Glück finden:Lachen, wenn der Arzt kommt

Bloß nicht dröge - ein Gespräch mit dem Kabarettisten Eckart von Hirschhausen, der einen Bestseller über das Glück geschrieben hat.

C. Mayer

Eckart von Hirschhausen kommt gerade aus einem Meeting in Frankfurt, er hat wenig Zeit, gleich muss er zum Fernsehen; und gegessen hat er auch noch nicht. Das Leben eines Bestsellerautors ist nicht gerade beschaulich - zumal der Arzt und Kabarettist ständig auf Tour ist, auf Theaterbühnen, in Stadthallen, bei Harald Schmidt, auf Ärztekongressen. So ein Programm lässt kaum Zeit für Ablenkungen, also will der 41-jährige Berliner das Gespräch gerne im Gehen führen. Nach zehn zügigen Runden in einem Park im Frankfurter Westend hat der Doktor sichtlich gute Laune.

Eckard von Hirschhausen über das Glück; Lachen, wenn der Arzt kommt

Kabarettist Eckart von Hirschhausen hat so richtig Glück gehabt: Seine Mediziner-Kollegin akzeptieren ihn noch immer, und die Leute kaufen seine Bücher.

(Foto: Foto: Markus Hauschild/oh)

SZ: Herr von Hirschhausen, Ihr neues Buch "Glück kommt selten allein" ist gleich auf Platz eins der Bestsellerliste eingestiegen. Ist der komische Arzt, den Sie verkörpern, ein Selbstläufer?

Hirschhausen: So wenig wie man fit wird durch "Fitness-Tee", so wenig läuft ein Buch von selber. Ich habe viel Literatur über Glück gelesen: alles, was auf dem deutschen und englischen Markt präsent ist. Hinterher hatte ich einen zwiespältigen Eindruck: Warum müssen Bücher, die von schönen Gefühlen handeln, so dröge sein? Und so lieblos? Ich wollte, dass die Leser schon beim Blättern ein Glücksgefühl bekommen.

SZ: Es fällt auf, dass Sie als Autor von der Erkenntnis immer gleich zum Kalauer kommen - und umgekehrt.

Hirschhausen: Mir gefällt der Gedanke nicht, dass man Information und Unterhaltung trennen muss. Das Hirn macht da ja auch keinen Unterschied, solange es etwas lernt; auch die großen Themen wie Krankheit und Tod kann man unterhaltsam darbieten. Letztlich streife ich ja - manche mögen das vielleicht als seicht bezeichnen - ziemlich große Lebensthemen. Ich hätte mein Buch auch so nennen können: kognitive Verhaltenstherapie in der Prävention der Depression. Nur, wer würde das kaufen?

SZ: Vom Verkaufen verstehen Sie etwas. "Die Leber wächst mit ihren Aufgaben" war 2008 das erfolgreichste Sachbuch auf dem deutschen Markt.

Hirschhausen: Mir ist die Dimension dieses Erfolgs auch nicht ganz geheuer. Eineinhalb Millionen Menschen haben das Buch gekauft, das ist schon ein Phänomen. Ich gebe zu: Manchmal kommt mir das unwirklich vor.

SZ: Sie haben also Glück gehabt.

Hirschhausen: Moment! Viele Leute denken, der Erfolg kommt über Nacht, dabei mache ich seit 15 Jahren Kabarett. Tatsächlich habe ich lange Vorarbeit geleistet, auch an ungewöhnlichen Spielorten. Viele Leute haben mich irgendwann schon mal gesehen, allein das "Glücksbringer"-Programm hatte über 500000 Live-Zuschauer. Die bekommen jetzt eine Chance, alles nochmal nachzulesen.

SZ: Was machen Sie, wenn ein Witz nicht zündet?

Hirschhausen: Es gibt zwei Katastrophen im Leben eines Komikers: Wenn die Leute nicht an der Stelle lachen, von der du glaubst, sie sei lustig - und wenn sie lachen, und du weißt nicht warum. Durch diesen Lernprozess kann ich schon viele Passagen aus dem Programm kicken. Kill your darlings, heißt es ja auch bei den Journalisten: Die Formulierung, in die man als Autor am meisten verliebt ist, muss man raushauen. Dadurch erreiche ich eine Pointendichte, die das Ergebnis eines jahrelangen Kondensats ist.

SZ: Auf der Bühne mag das funktionieren. Aber wird ein Buch nicht platt, wenn eine Pointe die andere jagt?

Hirschhausen: Nun ja. Viele Leser haben mir berichtet, warum ihnen "Die Leber wächst mit ihren Aufgaben" gefallen hat. Sie sagen: Ich brauche da keinen langen Atem, wenn ich zu Ihrem Buch greife, ich kann auch mal reinlesen. Es sind Häppchen, die man vor dem Schlafengehen genießen kann, im Urlaub oder sonstwo. Manche Leute lesen sich die Texte angeblich am Telefon vor...

Lesen Sie auf der nächsten Seite, was Hirschhausen von seinem Doktortitel hält, und was der menschliche Körper mit Humor zu tun hat.

Lachen, wenn der Arzt kommt

SZ: Auf Ihrer Internetseite berichtet eine Leserin in rührenden Worten, sie sei seit 23 Jahren mit einem Mann verheiratet, der nie ein Buch gelesen habe - bis er den Hirschhausen in die Hand bekam.

Hirschhausen: Ist das nicht schön? Für mich ist das größte Kompliment, wenn Leute berichten, dass sie beim Lesen laut gelacht haben. Zugleich versuche ich, zwischen den Zeilen interessante Themen aus der Medizin unterzubringen. Die Leser haben dann das Gefühl: Das hat er sich jetzt nicht ausgedacht, das hat schon seine Richtigkeit und außerdem noch einen Nutzwert. Ein gewisser bildungsbürgerlicher Dünkel wird dabei auch bedient, bei mir und beim Leser.

SZ: Sie treten gerne mit einer braunen Ledertasche auf und geben sich als Doktor med. aus, dem nichts Menschliches fremd ist. Inwieweit nutzen Sie einen Titel aus, der noch immer Respekt einflößt?

Hirschhausen: Ich bin heilfroh, dass ich Medizin studiert und auch promoviert habe. Die Autorität dieses Titels ist ein großer Vorteil, weil ich über Themen reden darf, die für Komiker Tabu sind.

SZ: Zum Beispiel?

Hirschhausen: Bei meinem Abendprogramm lasse ich die Leute regelmäßig aufschreiben, wann sie das letzte Mal glücklich waren. Da kommen oft Antworten, die mit Krankheiten zu tun haben: Ich war glücklich, als die Chemotherapie vorbei war. Jeder Komiker würde sagen: Das gehört nicht hierher! Vielleicht liegt es an der Art und Weise, wie ich Dinge anspreche, jedenfalls habe ich schon öfter erlebt, dass mir Leute gesagt haben: Ich habe einen nahen Angehörigen verloren, und bei ihrem Programm habe ich das erste Mal wieder richtig lachen können.

SZ: Wie definieren Sie Humor?

Hirschhausen: Humor hilft, angesichts der eigenen Unzulänglichkeit und Vergänglichkeit nicht zu verzweifeln. Humor ist nicht Witze erzählen, sondern eine heitere, gelassene und warmherzige Grundhaltung, die man als Arzt im besten Fall kultivieren und vermitteln sollte. Ich stelle in meinem Programm niemanden bloß, die Leute lachen bei mir über sich selbst - und das krisenanfällige Design des eigenen Körpers.

SZ: Waren Sie schon immer so selbstbewusst, wie Sie heute wirken?

Hirschhausen: Überhaupt nicht! Meine Zeit im Varieté hat mir da sehr geholfen. Da kommen die Leute ja nicht wegen einer Einzelperson, sie wollen einfach nur eine Show. Egal wie du drauf bist, du musst jeden Tag rauf auf die Bühne. Im Berliner Wintergarten gab es schon auch Horrorauftritte, etwa wenn da 300 besoffene Mobiltelefonmanager aus Finnland saßen und unterhalten werden wollten - die haben wohl eher ein paar nackte Mädchen erwartet als mich. In solchen Momenten lernt man zu improvisieren.

SZ: Wie reagieren Ihre ehemaligen Ärzte-Kollegen? Finden sie die Hirschhausen-Methode nicht anmaßend?

Hirschhausen: Überhaupt nicht. Ich trete ja bei Ärztekongressen auf und bin stolz darauf, dort den Sprung von der Abendunterhaltung ins Hauptprogramm geschafft zu haben - normalerweise dürfen da nur Professoren und Chefärzte sprechen. Diese Leute hätten mir früher, als ich Assistenzarzt war, nie zugehört...

SZ: Sie scheinen diese Art von Aufmerksamkeit sehr zu genießen.

Hirschhausen: Ja, ich will die Multiplikatoren bewegen, die Ärzte, die Gesundheitspolitiker, die Therapeuten. Viele Menschen freuen sich über mein Programm, weil es mit ihrem Alltag zu tun hat. Und mich freut das wiederum, weil ich fünfzehn Jahre lang von Redaktionen und Fernsehleuten gehört habe: So ein Konzept kann nie funktionieren.

SZ: Wie sieht das Konzept denn aus?

Hirschhausen: Ich habe so etwas wie ein eigenes Genre für mich entdeckt. Auf der einen Seite steht das politische Kabarett und behauptet: Politiker halten sich nicht an Versprechen, deshalb zeigen wir mal die ganze Verlogenheit dieser Leute. Allerdings ist der Erkenntniswert nach zwei Stunden moralischer Empörung begrenzt. Dann gibt es die deutsche Comedy, die sich daran abarbeitet, dass Männer und Frauen nicht zusammenpassen. Ich versuche etwas anderes: Wissensvermittlung auf unterhaltsame Weise, ohne Zeigefinger und Überheblichkeit.

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