Gleichberechtigung:"Wer anfängt aufzurechnen, ist verloren"

Sich die Arbeit gleichberechtigt aufteilen ohne sich permanent zu streiten - wie geht das? Vier Paare verraten ihr Erfolgsrezept.

Von SZ Familie

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"Wir entscheiden lieber pragmatisch"

Gleichberechtigungs-Protokolle aus SZ Familie

Quelle: Yvonne Seidel

Caroline (Verwaltungswirtin, 34) und Andreas Kohout (Hausverwalter, 36), drei Kinder (7, 4 und 2):

"Hausarbeit und Erwerbsarbeit sind bei uns klar aufgeteilt: Andi ist selbstständig und arbeitet Vollzeit, Caro geht zehn Stunden in der Woche ins Büro. Für die Betreuung der Kinder und die täglich anfallende Hausarbeit wie Kochen, Putzen, Einkaufen ist Caro zuständig. Andi mäht den Rasen und macht die gröberen Garten­arbeiten.

Gesprächsbedarf gibt es da keinen. Von außen betrachtet, würden uns viele vielleicht nicht als gleich­berechtigt betrachten. Wir selbst sehen uns schon so. Schließlich arbeiten wir beide gleich viel. Alles Geld, das wir verdienen, geht auf ein gemeinsames Konto, und davon bezahlen wir alles. Fürs Alter sorgen wir privat vor, vor allem mit Immobilien, und die gehören uns beiden.

Alle Aufgaben aus Prinzip 50 zu 50 aufzuteilen, kommt uns unsinnig vor. Wir entscheiden lieber pragmatisch.

Nach unserem zweiten Kind war Andi eineinhalb Jahre in Elternzeit und Caro hat Vollzeit gearbeitet. Allerdings haben wir festgestellt, dass Caro auf Kindergeburtstagen oder beim Kinderturnen leichter Anschluss findet als Andi. Unser jetziges Modell passt also besser zu uns. Das ist der einzige Punkt, wo wir uns uneinig sind: Andi denkt, solche Termine seien für Caro pures Vergnügen, dabei sind sie für sie auch Arbeit."

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"Wenn man anfängt aufzurechnen, ist man schon verloren"

Gleichberechtigungs-Protokolle für SZ Familie

Quelle: Sima Deghani

Farina Simbeck (Theaterpädagogin, 42) und Dominik Burki (Schauspieler, 42),drei Kinder (15, 13 und 10):

"Wir sprechen nicht unbedingt über Gleichberechtigung, lieber über eine faire Beziehung auf Augenhöhe. Das Wichtigste dabei für uns: großzügig sein - gegenüber dem anderen, klar, aber vor allem gegenüber sich selbst. Wenn man anfängt aufzurechnen, ist man schon verloren. Da kann es nur ungerecht zugehen.

Natürlich sieht es bei uns zu Hause zwischendurch auch mal aus wie Sau. Was brauche ich selbst, damit es mir gut geht? Vielleicht mal einen sauberen Wohnzimmerboden, eine Stunde Ruhe auf der Couch und dass vorher die Hausaufgaben der Kinder erledigt sind. Dann muss man sagen: 'So wie es momentan aussieht, fühle ich mich unwohl, könnt ihr bitte mit anpacken?'

Es ist eine Entscheidungsfrage, ob man eine Beziehung kämpferisch oder kooperativ führen will. Um im Gespräch zu bleiben, haben wir es eine Zeit lang mit festen Montagsterminen versucht, aber das Starre lag uns nicht. Als wir neulich völlig genervt voneinander waren, haben wir einen neuen Trick entdeckt: Wir stellten uns gegenüber. Jeder legte seinen Zeigefinger auf die Nase und hüpfte auf einem Bein um die eigene Achse. Nach zwei, drei Runden mussten wir lachen. Es hat uns wieder zurückgebracht - zu uns selbst und zum anderen."

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"Wer arbeiten geht, bekommt das besser schlafende Baby"

Gleichberechtigungs-Protokolle für SZ Familie

Quelle: Sima Deghani

Elke Ruppert (Kommunikationsmanagerin, 36) und Daniel Glätzner (IT-Produktmanager, 36), drei Kinder (3, 7 Monate alte Zwillinge):

"Dass wir als Partner und Eltern gleichberechtigt sind, ist für uns selbstverständlich. Wir haben beide eine gute Ausbildung, und wir wollen beide mit unseren Kindern Zeit verbringen. Wir arbeiten fast gleich viel und strengen uns an, damit es möglichst gerecht zugeht. Tabellen führen wir nicht, aber unsere Ausgaben und Aufgaben teilen wir Hälfte-Hälfte.

Durch die Zwillinge ist die Betreuungsarbeit natürlich mehr geworden, aber Elkes Einkommen wegen der Elternzeit weniger. Das war ein ungewohntes Problem für uns, denn bisher hatten wir nie so genau gerechnet. Aber dass Elke sich den ganzen Tag um drei Kinder kümmert und dann nicht mal Geld zum Kaffeetrinken hat, das ging natürlich nicht. Solange wir gleich viel verdienten, haben wir nie so genau hingeschaut, wer wie viel zahlt.

Aber neulich haben wir uns zusammengesetzt und genau ausgerechnet, wie viel Daniel vorübergehend mehr in unsere gemeinsame Kasse einzahlen muss. Klar ist das jetzt ein bisschen mehr Versorgersituation als vorher, aber eben nur vorübergehend. Denn Daniel wird nächstes Jahr auch ein paar Monate Elternzeit nehmen."

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"Wir trennen nicht zwischen Arbeit und Leben"

Gleichberechtigungs-Protokolle für SZ Familie

Quelle: Sima Deghani

Martina und Frank Herrnberger, (beide Architekten, 39 und 41), drei Kinder (7, 5 und 3):

"In unserer Branche sind die Arbeitszeiten generell sehr unregelmäßig. Schon bevor wir Kinder hatten, war uns klar, dass ein gutes Familienleben mit zwei Festanstellungen nicht klappt. Um andere Voraussetzungen zu schaffen, haben wir ein gemeinsames Büro gegründet. Martina kümmert sich als Selbstständige in Teilzeit um unsere Aufträge, Frank hat als fest angestellter Architekt eine 55-Stunden-Woche. Abends und am Wochenende wird immer weitergearbeitet.

Wer dann noch an einem Entwurf sitzt und wer das Abendessen kocht, darüber streiten wir uns nicht - denn die Arbeit machen wir ja immer für uns beide. Unser Zuhause funktioniert ein bisschen wie ein Bauernhof, wir trennen nicht zwischen Arbeit und Leben. Allerdings haben wir in letzter Zeit gemerkt, dass trotz aller guten Vorsätze Franks Arbeits­belastung mit unserem Alltag Schlitten fährt. Bis wir eine Lösung gefunden haben, hat es gedauert: Aber in vielen langen Gesprächen haben wir die Stellschrauben identifiziert, an denen wir drehen müssen. Vor allem versuchen wir gerade, Arbeitszeit zu redu­zieren. Doch da sind wir natürlich nicht wirklich frei, sondern abhängig von der Auftragslage und den Ansprüchen von Chefs und Kunden."

"Wenn Liebe nicht die Lösung ist": Die meisten Paare wollen gleichberechtigt leben, kriegen sich dabei aber dauernd in die Haare. Lohnt sich der Stress überhaupt? Und gibt es Wege, beides zu haben: Liebe und Zeit für sich? Einen Essay darüber finden Sie in der aktuellen Ausgabe des Magazins Süddeutsche Zeitung Familie - Heft hier bestellen.

© Süddeutsche Zeitung Familie/bavo
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