Geschichte:Das Geheimnis um König Kamehameas Grab auf Hawaii

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Nach seinen erfolgreichen Feldzügen rief Kamehameha I. im Jahr 1795 das Königreich Hawaii aus. (Foto: wikimedia commons/James Gay Sawkins)

Kurz nach seinem Tod wurden die Gebeine des hawaiianischen Königs Kamehameha I. versteckt.

Von Niccolò Schmitter

Es scheint ein fast schon ureigenes Merkmal des Menschen zu sein: Den eigenen Angehörigen widmet er eine Ruhestätte, die so prominent und pompös sein soll, wie es der eigene Status zulässt. Ein Denkmal an das Leben des oder der Verstorbenen. Man denke nur an die Pyramiden der alten Ägypter, die nabatäischen Felsnekropole in Petra oder auch die Grabtürme von Sillustani im heutigen Peru. Quer durch die Kulturen werden die Verstorbenen aufwendig bestattet.

Doch bei den polynesischen Ureinwohnern der hawaiianischen Inseln ist das anders. Der bekannteste aller Hawaiianer ist Kamehameha der Große, erster Regent des Königreichs Hawaii. Er ist eine von Mythen umrankte Persönlichkeit, war schon zu Lebzeiten eine Legende. In den meisten Kulturen läge ein Mensch von einer solchen Prominenz in einem stattlichen Mausoleum, einer Pilger- und Huldigungsstätte zugleich. Nicht jedoch auf Hawaii, dort weiß niemand, wo Kamehameha begraben wurde. Das entspricht der hawaiianischen Tradition.

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Mythen begleiteten den zukünftigen König zeit seines Lebens. Irgendwann zwischen 1753 und 1760 geboren, schwebte Kamehameha offenbar kurz nach seiner Geburt bereits in Lebensgefahr. Alapa'inui, sein Großonkel und damaliger Häuptling der Insel Hawaii, spürte angeblich, dass ihm der Säugling einmal gefährlich werden sollte, und plante ein Attentat. Kamehamehas Mutter versteckte das Kind schließlich für fünf Jahre, bis es keinen Anschlag mehr auf sein Leben zu befürchten hatte.

Als nun akzeptierter Teil der lokalen Nobilität durchlief der Junge eine Ausbildung zum Krieger und entdeckte seine Berufung zum Anführer. Mit nur 14 Jahren gelang es ihm angeblich, den aus vulkanischem Stein bestehenden Naha-Felsen mit bloßen Händen umzukippen. Der Legende nach sollte der Mann, dem dies gelänge, die Kraft erhalten, alle hawaiianischen Inseln unter seiner Führung zu vereinen. Eine Prophezeiung, an deren Verwirklichung Kamehameha unermüdlich arbeitete.

Nach und nach eroberte er alle Inseln Hawaiis

Ein 1782 durch Erbfolgestreitigkeiten ausgelöster Bürgerkrieg hievte ihn an die Spitze einer der rivalisierenden Fraktionen. Nach neun Jahren blutigen Konflikts durfte er sich unangefochtener Herrscher über die Insel Hawaii nennen. Schon bald richtete er seinen Blick auf die anderen sieben Inseln, von denen fünf unter der Kontrolle des Häuptlings Kahekili standen. Die Anhänger der Prophezeiung werden sich bestätigt gesehen haben, als Kahekili starb, und sein Herrschaftsgebiet in einem Bürgerkrieg versank. Mit einem starken Heer setzte Kamehameha über und verleibte sich die geschwächten Inseln schrittweise in sein neues Reich ein. Nach einem erfolgreichen Feldzug rief er 1795 das Königreich Hawaii aus.

Als Kamehameha I. bewies er in Staatsangelegenheiten ein ähnliches Geschick wie bei militärischen Feldzügen. Er animierte seine Untertanen zum Wiederaufbau des Landes und trieb höchstpersönlich die Entwicklung einer diversifizierten Land- und Viehwirtschaft an - bei der Feldarbeit packte der König selbst mit an. Dazu intensivierte er die Handelsbeziehungen mit den Kolonialmächten und China und nutzte dabei geschickt Hawaiis geografische Transitlage im Pazifik.

Der Aufbau einer Wirtschaft nach westlichem Vorbild stellte zwar den Modernisierungsdrang des Königs zur Schau, im Herzen blieb er jedoch ein Traditionalist. Kamehameha setzte das schon zu seiner Zeit veraltete Kapu-System durch, einen rechtlichen Verhaltenskodex, der das Leben der Hawaiianer bis ins Detail vorschrieb. Dieses angeblich von den Göttern geschaffene System sollte das Mana der Bevölkerung bewahren: spirituelle Macht, die nach der polynesischen Glaubensvorstellung die gesamte Welt durchzog.

Als Kamehameha I. 1819 starb, wurde sein Leichnam nach der Tradition des Hunakele, also einzeln und an einem geheimen Ort, bestattet. Je größer die Bedeutung eines Menschen zu Lebzeiten war, desto mehr Mana sollte sich in seinen sterblichen Überresten ansammeln, so die Vorstellung. Ein Mana, das es zu schützen galt, insbesondere bei einer unvergleichlich einflussreichen Persönlichkeit wie Kamehameha.

Ende des 19. Jahrhunderts startete eine große Suche nach den Knochen des Königs

Eine Entweihung der Knochen musste um jeden Preis vermieden werden. Der Erzählung nach sind in einer düsteren, mondlosen Nacht Kamehamehas engste Vertraute Ho'olulu und Hoapili mit einem Kanu aufs Meer hinausgefahren, um bei Ebbe in eine sonst unzugängliche Höhle an der Küste zu gelangen, wo sie die Gebeine ihres Königs verwahrten. Beide schwiegen über die letzte Ruhestätte des hawaiianischen Gründervaters. Kamehameha III., Sohn des Königs und dessen zweiter Nachfolger, überzeugte Ho'olulu aber angeblich, ihm das Grab zu zeigen. Auf halbem Weg brachen sie ihre Mission jedoch ab, denn Ho'olulu hatte angeblich gesehen, wie sie verfolgt wurden. Ob er gelogen hatte, um die Ruhestätte nicht zu entweihen oder Kamehameha III. die Geschichte erfunden hatte, bleibt bis heute Spekulation.

Auch der letzte König Hawaiis, Kalakaua, war am Ort des Grabes hochinteressiert. Er lancierte Ende des 19. Jahrhunderts eine Mission, die tatsächlich Knochen aus einer Höhle barg, doch es wurde schon damals stark angezweifelt, ob es wirklich die Überreste Kamehamehas waren - es konnte bis heute nicht bewiesen werden. Eine andere Legende besagt, seine Knochen seien in der Höhle der Kihawahine, einer weiblichen Gottheit, halb Frau, halb Drache, in Sicherheit. Andere meinen, sie seien auf der Insel Maui in der tiefen Schlucht des Iao-Tals vergraben worden. Während viele unterschiedliche Geschichten noch heute auf den Inseln kursieren, schiebt ein gängiges Sprichwort der Legendenbildung einen Riegel vor: "Nur die Sterne des Himmels kennen die Ruhestätte von Kamehameha."

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