Familientrio:Hilfe, Heimweh!

Eine Nichte kommt regelmäßig zu Besuch, doch dann bekommt sie regelmäßig solches Heimweh, dass ihre Eltern sie abholen. Onkel und Tante ärgert das. Was tun? Die drei SZ-Familienexperten antworten.

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Daniel R. aus Jena fragt:

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Quelle: Caroline Hernandez/Unsplash

Unsere Nichte (9 Jahre; Symbolfoto) besucht uns manchmal in den Ferien. Nach spätestens drei Tagen bekommt sie regelmäßig starkes Heimweh. Sie weint dann ohne Unterlass. Auch ein Telefonat mit den Eltern hilft nicht, so dass sie abgeholt wird. Wir geben uns die größte Mühe, und unternehmen viel mit ihr. Langsam aber sind wir auch sauer. Sollen wir den nächsten Besuch ausfallen lassen?

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Kirsten Fuchs

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Quelle: Stefanie Fiebrig

Das ist ja jetzt schon fast ein Ritual geworden. Schade! Vor allem schade, dass die Eltern nicht mehr zu Ihnen als wunderbare Gastgeber gestanden haben. Ich habe eine Freundin, die alleinerziehend ist und bei deren Tochter war es von Anfang an einfach manchmal nötig, dass sie woanders schläft. Das Kind wusste: Die Mutter kann mich nicht mitten in der Nacht irgendwo abholen. Der Tochter geht es gut damit, weil sie keine Verantwortung für die Situation übernehmen muss und sich nicht fragen muss, will ich hier sein. Bei den kleinen Schlafgästen bei uns, denen jederzeit der Elternjoker zusteht, habe ich das Gefühl, dass sie unentspannter sind. Sie sagen schnell mal: "Ich will nach Hause" und halten ungewohnte Situationen, anderes Essen, weichere Kissen schlechter aus. Wenn die Eltern also wirklich wollen, dass das Kind bleibt, müssen sie vorher klarstellen, dass abholen nicht geht. Wenn es nicht so dringend ist, kann das Kind das aber auch noch bei der nächsten Klassenfahrt üben. Und sie planen beim nächsten Mal vielleicht einfach nur einen Kurzbesuch?

Kirsten Fuchs ist Schriftstellerin und lebt mit Tochter, Mann und Hund in Berlin. Sie schreibt vor allem Kurzgeschichten und Romane, aber auch Theaterstücke sowie Kinder- und Jugendbücher. Ihr Buch "Mädchenmeute" erhielt 2016 den Deutschen Jugendliteraturpreis.

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Jesper Juul

Jesper Juul

Quelle: Anne Kring

Ich fände das keine logische Reaktion. Bei Familien, die ich mit einem solchen Dilemma beraten habe, hat folgendes am besten funktioniert: Wann immer das Mädchen Heimweh hat, sollten Sie ihm anbieten, die Eltern anzurufen und ihnen zu sagen, wie sehr sie sie vermisst. Wie immer, funktioniert auch hier die Wahrheit am besten, darum sollten die Eltern am besten wie folgt reagieren: "Ich vermisse Dich auch, aber ich halte durch und freu mich schon sehr, Dich bald wiederzusehen." Dann wird das Kind vermutlich antworten: "Aber ich möchte jetzt abgeholt werden!" Die Eltern sollten dann klar bleiben und sagen: "Es tut uns leid, aber das geht nicht." "Aber warum?" "Weil wir manchmal unsere eigenen Bedürfnisse an erste Stelle stellen müssen." "Aber das ist unfair!" "Das stimmt, aber so ist das Leben manchmal."

Jesper Juul ist Vater, zweifacher Großvater und Familientherapeut in Dänemark. Er hat zahlreiche Erziehungsratgeber geschrieben, darunter den in 14 Sprachen übersetzten Bestseller "Dein kompetentes Kind".

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Collien Ulmen-Fernandes

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Quelle: Anatol Kotte

Das klingt dramatisch. Zunächst mal, finde ich, dass Heimweh kein Grund ist, sauer zu sein. Vielleicht hat Ihre Nichte in ihrem Herzen eine kleine Drei-Tage-Uhr, die ihr befiehlt, nach Ablauf der Zeit wieder in ihrer Heimat zu sein. Vielleicht fühlt sie sich ihren Kuscheltieren, zum Spielen verpflichtet. Vielleicht reicht ihr die Atmosphäre und der Geruch ihrer Wohnung, um genau zwei Tage zu überleben. Vielleicht mag sie die vielen Ausflüge nicht, sondern ist lieber zu hause, in ihrem eigenen Einflussgebiet. Vielleicht fehlt ihr die Stimme ihrer Eltern, das Gefühl, im eigenen Bett aufzuwachen, oder das eigene WC. Vielleicht ist die Ursache ein ganz anderer, tief in ihr verborgener Grund, von dem Sie und ich und vielleicht sogar ihre Nichte selbst gar keine Ahnung haben. Aber wenn Sie immer wieder nach drei Tagen ganz entschieden zurück will, dann lassen Sie sie nach drei Tagen zurück gehen! Vielleicht sollten Sie es direkt von Anfang an so einplanen.

Collien Ulmen-Fernandes ist Schauspielerin und Moderatorin. Die Mutter einer Tochter hat mehrfach Texte zum Thema Elternsein veröffentlicht, 2014 erschien von ihr das Buch "Ich bin dann mal Mama".

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Quelle: SZ

Weitere Leserfragen und Expertenantworten sowie andere Artikel rund um Kinder, Familie und das Elternsein finden Sie auf unserer Übersichtsseite.

© SZ vom 27.04.2019/pvn
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