Gleichgeschlechtliche Hochzeitsfeiern:"Wie ein zweites Coming-out"

Lesezeit: 5 min

Chippendales für den Bräutigam, Baumstammsägen für die Braut: Immer mehr Schwule und Lesben zelebrieren ihre Lebenspartnerschaft mit einer Hochzeitsfeier. Die ist manchmal eine schrille Sause und manchmal spießiger als Hetero-Hochzeiten - doch ein paar Besonderheiten gebe es immer, sagt Weddingplaner Marco Fuß.

Von Katrin Derler

Das Paar sieht sich in die Augen und lächelt, als wäre es sich seiner Sache nie so sicher gewesen. Ein Cello-Quartett spielt klassische Musik. Nach dem Ringtausch und der Ansprache des Standesbeamten folgen endlich die Worte, auf die alle Anwesenden gewartet haben: "Sie dürfen einander nun küssen." Martin Munz neigt sich langsam vor und küsst zärtlich seinen Mann Tobias.

Munz, Journalist und Leiter des Rechercheteams beim NDR, heiratete seinen Lebensgefährten 2006. "Wobei man von Heirat ja nicht sprechen kann, solange es eine rechtliche Diskriminierung gibt", betont der 38-jährige Hamburger. "Gefühlsmäßig war es trotzdem für alle Anwesenden eine Hochzeit." Und zwar eine ziemlich traditionelle: Rosen, Streichmusiker, ein DJ für die Feier und Walzer als Hochzeitstanz. Munz wollte immer eine große Feier. Eine Herausforderung, denn: "Ein Standesamt zu finden, das Platz für einhundert Gäste hat, war schwierig. Bei Hetero-Hochzeiten wird der standesamtliche Teil ja eher im kleinen Kreis abgehalten und der kirchliche Teil dann meist größer gestaltet."

Wegen solcher und anderer Herausforderungen beauftragen auch gleichgeschlechtliche Paare immer häufiger einen Hochzeitsplaner. Einer von ihnen ist Marco Fuß: Dem 44-Jährigen wurde bei seiner eigenen Heirat mit seinem Mann Eric klar, dass eine Hochzeit von Lesben und Schwulen zwar auch nicht individueller als eine Hetero-Trauung sein muss - aber dennoch "ein bisschen was anderes" ist. "Die Gäste sind zum Beispiel internationaler, da sich meiner Erfahrung nach die Paare häufiger im Urlaub, über Länder und Kontinente hinweg, kennenlernen", erklärt der Hochzeitsplaner. Einladungen, Tischkärtchen, aber auch das Unterhaltungsprogramm während der Feier müssten daher oft zweisprachig gestaltet werden. Da er bei seiner Hochzeit ein gutes Gespür für jene kleinen Unterschiede entwickelt hat, spezialisierte sich der ehemalige Werbefachmann schließlich auf gleichgeschlechtliche Paare.

Seine Berufung zum Hochzeitplaner fand Fuß eher zufällig, durch einen Freund und ehemaligen Kollegen aus der Werbebranche, Frank Matthé - in den Medien bekannt als "Froonck". Der professionelle Hochzeitsplaner reiste 2006 für seine Reality-Sendung Frank - Der Weddingplanner durch ganz Deutschland und bat Fuß damals aus Zeitmangel, einen seiner Aufträge zu übernehmen. "Nach der Feier fiel mir die Braut weinend in die Arme und bedankte sich", erzählte Fuß. "In der Werbebranche ist mir noch kein Kunde wegen der tollen Verkaufszahlen um den Hals gefallen." Für ihn war klar: Er hatte seine Berufung gefunden. 2010 gründete der einstige Werber schließlich seine Agentur Gleich & Gleich und kümmert sich seither um Locations, Dekoration, Unterhaltungsprogramm, Verpflegung und Koordination auf Hochzeiten - vorwiegend von gleichgeschlechtlichen, aber auch Hetero-Paaren.

Homosexuelle Freunde, heterosexuelle Familie

Die rechtlichen Voraussetzungen für dieses Geschäftsmodell schuf die Politik 2001 mit dem Lebenspartnerschaftsgesetz. Dieses ermöglicht gleichgeschlechtlichen Paaren, ihrer Beziehung einen rechtlichen - wenn auch nach wie vor nicht gleichgestellten - Rahmen zu geben. Bundesweit lebten 2010 laut einer Umfrage des Statistischen Bundesamtes bereits 37 Prozent aller schwulen und lesbischen Paare, die sich einen Haushalt teilen, in einer eingetragenen Partnerschaft. Dennoch kommt auf 1000 "Hetero"-Ehen gerade einmal eine Lebenspartnerschaft.

Nicht zuletzt deshalb habe es laut Fuß bisher nur in Nürnberg, Düsseldorf und Hamburg Hochzeitsplaner gegeben, die ihren Fokus auf die Organisation von gleichgeschlechtlichen Hochzeiten legen - im weltoffenen Berlin war der 44-Jährige der erste. Dass es Spezialisten für die Planung von gleichgeschlechtlichen Verpartnerungen gibt, findet der Weddingplanner wichtig, denn: "Für das Zusammenspiel der Gäste ist ein besonderes Einfühlungsvermögen gefragt. Das Spannende ist die Kombination aus einem überwiegend homosexuellen Freundeskreis und den beiden Hetero-Familien", sagt Fuß. Hier die Schnittmenge zu finden und ein Fest zu arrangieren, auf dem alle entspannt sein und sich amüsieren können, sei die größte Herausforderung.

Eine der wichtigsten Aufgaben eines Hochzeitsplaners ist es, eine angenehme Atmosphäre zu schaffen. "Auch erste Berührungsängste der oftmals sehr unterschiedlichen Gäste müssen bei den Feierlichkeiten möglichst rasch überbrückt werden, damit die Stimmung so ausgelassen werden kann, wie das Paar es sich wünscht", sagt Fuß. Wenn nötig, greift man dann auch mal zu den üblichen Mitteln: Der Wahl-Berliner brach bei seiner eigenen Feier beispielsweise das Eis mit Hochzeitsspielen - nicht gerade unkonventionell, aber durchaus wirkungsvoll. "Unsere Mütter wurden mit Fotos von meinem Mann und mir Rücken an Rücken gesetzt und gefragt, wer von uns beiden lieber kocht oder in der Regel das Steuer übernimmt."

Bei der Frage, ob eine Hochzeit unter Gleichgeschlechtlichen bunter und ausgelassener ist, sind sich viele Homosexuelle uneinig - wie auch eine Meinungsumfrage des Lesben- und Schwulenverbandes in Deutschland (LSVD) auf Facebook zeigt: Zwar glauben alle an die Individualität einer jeden Hochzeit, egal ob lesbisch, schwul oder hetero - ob jedoch eine gewisse Tendenz zum Ungewöhnlichen erkennbar ist, bleibt in der Facebook-Community des LSVD umstritten. Während ein User etwa stolz darauf ist, dass "wir Schwuppis halt immer ein bisschen besser im Feiern und Vorbereiten sind", ist so mancher schon über die Fragestellung an sich erbost: "Positive Diskriminierung brauchen wir nicht, besten Dank!"

Seit knapp zehn Jahren ein glückliches Paar: 2006 heiratete Journalist Martin Munz seinen Lebensgefährten Tobias Munz. (Foto: Philipp Anies)

Nach Ansicht von Marco Fuß gibt es in der Regel zwar äußerliche Unterschiede zwischen Hetero-Feiern und gleichgeschlechtlichen Hochzeiten, diese sind aber eher gering: "Ein bisschen extrovertierter, ein bisschen mutiger vielleicht. Bei gleichgeschlechtlichen Paaren geht es meist etwas ausgelassener zu, bei Heterosexuellen eher festlicher." Bei Männerhochzeiten seien im Anschluss an die standesamtliche Prozedur beispielsweise Motto-Parties beliebt - manchmal mehr, manchmal weniger ausgefallen: Von "Studio 54" über "Karibikfeeling", bis über "Lederhochzeit" habe er schon alles gesehen.

An eine Feier mit dem Thema "Black and White" kann sich der Weddingplanner noch besonders gut erinnern. "Die Bräutigame waren beide Kunstliebhaber, daher gab es nach der Eintragung ihrer Lebenspartnerschaft eine große Party in der gemieteten Villa eines Kunstsammlers. Zu später Stunde wurden dann schwarze und weiße Accessoires von ein paar Oben-ohne-Jungs mit schwarzer Fliege an die Gäste verteilt." Im Gegensatz dazu würden Lesben oft zu traditionellen Landhochzeiten inklusive Baumstammsägen tendieren - ein Spiel, das sich übrigens noch kein einziges schwules Paar vom Weddingplanner gewünscht hat.

"Die spießigste Hochzeit, auf der ich je war"

Auch Martin Munz wollte, dass seine Hochzeit etwas Besonderes wird - und entschied sich deshalb bewusst gegen das Anderssein. Er heiratete so konventionell, wie es kaum ein Hetero-Paar heute mehr wagt: "Für uns war klar: Je spießiger wir die Hochzeit gestalten, umso revolutionärer wird das." Auf Glitzer, Tüll, Regenbogen-Motive und Deko-Kitsch verzichteten die beiden, stattdessen setzten sie auf rote und weiße Rosen. Neben Kaffee und Kuchen gab es später auch eine Mitternachtssuppe. Der Hochzeitstanz: ein ganz normaler Walzer. "All diese Dinge, die es bei vermeintlich modernen Hetero-Hochzeiten nicht mehr gibt, haben wir durchgezogen." Das schönste Kompliment erhielt der 38-Jährige von einer Freundin, die sich nach der Feier mit den Worten verabschiedete: "Das war die spießigste Hochzeit, auf der ich je war."

Kritik musste Munz weniger für die traditionelle Gestaltung, sondern schon eher für die Heirat an sich einstecken. "Es gibt durchaus Lesben und Schwule, die das ein bisschen als Verrat an der Emanzipationsbewegung sehen, weil sie bewusst für andere Lebensformen eintreten und weg von dieser zopfigen Ehe wollen." Für den Journalist sei aber immer klar gewesen, dass es eine große Feier geben werde. "Ich wollte zeigen, wie glücklich ich mit diesem Mann bin und wollte da auch alle meine Freunde und Verwandten dabeihaben. Vielleicht auch, um das eine oder andere Familienmitglied - ich komme ja aus einem schwäbisch-konservativen Milieu - ein bisschen über die Klippe zu schubsen." Die Tatsache, dass von beiden Familien praktisch keine Absagen kamen, sei für ihn eine Botschaft gewesen - "eine sehr schöne Botschaft", betont Munz.

Jene Botschaft spürt auch Hochzeitplaner Fuß immer dann, wenn sich Brautpaar und Gäste auf seinen Hochzeiten wohlfühlen. Eines bleibe - egal ob Spießer-Feier oder extravagante Party - immer gleich: "So eine schwule oder lesbische Hochzeit ist wie ein zweites Coming-out", sagt der Weddingplanner. "Nur ist man dabei plötzlich nicht mehr alleine: Man hat seinen Partner, Freunde und die Familie, die hinter einem stehen."

© Süddeutsche.de - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: