Hell's Kitchen (L):Frohes Neues!

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Unser Kolumnist ist samt operiertem Rücken zurück in New York, wo er viel Mitgefühl erfährt und eine Silvesterparty verschläft.

Von Christian Zaschke

Es wäre nur leicht übertrieben, wenn ich behauptete, dass sich nach meiner Rückkehr aus Deutschland halb Hell's Kitchen nach meinem Befinden erkundigt hat. Ich hatte eine etwas zu lange Weile an meinem Rücken herumlaboriert und war nach Deutschland geflogen, um die Sache von Profis regeln zu lassen. Als ich an einem späteren Nachmittag zwischen den Jahren endlich wieder vor dem ehemaligen Schwesternwohnheim ankam, in dem ich eine bescheidene Bleibe gefunden habe, begrüßte mich Hausmeister Giovanni Colon mit der Frage, ob er mir mit meinem Koffer helfen könne. Giovanni hat, dessen bin ich mir sicher, noch nie jemandem mit seinem Koffer geholfen. Er rollte ihn zum Aufzug, drückte für mich auf den Knopf und klopfte mir zum Abschied auf den Rücken, exakt auf die OP-Narbe.

In den folgenden Tagen bot mein zitternder Friseur Robert an, mir kostenlos den Haarschnitt zu ruinieren. Nachbar Tracey Westmoreland, der in einer Schrottbar namens Rudy's den Türsteher gibt, in der man zum Bier einen Hot Dog umsonst bekommt, stellte in Aussicht, mir ebendort einen Hot Dog zu spendieren. Als ich dann wirklich wieder ins Rudy's ging und eine Cola bestellte, sagte Barfrau Yolanda: "Ah, sie haben dir mit der Bandscheibe auch das Hirn rausoperiert."

Am 31. Dezember klingelte mein Bürotelefon. Es ist schwarz. Heidi P. war dran, keine Ahnung, woher sie die Nummer hat. Seit ich in Amerika lebe, verbringe ich Thanksgiving bei Heidi P. Aber nicht Silvester. Sie sagte: "Magst du vorbeikommen? Kleine Party." Ich sagte: "Was soll ich mitbringen?"

Später am Abend packte ich zwei Flaschen Wein in eine Tasche und nahm die Subway von Hell's Kitchen runter nach Soho. Auf der Party schlief ich, da meine innere Uhr nach der Rückkehr aus Deutschland immer noch verstellt ist, um elf auf dem Sofa ein.

Heidi P. versammelt auf ihren Partys eine etwas exzentrische Auswahl von New Yorkern, unter denen Wavy Davey und Drunk Pam zu den normaleren zählen. Angeführt von Heidi P.s schottisch-philippinischem Lebensgefährten R. fand sich rasch eine Einsatzgruppe, die mich, während ich vor mich hinschnarchte, mit einem Silvesterhut, Luftschlangen und einer überdimensionierten 2020-Brille verzierte. Sie fotografierten das Ensemble und verbreiteten es in diversen sozialen Medien.

Um zehn vor zwölf weckten sie mich und freuten sich über meine Ankündigung, dass ich jeden von ihnen auf ein paar Millionen Dollar Schmerzensgeld verklagen werde. Nori K., ein japanischer Elektriker, der zu den Stammgästen auf Heidi P.s Zusammenkünften gehört und von niemandem außer mir verstanden wird, sagte, dass er gern als Nebenkläger auftrete.

"Nori", sagte ich, "du bist ein Ehrenmann."

Die Uhr schlug Mitternacht. Nori antwortete: "Akemashite omedetou."

© SZ vom 04.01.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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