Glaubensbekenntnis:Greg Graffin

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Der Gründer der Punkband "Bad Religion" hatte nie etwas gegen Gott. Und auch jetzt als Evolutionsbiologe wartet er auf Beweise für die Existenz Gottes.

Von Jan Stremmel

Als ich meine Band Bad Religion gründete, waren die USA in einer ganz ähnlichen Situation wie heute. Es war 1980, Ronald Reagan kandidierte gerade bei der Wahl zum Präsidenten. Hinter sich versammelte er die denkbar schlimmsten Spinner aus dem ultrarechten Lager, bis hin zu den komplett verrückten evangelikalen Fernsehpredigern. Die verdienten damals Millionen damit, ihren Glauben als den einzig wahren zu verkaufen und nebenbei gutgläubigen Rentnern ihre Altersversorgung abzuschwatzen. Diese Koalition der Erzkonservativen gewann damals die Wahl - und wir gründeten eine Punkband mit dem durchgestrichenen Kreuz als Logo. Wir waren 15, und es war eine naheliegende Provokation.

Leider hält sich seit damals ein hartnäckiges Missverständnis: dass wir Religionshasser seien. Dabei findet man in keinem Bad-Religion-Song, nicht mal in den ältesten, nur ein Wort des Zorns. Wir wollten stattdessen immer zum Denken herausfordern, kritische Fragen stellen. Man kann sagen, dass wir für Punkrocker ganz schöne Philosophie-Nerds waren. Zumindest ich bin es wohl geblieben: Heute bin ich Professor für Evolutionsbiologie an der Cornell University.

Religion fasziniert mich schon deshalb, weil ich als Kind nie selbst damit in Berührung kam. Meine Eltern erzogen uns komplett unreligiös. Und das im ländlichen Wisconsin. Ich weiß noch, wie ich als Kind jeden Sonntag daheim saß und darauf wartete, dass meine Freunde endlich aus der Kirche zurückkämen. Eines Nachts guckte ich mit meinem älteren Bruder zu diesem unglaublich klaren Sternenhimmel rauf und fragte: "Woher kommen die alle?" Er antwortete: "Die waren immer schon da." Ich werde nie vergessen, wie mich das ins Grübeln brachte. Irgendwas musste doch davor dort gewesen sein! Aber was? Kurz darauf begann ich, das Reisetagebuch von Charles Darwin zu lesen. Seither begleitet mich das Thema.

Woran ich glaube? An den Satz "Erkenne dich selbst", im platonischen Sinn. Die einzige wirkliche Erkenntnis ist die Selbsterkenntnis. Das ist seit jeher der Weg der Wissenschaft: Die Welt um uns herum beobachten. Hypothesen aufstellen und sie überprüfen. Was existiert wirklich, ist also ein Fakt? Und was ist nur ein Produkt unserer Einbildung? Ich finde übrigens nicht, dass Religion keine Existenzberechtigung hat. Sie ist ein wichtiger Mechanismus für die soziale Ordnung, für die Bewahrung von Traditionen, sie gibt spirituellen Rückhalt, den manche Menschen brauchen. Aber um Fragen über die echte Welt zu beantworten, taugt Religion nichts.

Als Atheist sehe ich mich trotzdem nicht. Sondern als Naturalist. Ein Atheist lehnt die Existenz Gottes ab. Ein Naturalist hat lediglich noch keinen Beweis dafür gefunden, dass es Gott gibt. Das finde ich die positivere Haltung zu dem Thema. Auch wenn jede einzelne Erkenntnis, die die Wissenschaft bisher über die Natur gewonnen hat, die Existenz von Gott unwahrscheinlicher macht - beweist mir das Gegenteil!

Greg Graffin, 52, ist Sänger und Songwriter der Punkband "Bad Religion". Der Evolutionsbiologe forscht zum Verhältnis von Wissenschaft und Glauben.

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