Grüne Woche:"Fleisch ist Luxus"

Bioland-Präsident Thomas Dosch fordert von der Politik ein radikales Umdenken in der Agrarförderung und von den Verbrauchern die Rückkehr zum Sonntagsbraten.

Anna Kessler

sueddeutsche.de: Herr Dosch, nur fünf Prozent der Landwirte betreiben ökologischen Anbau. Warum redet Frau Aigner überhaupt mit Ihnen?

Grüne Woche, 2010

Kuh auf der Grünen Woche - Bioland-Präsident Dosch erinnert an den Wert von Fleisch.

(Foto: Foto: oh)

Thomas Dosch: Das liegt daran, dass es Menschen gibt, die sagen: "Es kann doch nicht richtig sein, was in unserem heutigen System der Lebensmittelproduktion passiert." Sie wollen, dass sich politisch etwas ändert und sind auch bereit, mehr Geld für Bioprodukte zu bezahlen. Fünf Prozent Biobauern werden so von weit mehr als fünf Prozent der Bevölkerung unterstützt. Daran kommt die Politik nicht vorbei. Und vielleicht hat ja auch Frau Aigner erkannt, dass Biolandbau Lösungen für den Klimaschutz, den Erhalt der Artenvielfalt und saubere Gewässer bietet.

sueddeutsche.de: Warum werden es nicht mehr Betriebe, die ökologisch wirtschaften?

Dosch: Der Markt honoriert über Lebensmittelpreise nicht den Bauern, der für die Gesellschaft etwas Besonderes leistet, sondern denjenigen, der am billigsten produziert. Das ist Marktversagen. Es müsste derjenige gefördert werden, der bodenfreundlich arbeitet, Grund- und Trinkwasser sauber hält, keine Pestizide spritzt und so volkswirtschaftlich Kosteneinsparungen ermöglicht.

sueddeutsche.de: In Deutschland hat die Landwirtschaft 16 Prozent Anteil an den klimaschädlichen Emissionen. Welchen Systemfehler sehen Sie in der konventionellen Landwirtschaft?

Dosch: Sie verbraucht zu viel Energie. Stickstoffdünger ist nur mit fossiler Energie, also Rohöl, herzustellen. Und das wird irgendwann so teuer sein, dass die Produktion nicht mehr bezahlbar ist. Deshalb brauchen wir eine Landwirtschaft, die die Energie aus der Sonne zieht.

sueddeutsche.de: Und das ist das Modell Biolandbau?

Dosch: Ja. Unser Ziel ist, im Kreislauf zu wirtschaften. Ausgehend vom Boden, den Pflanzen, den Tieren zum Lebensmittel. Das Ganze so, dass der Boden keinen Schaden nimmt und mit natürlicher Fruchtbarkeit gute Erträge ermöglicht.

sueddeutsche.de: Ist die konventionelle Landwirtschaft ein Modell von gestern?

Dosch: Es geht jetzt darum zu klären, in welche Richtung sich die Landwirtschaft im Sinne gesellschaftlicher Interessen insgesamt bewegen soll. Dabei geht es um Produktionsmethoden und nicht um die Frage, wer der bessere Mensch ist: "der Biobauer" oder "der Nicht-Biobauer". Der erfolgreich konventionell wirtschaftende Bauer von heute soll der erfolgreiche Biobauer von morgen sein. Wir müssen etwas für den Klimaschutz tun, die Artenvielfalt erhalten und wir müssen sehen, dass Menschen etwas zu essen haben. Das geht durchaus zusammen.

sueddeutsche.de: Eine Milliarde Menschen hungern. Wie können wir die ernähren? Die Industrie propagiert mehr Produktion.

Dosch: Es geht nicht um die Frage, wie wir "die Welt" ernähren. Es geht darum, hungernden Menschen ihr Recht auf Nahrung zuzugestehen. Mehr als die Hälfte dieser notleidenden Menschen sind Kleinbauern. Der im vergangenen Jahr vorgestellte Weltagrarbericht betont aus gutem Grund, dass die Lösung nicht in der Intensivierung der Landwirtschaft, sondern in der Unterstützung einer bäuerlichen Landwirtschaft und dem Aufbau von Infrastruktur liegt.

Lobbyismus spielt eine Rolle

sueddeutsche.de: Die Politik bietet auch keine Lösung?

Thomas Dosch, Bioland

Thomas Dosch, Bioland-.Präsident

(Foto: Foto: Bioland)

Dosch: Der Politik fällt es schwer, unvoreingenommen über Lösungen nachzudenken. Das kann ich nachvollziehen. Lobbyismus spielt eine Rolle, wer setzt sich wofür ein.

sueddeutsche.de: Und für wen setzt sich Frau Aigner ein?

Dosch: Gute Frage. Wenn ich sie richtig verstehe, versucht sie es allen recht zu machen. Dabei bemüht sie sich sehr um Anerkennung beim Deutschen Bauernverband. Wenn sie das macht, dann hat sie zwar für sich die Situation verbessert. Aber wenn ich die Gesamtproblematik betrachte, bezweifle ich, dass das automatisch den Weg in die richtige Richtung verspricht.

sueddeutsche.de: Was wäre denn der richtige Weg?

Dosch: Konsequenter Biolandbau. Leider eine verkannte Option, die bisher niemand ernst nimmt. Wenn wir uns anschauen, was diese Produktionsmethode bietet, dann kann ich mich nur wundern, wie diese alleine der Marktnachfrage nach Bioprodukten überlassen bleibt. Und nicht durch Forschung und Förderung aktiver vorangebracht wird.

sueddeutsche.de: Was ist der Unterschied zum konventionellen Anbau?

Dosch: Beispielsweise eine weitere Fruchtfolge. Ich baue auf dem Acker nicht nur wenige Sorten Pflanzen im Wechsel an, sondern sieben, acht oder zwölf. Das heißt: Nur alle sieben Jahre kommt die gleiche Pflanzenart zurück auf einen bestimmten Standort. So hält sich zum Beispiel der Schädlingsbefall in Grenzen. Einfach ausgedrückt: Wenn immer das Gleiche wächst, freut sich immer der gleiche Käfer. Im konventionellen Anbau werden Schädlinge mit Chemie in Schach gehalten. Im Biolandbau verwenden wir diese Mittel nicht und müssen besonders sorgsam wirtschaften.

sueddeutsche.de: Was sind Ihrer Meinung nach die größten Fehler der konventionellen Landwirtschaft, wenn es um Klimaschutz geht?

Dosch: Gravierende Missstände sehe ich bei der intensiven Fleischproduktion mit Importfuttermittel. Ein Teil des Fleisches, hier produziert, wird dann wieder in Drittländer exportiert. Ein gutes Geschäft, aber schlecht für das Klima. Außerdem essen wir mehr Fleisch, als aus gesundheitlichen Gründen gut wäre. Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung empfiehlt, 50 Prozent weniger Fleisch zu essen. Fleisch ist ein Luxus, der auch mit Raubbau verbunden sein kann. Daher plädiere ich auch für ein "Zurück zum Sonntagsbraten".

sueddeutsche.de: Wo wird Raubbau betrieben?

Dosch: Wie schon gesagt: Ein großer Teil der Futtermittel für unsere Mastschweine wird in Drittländern, vor allem in Südamerika, angebaut. Alleine Soja wird auf 2,6 Millionen Hektar in Drittländern als Tierfutter für Deutschland angebaut. Brasilianische Großgrundbesitzer machen ein gutes Geschäft damit. Die ländliche Bevölkerung hat deswegen keine Anbauflächen mehr für Lebensmittel. Also roden sie den Regenwald, um Acker zu finden. Da läuft etwas falsch.

Afrikanische Geflügelbauern gehen pleite

sueddeutsche.de: Also müssten wir auch weniger Fleisch produzieren?

Dosch: Definitiv. Wir produzieren ja mehr, als wir konsumieren. Die Deutschen essen beispielsweise gerne Hühnerbeine und Hühnerbrust. Der Rest wird gefroren und direkt oder indirekt über andere Länder nach Afrika verkauft. Der dortige Geflügelbauer geht pleite, weil er nicht konkurrieren kann mit dem gefrorenen Resthuhn. Das ist nur möglich, weil Auswüchse der Agrarförderung so etwas unterstützen. Wer die jetzige Agrarförderung aufrechterhalten will, kann unmöglich gleichzeitig sagen, er würde sich Sorgen machen um die Menschen, die nichts zu essen haben.

sueddeutsche.de: Was fordern Sie von Frau Aigner?

Dosch: Eine Aufklärungskampagne hinsichtlich eines gesunden Fleischkonsums. Außerdem muss die Regierung darüber aufklären, weniger Lebensmittel wegzuschmeißen. Zwischen 20 und 40 Prozent der Lebensmittel landen im Müll und nicht auf unseren Tellern.

sueddeutsche.de: Im Biolandbau fällt die Ernte geringer aus als im konventionellen Anbau. Können wir uns 100 Prozent Bio überhaupt leisten?

Dosch: Selbstverständlich, es müssen nur andere Maßnahmen ergriffen werden. Dass im Biolandbau heute durchschnittlich weniger geerntet wird, hat auch damit zu tun, dass in den vergangenen Jahrzehnten so gut wie keine Forschungsmittel aufgewendet wurden, um diese Methode gemäß ihren Potentialen zu entwickeln. In Afrika oder Asien zeigen aber fast 300 wissenschaftliche Versuche und Studien, dass der Biolandbau hier sogar höhere Erträge ermöglicht, als eine industrielle Landwirtschaft mit teurem Input wie Hochleistungssaatgut, Dünger und Pflanzenschutzmitteln, den sich die Menschen nicht leisten können.

sueddeutsche.de: Bleibt immer noch der Preisunterschied zwischen Bio und konventionellen Produkten.

Dosch: Solange die durch konventionelle Produktionsmethoden verursachten Umweltkosten nicht in die Lebensmittel internalisiert sind, ist Bio immer teurer. Aber auch Umweltkosten müssen bezahlt werden. Wenn nicht über den Lebensmittelpreis, so doch über Steuergelder oder höhere Kosten der Trinkwasseraufbereitung. Außerdem erschreckt mich, wie viele Lebensmittel im Müll landen. Teuer ist schließlich, zwei konventionelle Packungen Quark zu kaufen und eine davon wegzuschmeißen.

sueddeutsche.de: Ist es sinnvoll, Biobananen aus Neuseeland zu kaufen?

Dosch: Klar kann man sagen: Muss das sein? Aber ich bin nicht gegen internationalen Handel und predige schon gar keinen Konsumpatriotismus. Wer lieber eine Banane isst, als einen Apfel oder einen Weißkohl, der soll das machen. Es ist seine Entscheidung. Aber wenn Banane, dann Bio. Die hat Vorteile für den Menschen vor Ort. Da ist der lange Transport noch das geringste Übel.

sueddeutsche.de: Also gilt: Hauptsache Bio?

Dosch: Auch Bio-Bananen sind auf jeden Fall besser als konventionelle Bananen, die mit dem Flieger gespritzt werden, und bei denen die Arbeiter im Einflugbereich dieser Spritzbomber leben und krank werden von Pestiziden - oder weil die Bananen noch einmal eine Pestizid-Dusche bekommen, bevor sie verpackt werden. Das sind Bedingungen, die dieses Obst auf unseren Märkten billig und zum Massenprodukt machen. Dass die Banane aus fairem Anbau das Bioprodukt Nummer eins in Deutschland ist, zeigt, dass viele Menschen das verstanden haben. Grund genug, Optimist zu bleiben.

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