Kolumne: Vor Gericht:Muggelwissenschaft

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Harry Potter (Daniel Radcliffe) in „Harry Potter und die Kammer des Schreckens“ 2002. (Foto: DPA-SZ)

Eine Juristin schreibt ihre Doktorarbeit über „Harry Potter“. Gute Idee, findet unser Kolumnist – denn aus den magischen Büchern lässt sich viel über die irdische Rechtsprechung lernen.

Von Ronen Steinke

Im fünften Band der „Harry Potter“-Buchreihe kommt Harry einmal vor Gericht. Er wird angeklagt, weil er außerhalb der Zauberschule gezaubert haben soll. Und zwar auch noch vor Zeugen, die selbst keine magischen Kräfte besitzen, sogenannten Muggeln. Der Gerichtssaal ist dunkel, der Ankläger trägt einen purpurfarbenen Mantel. Er ist der machtgierige Zaubereiminister, ein Mann mit dem fabelhaften Namen Cornelius Fudge. Er schlägt vor, Harry zur Strafe von der Schule zu werfen. Und der kleine Prozess, den er dazu nun inszeniert, ist so sehr gespickt mit schmierigen Verfahrenstricks, dass es fast schon wieder eine Freude ist, dabei zuzusehen.

Es beginnt damit, dass der Ankläger den Beginn des Prozesses spontan um eine Stunde nach vorn verlegt hat. Nur leider, ohne Harry Potters Verteidiger Bescheid zu geben. Als der Verteidiger, Albus Dumbledore, magischerweise dennoch pünktlich zur Stelle ist, stutzt der Ankläger. Der Verteidiger kritisiert dann unter anderem, das Gericht habe „nicht das Recht, Zauberstäbe zu beschlagnahmen, ehe die Vorwürfe eindeutig bewiesen wurden“. Darauf kontert der Ankläger: „Gesetze lassen sich ändern.“

Eine kunstvolle Karikatur kann die Wahrheit manchmal besser entblößen als ein sachlicher Leitartikel. In diesem Buch, „Harry Potter und der Orden des Phönix“, geht es um verschiedene Formen von Autorität – legitime und illegitime. In der Potter-Welt ist es so: Zaubern tun hier alle. Die Bösen, das sind diejenigen, die tricksen. Diese Erklärung für den großen Stellenwert von Recht in diesen Büchern habe ich kürzlich in der Doktorarbeit „Harry Potter und die Gesetze der Macht“ der Juristin Jannina Schäfer gelesen. Die Arbeit zog kürzlich ziemlich viel Häme von Juristen auf sich, die fanden, so eine Harry-Potter-Betrachtung sei doch keine richtige Wissenschaft.

Das ist lustig, weil es kaum einen Titel einer juristischen Doktorarbeit geben dürfte, der nicht besser würde, wenn man ihm ein „Harry Potter und …“ voran setzte. „Harry Potter und das Recht des Kindes auf Kenntnis der eigenen Abstammung“. „Harry Potter und die Praxis der informellen Verfahren beim Bundeskartellamt“. „Harry Potter und die Entwicklung der Kommunalgesetzgebung im rechtsrheinischen Bayern zwischen 1802 und 1818“. Es gibt wahrscheinlich auch kein wissenschaftliches Nachdenken, das nicht dadurch besser würde, dass man gelegentlich auch mal einen Roman liest. Ob mit Muggeln darin oder ohne.

Die besondere Art der Auseinandersetzung mit Recht und – auch staatlichem – Unrecht in den Potter-Büchern dürfte immerhin auf das politische Bewusstsein einer ganzen Generation abgefärbt haben. In Jannina Schäfers 549 Seiten starker Arbeit zitiert sie einen schönen Satz eines texanischen Professors, Mark Burge: „Law has long been compared to magic.“ Das Recht sei ja auch so eine Art von Magie.

An dieser Stelle schreiben Verena Mayer und Ronen Steinke im wöchentlichen Wechsel über ihre Erlebnisse an deutschen Gerichten. (Foto: Bernd Schifferdecker (Illustration))
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