Heimwerkerabende für Frauen:Hammer-Frauen

Heimwerker in München, 2013

Frauen im Baumarkt sind nichts ungewöhnliches mehr - 43 Prozent der Kunden sind inzwischen weiblich.

(Foto: Robert Haas)

Der Baumarkt war mal der letzte Rückzugsort des Mannes. Doch das ist jetzt anders. Auch Frauen bohren, dübeln und fliesen - nachts und nur unter sich. Heimwerkerabende für die weibliche Kundschaft boomen.

Von Hannes Vollmuth

Manchmal beginnt etwas Großes ganz klein, zum Beispiel mit einem Loch. Denise bohrt. 20:25 Uhr, ein Bauhaus-Markt in Köln-Kalk, Gang 65. Die Bohrmaschine ist klein und leicht, bohrt und bohrt und frisst sich durch Beton, bis Dreck auf Denise' Turnschuhe springt. Egal. Egal auch der Lärm, das Lachen der anderen Frauen, die Handy-Videos, die Haare, die ihr aus dem Zopf rutschen. Denise bohrt.

"Jetzt sind Sie gleich beim Nachbarn", sagt der Bohrmaschinen-Mann von Bauhaus. Männerhumor - das ist das Problem.

Ein neuer Trend flutet die Regalschluchten der deutschen Baumärkte: Heimwerkerabende für Frauen, die dübeln wollen, fliesen, bohren, Laminat verlegen, am Siphon schrauben. Es gab schon Frauen, die wollten elektrische Leitungen verlegen, aber das lassen die Sicherheitsbestimmungen des Baumarkts nicht zu.

Das Prinzip: Ein männerleerer Baumarkt und viele Frauen, die lernen wollen, wie Heimwerkern geht. Es kommen Singles, Ehefrauen, Geschiedene, Studentinnen, die eine WG gründen, Witwen. Manche zum zweiten Mal.

Alleine an diesem Abend in Köln-Kalk versammeln sich 400 Frauen in den gefliesten Gängen. Bauhaus, Hornbach, Obi, Globus - alle berichten von dreistelligen Anmeldezahlen für ihre Frauenkurse, die sie "Women at Work" nennen, "Hammerfrauen Workshop", "Macherinnen", "Women's Night", "Frauenpower-Abend". Ein Baywa-Markt in Würzburg hatte einmal 600 Anmeldungen für den ersten Frauenabend. Der Marktleiter kapitulierte. Und organisierte einen weiteren Termin. Es laufe brutalst gut, sagt er.

Auf dem Boden knirscht der Dreck

Die neue Begeisterung für das Do-it-yourself ist eigentlich alt. Vor 60 Jahren emanzipierten sich die Männer von den Handwerkern und verhalfen den Baumärkten erst zu ihrem Erfolg. Bei der neuen Do-it-yourself-Bewegung sind es die Frauen, die sich emanzipieren: von den Handwerkern im Speziellen und den Männern im Allgemeinen.

21 Uhr. Auf Denise' Pulli klebt der Staub, sie klopft ihn nicht ab. Links kreischt die Säge, rechts brummt der Bohrer. Auf dem Boden knirscht der Dreck. Heimwerker-Euphorie, 15 Regalmeter lang.

Denise ist gerade mit ihrem Freund zusammen gezogen. Ihr Freund besitzt Werkzeug: Bohrer, Schraubenzieher, Hammer, er hat eigentlich alles, was man so braucht. "Darf ich nicht nehmen", sagt Denise, "er sagt, ich mache alles nur kaputt." Sie lässt den Satz im Raum stehen, bis der Lärm ihn schluckt.

Hinter Denise steigt eine Frau mit Schlauchschal auf eine Bierbank und schaut, was vorne passiert. Monika ist 54 Jahre alt und verheiratet. "Beim Bohren zu Hause bin ich immer dabei", sagt Monika. "Staubsauger halten." Wenn die Klospülung klemmt oder das Schlafzimmer einen neuen Anstrich vertragen kann, macht das Monikas Mann. Manchmal dauert es Wochen. Oft Monate. "Und mein Mann pfuscht immer nur", sagt Monika, springt von der Bank und geht zum Werktisch. Die Stichsäge gleitet wie durch Butter.

Heimwerkerabende für Frauen gibt es wegen der Männer, das sehen auch die Männer so. "Die haben einfach jeden Kurs versaut", sagt der Stichsägen-Mann in Köln-Kalk. Ein dummer Spruch jagte den nächsten. Und mit jedem Schenkelklopfer bröckelte das Selbstvertrauen der Frauen wie alter Beton. Nach einem Frauen-Kurs in Duisburg bekam er Besuch von einem Mann: "Spinnst du, meiner Frau zu sagen, ich säge falsch?"

"Frauen wollen es endlich selber machen"

43 Prozent der Kunden in Baumärkten sind inzwischen weiblich, sagt der Handelsverband Heimwerken, Bauen und Garten (BHB). Und das Marktforschungsinstitut Forsa fand unter 1084 Frauen in Baumärkten heraus: 75 Prozent greifen zur Bohrmaschine, weil es billiger kommt als der Handwerker. 60 Prozent tun es für das Selbstbewusstsein. Und jede dritte Frau bohrt und dübelt, weil es eben der Partner nicht tut. "Frauen wollen es endlich selber machen", sagt Mareike Hermann von der DIY Academy in Köln. Hermann will die Hemmung lösen, wie eine angezogene Handbremse. Die DIY Academy ist spezialisiert auf Frauenkurse, oft übernimmt sie die Organisation. 2011 waren es 59 Kurse, ein Jahr später 88 und letztes Jahr dann 284. Das sind 220 Prozent Steigerung in einem Jahr.

22 Uhr. Pause in Köln-Kalk. Denise lässt sich auf eine der Bierbänke fallen. Rechts Rattansessel für die Terrasse, links die neue Grillkollektion. Denise nippt an einem Sektglas, auf den Tischen stehen Gemüsesticks und Dips. Aus den Lautsprechern dudelt Ina Müller: "Wenn du nicht da bist." Ein paar Meter von Denise entfernt wippt Heinz-Dieter Konrad mit dem Fuß. Konrad ist Bauhaus-Geschäftsführer für Nordrhein-Westfalen, graue Haare, streng nach hinten gekämmt. 400 Teilnehmer, wieder ein Rekord für Konrad.

Eine fünfstellige Summe kostet ihn der Abend, genauer will er es nicht sagen. Der Eintritt ist kostenlos. Und Geschenke gibt es auch. Konrad will die Frauen über die Kurse für seine Produkte begeistern. "Es geht um eine neue Kundschaft", sagt er. Die Abende macht Bauhaus seit 2007, noch nie waren sie so erfolgreich wie jetzt. "Geht ja zu Hause alles von der Frau aus", sagt Konrad und lacht, er meint die Nestverschönerung.

Der Baumarkt war mal der letzte Rückzugsort des Mannes, wie der Schuppen oder der Hobbykeller, ein glücksstummer Hort. Doch das knallharte Dübel- und Bohrer-Geschäft hat ein Problem: Es fehlt der Nachwuchs. "Bau- und Heimwerkermärkte müssen sich in Bezug auf ihre Zielgruppen und ihre Sortimente neu orientieren", sagt Boris Hedde, Geschäftsführer des Instituts für Handelsforschung (IFH) in Köln. Der Umsatz schrumpft. Wie es weiter geht, weiß niemand. Praktiker und Max Bahr verschwinden gerade vom Markt.

"Frauen stehen auf Beratung"

Weibliche Kunden sind eine Chance, fast schon ein Muss. Auch deshalb ändere sich gerade viel, sagt Hedde. Die Regale werden niedriger, die Beratung besser. Die Märkte spielen Videos ins Netz, die beim Bau eines Carports helfen sollen. Es gibt jetzt simples Klick-Laminat und einen Akkuschrauber, der 300 Gramm wiegt, so viel wie eine elektrische Zahnbürste. Auf ein Sondermodell hat Bosch Glitzersteinchen gesetzt. Das musste wohl sein.

Wenn Gabi Lück vom Glitzer-Bohrer hört, wird sie laut. Pinke Werkzeugkisten, Bohrer, Hämmer "only for girls". Die Beraterin nennt das plump.

Lücks Agentur Thinknewgroup sitzt in München und ist auf Frauen-Marketing spezialisiert. Lücks Aufgabe ist es, zu wissen, was Frauen wollen und was nicht. "Männer stehen auf Leistung, Frauen auf Beratung", sagt Lück. Während der Mann die Leistung einer Kettensäge bewundert, redet die Frau mit dem Verkäufer. Zu lange habe man Frauen in Baumärkten für doof gehalten. Ein Verkäufer fragte Lück einmal: "Warum kommt Ihr Freund nicht selbst?"

22:28 Uhr. Denise schwitzt. Zwischen zwei Hochregalen schmiert sie grauen Fliesenkleber auf eine Wand. "Grundieren ist das A und O", sagt der Kursleiter, "am besten mit einer 6er Zahnspachtel." Denise legt eine Fliese an die Wand und lässt los. Die Fliese hält.

An einem Regal lehnt Regina und schreibt mit. Sie ist 49 Jahre alt, trägt Stiefel und Mantel. Seit ihr Mann ausgezogen ist, macht sie zu Hause praktisch alles selbst. Als nächstes fliest sie die Küche.

"Auf Männer braucht man gar nicht mehr hoffen", sagt Regina und schiebt ihren Notizblock in den Mantel. Die meisten hätten keine Ahnung. Und wollten es nicht mal wahrhaben. "Mein Schwiegersohn zum Beispiel", sagt Regina und seufzt. Informatiker, zwei linke Hände. "Wenn der einen Bohrer in die Hand nimmt, würde ich lieber in Deckung gehen", sagt sie, diesmal lacht sie. Frauenhumor.

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