dafür beschränkte sich sein Einsatz darauf, mich auf ein Eiskissen zu legen. Jeffs Chiropraktiker spannte mich auf eine Streckbank, die mich zehn Minuten streckte. "Gut gemacht", sagte er und kassierte 125 Dollar. Ich ging noch drei-, viermal hin, es brachte absolut nichts. Jeff war verzweifelt.

Da ich sein Leid nicht länger mit ansehen konnte, buchte ich einen Flug nach Deutschland, um die Sache von Profis regeln zu lassen. Die Profis beschlossen, die Sache gleich endgültig zu regeln, wovon ich mich seither erhole. Jeff schreibt täglich und will wissen, ob ich wieder so gut werde Pong spielen können wie damals. Es hat eine Weile gedauert, aber soeben war der Tag, an dem ich zurückschreiben konnte: "Komme nächste Woche zurück. Die Docs sagen, ich werde besser sein als vorher." Ich nehme es Jeff gar nicht mal übel, dass er das für eine schlechte Nachricht hielt.

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