Glaubensbekenntnis:Gerhard Börner

Börner
(Foto: Claus Schunk)

Der Kosmologe, 75, forscht am Max-Planck-Institut für Astrophysik. Von ihm stammt "Schöpfung ohne Schöpfer? Das Wunder des Universums".

Protokoll von Hannes Vollmuth

Viele Menschen tun so, als ob Gott und Wissenschaft unvereinbar sind. Für mich ist das nicht so. Wir Naturwissenschaftler wissen zwar sehr viel, aber wir wissen nicht alles. Es gibt wahrscheinlich sogar sehr viel, was wir niemals wissen werden.

Wahrscheinlich sind viele Naturwissenschaftler der Meinung: Wenn man schon die Welt bis ins Kleinste erforscht und weiß, wie alles abläuft, dann wäre man ja doof, wenn man noch etwas hinter den Dingen vermuten würde, Gott oder irgendeinen Plan. Aber sie vergessen, dass längst nicht alles so eindeutig ist. In der Physik zum Beispiel ist die Auffassung von einer mechanischen Welt schon lange vorbei. Mittlerweile geht es da um Felder, die mir fast so vorkommen wie geistige Sachen, Prinzipien oder Ideen. Auch die Quantenmechanik ist für mich ein Beispiel dafür, dass die Abläufe der Welt überhaupt nicht so eindeutig sind. Früher dachte man, da gibt es einfach kleinstes Teilchen, die sich so oder so aneinander anlagern. Mittlerweile wissen wir, dass es verschiedene Zustände von einem System gibt, die mal eintreten können oder auch nicht. Teilweise widerspricht das sogar fundamental den Prinzipien der klassischen Physik. Oder der Elektromagnetismus, also die Signale von Fernsehen, Telefon und Radio: Diese Signale sind nicht an Materie gebunden, man kann sie durch den leeren Raum schicken, zum Mond oder weit hinaus ins All. Das sind Dinge für sich. Selbst das Licht, das wir alle kennen, kann mal als Welle auftreten oder mal als Teilchen. Wie können wir also so sicher sein, dass die Dinge immer eindeutig sind?

Als Astrophysiker erforsche ich die Entstehung des Universums, die Galaxien und Sterne. Und natürlich weiß ich, dass meine Erkenntnisse nicht eins zu eins mit der Bibel übereinstimmen. Die Bibel ist kein Physikbuch. "Am Anfang schuf Gott Himmel und Erde. Und die Erde war wüst und leer" - das sind natürlich Bilder und sie haben mit Naturwissenschaft nichts zu tun. Und trotzdem: Selbst die moderne Kosmologie könnte man vereinen mit dem Glauben an eine göttliche Schöpfung. Auch wir Kosmologen gehen ja davon aus, dass nicht immer alles da war und sich das Universum und die Welt erst entwickelt hat. Man könnte also auch in der Kosmologie von Schöpfung sprechen.

Religion hat deshalb auch etwas Tröstliches für mich: Die Welt, dieses ganze Schauspiel, ist nicht bloß reiner Zufall und irgendwann einfach vorbei. Es steckt wohl mehr dahinter, und ich denke, dass es viele Menschen, auch Naturwissenschaftler, so empfinden. Vor zehn Jahren habe ich mal in dem Magazin National Geographic einen Begleittext zu den Aufnahmen des Hubble-Teleskops geschrieben. Da habe ich argumentiert, dass man sich doch fragen muss, woher diese kosmischen Strukturen, die wir da sehen, eigentlich kommen. Aus der Schweiz kam dann ein Brief. Ein Leser schrieb, meine Überlegungen hätten ihm das Osterfest gerettet.

Gerhard Börner, 75, ist Kosmologe. Er forscht am Max-Planck-Institut für Astrophysik in Garching und schrieb unter anderem das Buch: "Schöpfung ohne Schöpfer? Das Wunder des Universums".

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: