Haute Couture Paris:Totgesagte leben ewig

Die Haute Couture ist tot, es lebe die Haute Couture: Bei den Schauen in Paris haben die Designer die Mode gefeiert, als habe es kein Gestern gegeben. Was bleibt ihnen auch anderes übrig.

Ulrike Bretz

Es gibt zwei Arten, mit einer Krise umzugehen. Man kann sich von ihr in die Knie zwingen lassen. Oder man bietet ihr die Stirn. Die Haute Couture tut Letzteres. Sie ist es gewohnt. Das immer wieder ertönende Läuten der Totenglocken gehört ebenso zur hohen französischen Schneiderkunst wie Rüschen und Volants, Federn und Schleifen.

Haute Couture Paris: Die Totenglocken für die Haute Couture haben schon so oft geläutet - doch sie ist einfach nicht totzukriegen. Auch wenn die Models (im Bild Givenchy) manchmal so aussehen.Im Bild:

Die Totenglocken für die Haute Couture haben schon so oft geläutet - doch sie ist einfach nicht totzukriegen. Auch wenn die Models (im Bild Givenchy) manchmal so aussehen.

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(Foto: Foto: AFP)

Das Hochamt der Mode, das zweimal jährlich in Paris begangen wird, wurde regelmäßig totgesagt, seit in den sechziger Jahren die Prêt-à-porter-Mode Einzug hielt. Doch auf das Sprichwort, das besagt, dass Totgesagte länger leben, ist Verlass. Die Haute Couture wird auch diese Krise überleben, das hat sie in den vergangenen Tagen gezeigt.

Vergangenes Jahr, nach Börsenturbulenzen und Konjunkturtalfahrt, hat die Erde unter den Champs-Élysées kräftig gebebt. Doch die Designer der großen, auserwählten Häuser, allen voran Galliano für Dior, haben es wie ein Kind gemacht, das pfeifend durch den dunklen Wald läuft, um sich selbst die Angst zu vertreiben. Sie ließen ihre Models in überdimensionaler Opulenz und mit hoch erhobenen Köpfen auf Laufstegen das finstere Tal durchschreiten. Einige der sonst Millionen Euro teuren Schauen fielen kleiner aus als sonst, andere wurden ganz abgesagt, Lacroix musste sogar Insolvenz anmelden - doch das Feiern, das ließ sich die Branche trotzdem nicht verbieten.

Sie zelebrierten sich, als gäbe es kein Morgen - und als hätte es kein Gestern und damit keine Krise gegeben. Riccardo Tisci setzte für Givenchy zwar auf Reduktion und Lagerfeld für Chanel stellte seine Schau unter das Motto "Unbeschriebenes Blatt" - doch das war nicht mehr als ein Symbol der Bescheidenheit. Eine Alibi-Bescheidenheit, die wohl verbergen sollte, dass es im Inneren der Haute Couture weitergeht.

Denn auch wenn es in den fetten Jahren den Anschein hatte, dass sich Gott und die Welt die Designer-Roben im Wert von mehreren zehntausend Euro leisten kann, war es doch immer nur ein erlesenes Grüppchen weniger hundert namenloser Millionärsgattinnen weltweit, das sich die Kleider kunstvoll auf den Leib schneidern und ihr Geld in den Ateliers liegen ließ. Die anderen sonnten sich nur im Glanz der Schauen. Dass die Finanzkrise die große Blase zum Platzen brachte, kann die Designer nicht ernsthaft schockieren - trotz Entlassungen und Pleiten.

Wie ein starker Regen hat die Krise die Modewelt reingewaschen und all die Menschen, die sich durch billige Einstiegspreise ködern ließen, mit sich gerissen. Lagerfeld gab es zu: "Luxus bekommt neue Bedeutung, nicht mehr zum Angeben, sondern für Eingeweihte." Und das sind eben nur sehr wenige, auch wenn so viele so gerne dazugehören würden.

Finanziell gesehen waren die protzigen Schauen ohnehin eher ein Verlustgeschäft. Für das Image der hohen Schneiderkunst aber waren und sind sie besser als jede Werbung. Die Defilees sind das pochende Herz der Branche. Was dort gezeigt wird, pumpt die kunstvollen Ideen der allerbesten Couturiers in die Modewelt; die Entwürfe, Stoffe und Farben inspirieren die Massen auf der Straße, geben den Ton vor für die Mode, die die Durchschnittsbevölkerung noch Jahre später von der Stange der Billighersteller kaufen wird.

Augen zu und durch - so hielt es die Haute Couture auch in diesem Jahr. Lagerfeld rief den Neon-Barock aus - in Gestalt von Models mit hochgetufften Haaren in Puppenkleidchen. Armani veranstaltete eine Reise zum Mond, was kümmern ihn die Probleme auf der Erde. Galliano krönte die Ignoranz im rosengeschmückten Salon mit Verweisen auf die Mode, von der sich Dior einst inspirieren ließ: Elegante Reiterkostüme, Schößchenjäckchen, Schleifen, Peitsche und Zylinder. Ja, damals zur Jahrhundertwende, da war noch alles gut.

Seht her, sagen diese Schauen, Luxus ist eben doch noch erlaubt. Wenn man sich etwas lange genug einredet, glaubt man es irgendwann. Vor allem aber glaubt es das Publikum. Dass in den vorigen Jahren mit Alexis Mabille und Stéphane Rolland sogar noch Newcomer die strengen Kriterien zur Aufnahme in die erlesene Reihe der Haute-Couture-Häuser geschafft haben, zeigt doch, dass es eine Zukunft geben muss. Und dass die Branche an diese Zukunft glaubt. Die Schauen sind der Motor, der diesen Glauben am Laufen hält.

Haute Couture verpflichtet. Es ist Aufgabe der Designer, die Fahne hochzuhalten und selbst daran zu glauben. Weiterzumachen, bis wieder bessere Zeiten kommen. Auch wenn es nicht mehr für die Scheine, sondern nur noch für den Schein ist. Und damit, Träume zu verkaufen, kennen sich die Modeschöpfer ja bestens aus.

Im Video: Bei den Pariser Haute-Couture-Schauen von Valentino und Elie Saab ging es romantisch und träumerisch zu.

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