Sollten Sie demnächst nach Dresden fahren, habe ich einen Tipp: Gehen Sie ins Grüne Gewölbe. Dort sind seit Kurzem ein paar Schmuckstücke zu sehen. Eine diamantenbesetzte Haarspange in Form einer Sonne etwa oder der Bruststern des polnischen Weißen Adler-Ordens. Inmitten all der Schätze im Juwelenzimmer fallen die Diamantgarnituren zwar nicht weiter auf, und sie sind auch nicht besonders schön. Manche Teile sind zerbrochen, Diamanten fehlen. Und doch sind sie etwas ganz Besonderes.
Die Juwelen galten nämlich als verschollen, seit Ende 2019 mehrere junge Männer ins Grüne Gewölbe eingestiegen waren, mit einer Axt eine Vitrine zerschlagen und alles mitgenommen hatten, was sie bekommen konnten. Das wäre spektakulär genug, doch dann kam noch heraus, dass einer der Diebe bereits einen anderen Millionencoup begangen hatte. 2017 war er ins Berliner Bode-Museum eingebrochen und hatte eine 100 Kilogramm schwere Goldmünze geklaut.
Ich erzähle das, um Ihnen einen Vorsprung vor den Massen zu geben. Denn die Geschichte von Kunstdiebstählen hat gezeigt, dass Kunst nicht nur für Diebe interessant ist, sondern ein Diebstahl auch Kunst erst interessant machen kann. So wäre die Mona Lisa wohl ein Gemälde von vielen im Pariser Louvre, wenn sie nicht ein Handwerker 1911 von der Wand genommen und bei sich zu Hause versteckt hätte. Der Verlust berührte damals so viele Menschen, dass sie in den Louvre strömten und Blumen an der Leerstelle im Museum ablegten. Als der Diebstahl einige Jahre später aufgeklärt und die Mona Lisa zurück an ihren Platz gebracht wurde, war das der Beginn des Hypes, wie wir ihn heute kennen.
Ähnliches sage ich für die Dresdner Juwelen voraus. Zumal ihre Geschichte um einiges spektakulärer ist als die der Mona Lisa. Sie verschwanden nämlich just zu der Zeit spurlos, als in Berlin der Prozess um den Diebstahl der Goldmünze aus dem Bode-Museum lief. Die Justiz ließ den Angeklagten damals auf freiem Fuß – was er dazu nutzte, gleich den nächsten Coup zu planen und durchzuführen. Er habe sich „als Meisterdieb gefühlt“ und sei in eine Art Größenwahn verfallen, hat er später zu Protokoll gegeben.
Die Karriere des selbsternannten Meisterdiebs endete im Hochsicherheitssaal des Dresdner Landgerichts, wo ihm und seinen Komplizen der Prozess gemacht wurde. Dieser nahm eine Wendung, mit der niemand mehr gerechnet hatte: Die Diebe gaben die Schmuckstücke zurück. Nun ist es zwar nicht unüblich, dass Angeklagte Schadenswiedergutmachung leisten, um ihre Chancen zu verbessern. Aber dass dabei Millionenwerte über den Tisch gehen, habe ich vor Gericht noch nie erlebt. All diese Geschichten, die für mehrere Netflix-Serien reichen würden, sind jedenfalls für immer mit den Steinen verknüpft. Das Grüne Gewölbe hat schon mal die Öffnungszeiten verlängert.
