Geste:Was soll das mit dem Dab?

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Hierzulande noch nicht so etabliert, wie in den USA: der "Dab" (Foto: Franka Hédiard)

Was Schulkinder immer mit ihrer Armbeuge machen, ist kein Tick, kein verrutschter Nieser und auch keine Fotoverweigerung. Eine Erklärung - nicht nur für Eltern.

Von Martin Wittmann

Vielleicht ist der Dab bei Kindern so beliebt, weil ihm Erwachsene erst einmal mit obligatorischer Irritation begegnen: Sie können nichts damit anfangen, sie verstehen ihn nicht, sie finden ihn sinnlos, unvernünftig, albern. Eine Kinderei.

Die Sache nicht besser, sondern für viele Eltern nur schlüssiger macht der Umstand, dass die Pose verdächtig nach Depp klingt. Im Ursprungsland des Phänomens, in den USA, sind sie da schon einen Schritt weiter. Dort ist der Dab bereits dermaßen etabliert, dass ihn die Politik als Mittel der Anwanzung an die Jugend identifiziert hat. Anders gesagt: Wenn auf einmal die steife Roboterfrau Hillary Clinton zu dabben beginnt, vergangenes Jahr in der Fernsehshow von Ellen DeGeneres war das, dann muss man wirklich in Sorge sein um eine der Jugend eigene Mode. (Zum Glück sah Clintons Dabben recht sinnlos, unvernünftig, albern aus.)

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Was ist der Dab? Der Dab ist ein Tanz, der seine Vollendung in einer selbstbewussten Pose findet, bei der man, die Beine optional leicht angewinkelt, den Kopf auf eine Seite dreht und in die Beuge des gehobenen Arms fallen lässt, während man den anderen Arm in die entgegengesetzte Richtung ausstreckt. In dem zwei Millionen Mal angeklickten Youtube-Video "What is the dab?" heißt es anschaulicher, ein Dabber sehe aus, als niese er gerade.

Dass Youtube und soziale Medien den Hype weltweit verbreitet haben, ist sicher; strittig ist, wer den Dab wann erfunden hat. Hauptverdächtig ist die Hip-Hop-Szene in Atlanta, das Geburtsjahr des Tanzes wird auf 2013 geschätzt. (Wer die ganze Angelegenheit immer noch kindisch findet, dürfte sich vom deutschen Wikipedia-Eintrag dazu bestätigt sehen: "Die Kontroversen wurden aufgeklärt, als der Hip- Hop-Künstler OG Maco off iziell erklärte, dass Migos die Begründer des Dabs seien, obwohl es eigentlich Skippa da Flippa war.")

Der Name des Tanzes soll aufs Kiffen verweisen - umgangssprachlich heißt eine entsprechende Rauchtechnik "Dabbing". Nach dieser Lesart wird die angedeutete Geste des Niesens verdrängt von der des Hustens. So oder so hat die Kopf-Armbeuge- Kombination etwas überraschend Wohlerzogenes. Heute braucht es kaum mehr einen Anlass für einen Dab außer dem, dabben zu wollen. Zumeist wird er aber als lässige Geste des Triumphs gebraucht. Der amerikanische Football-Spieler Cam Newton dabbte kameratauglich nach Touchdowns, der französische Fußballer Paul Pogba nach Toren, die weißrussische Tennisspielerin Victoria Azarenka nach einem Sieg bei den Australian Open.

Praxisnah hat ein elf Jahre alter Junge namens Lorenzo die Bedeutung und den Geist des Dabbens umrissen. In einem Zeitungsbeitrag wurde er zitiert mit diversen Anwendungsbeispielen: "Wenn ich den Bus gerade noch so erwischt habe, in dem meine Mitschüler sitzen: Dab." Wenn er beim Fußball jemanden getunnelt habe. "Da finde ich, ist er eine gute Lösung. Dann heißt er: Du hast kassiert, aber nimm's nicht so hart." Weil der ehemals subkulturelle Dab längst zum Mainstream gehört, sind auch Abwandlungen der Grundidee populär. Etwa die selbstironischen bis peinlichen Videos von Dabbenden, die dafür eigentlich als zu spießig oder zu alt gelten (Anzugträger, Opas, Hillarys). Nicht mehr oft dürfte der Tanz hingegen in Atlantas Hinterhöfen getanzt werden. Aber auch hiesige Dabber sind vom omnipräsenten Erfolg des Tanzes genervt. Lorenzo: "Ich kenne Leute, die dabben ständig. Ich dabbe nicht viel. Alle zwei Tage mal, ungefähr."

Noch aber hält sich der Hype. Und so wäre es schon ein Wunder, wenn der Bundestagswahlkampf dieses Jahr tatsächlich ohne einen dabbenden Martin Schulz vorübergehen sollte.

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