Glücksatlas 2014:Zufriedene, selbstzufriedene Deutsche

Pflege in Deutschland

Wie glücklich sind die Deutschen? Der neue Glücksatlas der Deutschen Post konzentriert sich diesmal auf die Lebenszufriedenheit von Menschen mit Behinderungen.

(Foto: Christoph Schmidt/dpa)
  • In Schleswig-Holstein leben die zufriedensten Menschen in Deutschland. Das geht aus dem Glücksatlas hervor, den die Deutsche Post vorgestellt hat.
  • In süddeutschen Regionen sind die Menschen glücklicher als bei der vergangenen Umfrage.
  • Die Zufriedenheit mit Einkommen, Arbeit und Familienleben hat im vergangenen Jahrzehnt zugenommen.
  • Der Schwerpunkt der Befragung bezieht sich in diesem Jahr auf das Lebensgefühl von Menschen mit Behinderung. Sie wünschen sich mehr Wertschätzung und Unterstützung.

Glückliche Bürger in Deutschland

Deutschland ist das Land der Glückseligen, seine Bewohner sind mit sich im Reinen. Diesen Eindruck vermittelt jedenfalls der "Glücksatlas 2014", der von der Deutschen Post in Berlin vorgestellt wurde. Demnach liegt das Glücksniveau der Bundesbürger seit Jahren auf einem stabilen Wert von 7,0 - bei einer Skala zwischen 4,5 und 8,5. Das Fazit: Die Deutschen sind noch nie über einen so langen Zeitraum so glücklich gewesen wie heute.

Wachsende Unterschiede zwischen alten und neuen Bundesländern

Am glücklichsten sind der Erhebung zufolge die Menschen in Schleswig-Holstein, gefolgt von anderen nördlichen Regionen wie Hamburg und Niedersachsen/Nordsee. Am wenigsten glücklich sind die ostdeutschen Bundesländer Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern - das Schlusslicht bildet Brandenburg. Während die süddeutschen Regionen ihre Lebensumstände insgesamt optimistischer bewerten als im Vorjahr, hat sich die Kluft zwischen ost- und westdeutschen Glücksgefühlen also weiter vergrößert. Von der Wiedervereinigung 1989 bis 2012 war die Kluft stetig geschrumpft.

Die Gründe des Auseinanderdriftens in den vergangenen zwei Jahren liegen in den "nach wie vor schlechteren wirtschaftlichen Bedingungen im Osten", sagt Jürgen Gerdes, Mitglied des Konzernvorstands der Deutschen Post. Das betreffe insbesondere die Beschäftigung und das geringere Lohnniveau.

Was der Glücksatlas betrachtet

Bewertet wurden in der Umfrage der Deutschen Post die allgemeine Zufriedenheit mit dem Leben, aber auch Aspekte wie Wohnung, Freizeit, Arbeitssituation, Gesundheit und Haushaltseinkommen. Erkennbar zufriedener als noch vor zehn Jahren sind die Deutschen vor allem mit dem Haushaltseinkommen, der Arbeit und dem Familienleben. Schwächer entwickelte sich die Lebenszufriedenheit in den Bereichen Wohnen, Gesundheit und Freizeit.

Menschen mit Behinderung weniger zufrieden

Ein Schwerpunkt der diesjährigen Untersuchung ist das Lebensgefühl von Menschen mit Behinderung. Laut Befragung sind diese weniger zufrieden mit ihrem Leben als Menschen ohne Behinderung - besonders in Bezug auf ihre Gesundheit, das Einkommen, ihr Familienleben und die Arbeit.

"Nachdenklich stimmt uns, dass Menschen mit Behinderung weniger zufrieden mit ihrem Leben sind und dass sich daran seit vielen Jahren nur wenig geändert hat", sagt Konzernvorstand Gerdes. Die Analysen im Glücksatlas hätten gezeigt, dass die Zufriedenheit dieser Bevölkerungsgruppe mit der Möglichkeit sozialer Anteilnahme steige. Hier hinke Deutschland beispielsweise gegenüber den Entwicklungen in skandinavischen Ländern oder auch in Italien deutlich hinterher.

Besonders unzufrieden sind Menschen mit Behinderung mit ihrer Gesundheit, dem Einkommen, dem Familienleben und der Arbeit. Gefragt, wo sie sich am meisten Unterstützung wünschen, steht die "Hilfe im Umgang mit Ämtern und Behörden" an erster Stelle. Die persönliche Lebenszufriedenheit hängt für Menschen mit Behinderung jedoch stärker von der Wertschätzung durch die Gesellschaft (59 Prozent) ab als von staatlicher Unterstützung (acht Prozent).

Mangelnder Kontakt zwischen Menschen mit und ohne Behinderung

Dabei sei die Zustimmung der Bevölkerung zu einer inklusiven Gesellschaft überwältigend. "Der Wunsch nach einem gleichberechtigten Miteinander von Menschen mit und ohne Behinderung ist mit 98 Prozent riesengroß." So befürworten knapp zwei Drittel der Deutschen einen gemeinsamen Unterricht von behinderten und nicht behinderten Kindern - ungeachtet der in der Öffentlichkeit kontrovers geführten Diskussion. Ebenso positiv gestalte sich das Bekenntnis zum gemeinsamen Arbeitsplatz von behinderten und nicht-behinderten Menschen in der deutschen Gesellschaft.

Entsprechend positiv schätzt die Gesamtbevölkerung die Lebenssituation von Menschen mit Behinderung ein - im Gegensatz zu den Betroffenen selbst: 68 Prozent der Deutschen glauben, dass sich deren Lebenssituation in den vergangenen zehn Jahren generell verbessert habe, wie eine Forsa-Umfrage ermittelte. Die unterschiedliche Einschätzung, so die Erklärung des Institutes, entstehe durch geringen Kontakt und mangelnde Erfahrung: Laut Forsa haben 52 Prozent der Bevölkerung nach eigenen Angaben "nur selten oder nie" mit Menschen mit Behinderung zu tun und weitere zwölf Prozent "hin und wieder".

Was die Umsetzung einer inklusiven Gesellschaft angeht, scheinen sich die Deutschen dann doch selbst nicht über den Weg zu trauen: Nur ein Drittel der Deutschen glaubt, dass eine inklusive Gesellschaft in voller Konsequenz tatsächlich realisierbar ist. Auf jeden Fall glauben die meisten, dass bis dahin noch mehr als 20 Jahre vergehen.

Politik und Gesellschaft sind gefragt

Für insgesamt 98 Prozent der Bevölkerung ist das gesellschaftliche Leitbild einer gleichberechtigten "inklusiven Gesellschaft" wichtig, für 70 Prozent sogar sehr wichtig. Doch den größten Handlungsbedarf sehen die Befragten in dieser Hinsicht bei der Politik und in der Gesellschaft. "Auch die Wirtschaft muss ihren Teil dazu beitragen, dass Menschen mit Behinderungen gleichberechtigt am Arbeitsleben teilhaben können", sagt Gerdes.

Angesichts solcher Widersprüche ist die Unzufriedenheit der Menschen mit Behinderung in Deutschland also durchaus begründet - jedenfalls, so lange sich mit den glücklichen Deutschen nicht alle Deutschen freuen können.

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