Grüne fordern vegetarischen Kantinen-Tag:Nicht Fisch, nicht Fleisch

Auftaktaktion zur 3. Veggie Parade

Protest gegen den Verzehr tierischer Produkte auf der Berliner Veggie-Parade 

(Foto: dpa)

Wozu die Aufregung? Die Grünen wollen in deutschen Betriebskantinen einen vegetarischen Tag pro Woche zur Regel machen. Doch das gibt es bereits vielerorten - völlig freiwillig.

Von Christina Berndt und Marten Rolff

Wird der deutsche Arbeitnehmer nach der Bundestagswahl dazu gezwungen, mindestens einmal pro Woche Brokkoliauflauf und Karottensalat zu essen? So zumindest wollten es einige verstehen, als die Bundestagsfraktion der Grünen am Montag ankündigte, in deutschen Betriebskantinen künftig einen fleischlosen Tag einführen zu wollen.

"Man muss nicht jeden Tag zwei Burger essen", sagte Spitzenkandidatin Katrin Göring-Eckardt und versuchte damit den durchschnittlichen Fleischkonsum der Bundesbürger von jährlich 60 Kilogramm pro Person allgemein verständlich darzustellen. Kein Problem, 60 Prozent der Deutschen seien zu weniger Fleischkonsum bereit, verkündete Fraktionsvorsitzende Renate Künast. Das erregte Widerspruch.

"Grüne wollen uns das Fleisch verbieten", schrieb die Bild-Zeitung, der Künast am Sonntag ein erstes Interview zum Thema "Veggie Day" gegeben hatte - und schob sogleich ein paar krachige Zitate von Rainer Brüderle nach: "Was kommt als nächstes? Jute-Day, Bike-Day, Green-Shirt-Day?", fragte der Spitzenkandidat der FDP. Auch Bundesernährungsministerin Ilse Aigner wandte sich postwendend gegen den Vorstoß der Grünen: "Wir halten generell wenig von Bevormundungen. Am Ende brauchen wir eine ausgewogene Ernährung. Da gehört Fleisch dazu", sagte ein Ministeriumssprecher.

Zehnmal mehr Vegetarier als vor 20 Jahren

Ungeachtet der programmierten Kritik tragen sich die Grünen schon länger mit den Fleischlos-Plänen. Bereits im Ende April beschlossenen Programm für die Bundestagswahl heißt es: Da der hohe Fleischkonsum Massentierhaltung erzwinge, sollten "öffentliche Kantinen Vorreiterfunktionen übernehmen". Ein Veggie Day solle "zum Standard werden."

Ein solcher Beschluss passt augenscheinlich gut in die Zeit. Wer heute über Essen spricht, redet auch über Nachhaltigkeit; und der Anteil der Vegetarier in Deutschland hat sich in den vergangenen 20 Jahren verzehnfacht; sieben Millionen Menschen sind es dem Vegetarierbund Deutschland (Vebu) zufolge heute, etwa 800.000 leben sogar vegan.

Der Vorschlag, dass öffentliche Kantinen dieser Entwicklung Rechnung tragen, wurde bereits von diversen Verbänden und Umweltschützern wie Ex-Beatle Paul McCartney ("fleischfreier Montag") unterstützt und auch vielerorts schon lange - und mit weniger Tamtam - umgesetzt.

So führte die belgische Stadt Gent bereits 2009 einen Veggie Day ein. Alle städtischen Kantinen beteiligen sich daran, viele Schulen und auch manche Firmenkantine. Infoveranstaltungen und Informationsmaterial begleiten die Aktion bis heute, die der Stadt den Ruf als "Hauptstadt der Vegetarier" eingebracht hat.

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