Glaubensbekenntnis:Dieter Nuhr

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Der Kabarettist und Comedian aus dem Westen sagt, dass er sich nicht als religiös bezeichnet. Aber er sagt auch: Es könnte einen Gott geben.

Protokoll von Maximilian Kranl

Ich würde mich nicht als religiös bezeichnen. Es könnte einen Gott geben, ich weiß darüber aber nichts, also mache ich mir auch kein Bild. Ich gehe nicht in die Kirche, aber ich mag spirituelle Orte sehr. Auf meinen Reisen treibt es mich dorthin, wo Menschen in ihrem Glauben hinlaufen, um ihm Ausdruck zu verleihen. Das sind Orte, die etwas mit Verinnerlichung zu tun haben - ein ästhetischer Genuss. Ich würde es nicht auf die religiöse Ebene hängen und behaupten, Gott dort näher zu sein. Meine Grundsätze sind eher profan ausgerichtet: Zum menschlichen Zusammenleben gehört eine Art ethische Ordnung, die angelegt ist, weil Naturgesellschaften wie auch Zivilgesellschaften ohne ethische Muster nicht funktionieren könnten. Man wird bei uns eben nicht an jeder Ecke massakriert. Ich bin immer wieder erstaunt, wie wenig Kriminalität wir haben - und nicht wie viel.

Ich komme aus einem klassischen Beamtenhaushalt, ich habe also bürgerliche Werte eingetrichtert bekommen, was ich im Nachhinein als sehr angenehm empfinde - auch wenn ich mich natürlich darüber lustig gemacht habe. In den Siebzigerjahren galt, dass das etwas für Leute ist, die Schlips tragen und angepasst sind, typisches Spießertum eben. Das war ein primitives Bild von Ethik und Gesellschaft. Heute sehe ich das anders. Gerade in Zeiten des Internets, wo völlige Anonymität herrscht, sieht man, wozu Menschen in der Lage sind. Anonymität ist kein erstrebenswerter Zustand. Er bedeutet Entzivilisierung, weil eine zivilisierte Gesellschaft mit Haftbarkeit zu tun hat. Da geht es um das Bild, das man von sich abgibt. Man sieht das bei sich selbst, wenn man im Auto sitzt und pöbelt. In dem Moment, wo einer im Auto vor einem aussteigen und fragen würde: Was haben Sie da gerade gesagt?, wäre einem das unendlich peinlich.

Ich versuche auf der Bühne nur Dinge zu sagen, die ich Leuten auch ins Gesicht sagen würde. Sicher tun mir auch Dinge leid. Ich denke, dass Menschen eine Grundkonstitution dem Leben gegenüber haben. Ob man positiv ist oder negativ, hängt eher weniger vom Beruf ab. Ich glaube, ich wäre jetzt nicht weniger oder mehr glücklich, wenn ich Lehrer geworden wäre. Ich war damals mit dem Lehramt-Studium fertig und habe gesagt: Das mit der Comedy machst du jetzt mal zwei Jahre. Und dann kamen Leute, ich konnte super davon leben, es ging mir gut - auch von der Lebensqualität her: Dieses Auftreten, Schreiben, Rumfahren gibt meinem Leben einen Sinn: Ich habe das Gefühl, meine inneren Widersprüche in dieser kreativen Tätigkeit ausleben zu können. Und ich habe persönliche Verhältnisse um mich rum, die mir das Gefühl geben, dass es gut ist, was ich tue. Ich glaube auch, dass eine gesunde Beamtenerziehung dazu führt, dass man sich eben nicht mit zwölf einen Delfin auf die Stirn tätowiert und mit 17 Molotowcocktails auf Polizisten wirft. Das habe ich an meine Tochter weitergegeben - und es hat funktioniert. Sie ist jetzt 19, da kann man ein Ergebnis sehen.

Dieter Nuhr, geboren 1960 in Wesel am Niederrhein, ist Kabarettist, Comedian und Schriftsteller. Er moderiert unter anderem "Nuhr im Ersten - Der Satiregipfel".

© SZ vom 02.04.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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