Kolumne: Die Altersweisen:Ist Gewalt beim Protestieren erlaubt?

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Gewalttätige Auseinandersetzungen zwischen Tausenden Demonstranten und der Polizei in Lützerath (Foto: Jochen Tack/IMAGO)

Paul , 18, findet in manchen Fällen ja. Bertold, 86, ist da strenger. Wie junge und alte Menschen die Welt sehen, erzählen sie in dieser Kolumne.

Paul, 18, legt im Allgäu in Clubs auf und geht noch zur Schule

(Foto: privat)

"Ich finde, es gibt schon Fälle, bei denen Gewalt beim Protest legitim ist. Aber da muss man stark differenzieren. Gerade gibt es ja dieses Riesenthema mit der Polizeigewalt. Aktivistinnen und Aktivisten kämpfen für etwas, was ihnen fundamental wichtig ist. Und dann werden sie noch gewaltvoll niedergeprügelt? Da kann ich schon verstehen, dass manchen die Sicherung durchbrennt und sie sich körperlich wehren.

Trotzdem: Sinnvoller Protest sollte immer friedlich und gewaltfrei sein. Demonstrationen, die nicht ausarten, Briefe an politische Vertreter, Online-Petitionen - das sind alles Möglichkeiten, wie man seine Forderungen konstruktiv und klar stellen kann. Aber wenn man wie in Lützerath mit der vom Staat unterstützten Kohleindustrie einen scheinbar unbesiegbaren Gegner hat, dann kann es Leute geben, die so verzweifelt sind, dass sie sich nicht anders zu helfen wissen."

Bertold, 86, wohnt in Saarbrücken und engagiert sich dort im Seniorenkreis

(Foto: privat)

"Es gibt keine Form des Protestes, die jemals Gewalt gegen unseren Staat legitimieren würde. Demokratie und Menschenwürde sind die höchsten Güter, die wir haben. Wenn man Polizisten beispielsweise mit Steinen bewirft, dann tritt man diese Güter mit Füßen. Meiner Meinung nach ist das mit Nichts zu rechtfertigen.

Nehmen wir das Beispiel Lützerath. Hier haben einige Protestler die Grenze überschritten und Polizisten mit Steinen beworfen. Auch wenn diese jungen Leute aus gutem Grund verzweifelt sind, muss ich sagen: Der Schutz unserer Verfassung ist genauso wichtig wie der Schutz des Klimas.

Man muss die Jugend darauf aufmerksam machen, dass Demokratie und Menschenwürde wichtig sind. Ich argumentiere hier vor allem mit der Erfahrung, die meine Familie und ich als kleiner Bub im dritten Reich gemacht haben. Menschenwürde darf unter keinen Umständen fallen. Wenn junge Menschen politische Veränderungen wollen, müssen sie in eine Partei eintreten. Nicht nur demonstrieren und auf den Putz hauen."

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