Gesellschaft - Rostock:Wenig Nachfrage nach Geschlechtseintrag "divers"

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Rostock (dpa/mv) - Der vor mehr als einem Jahr eingeführte Geschlechtseintrag für intersexuelle Menschen ist in Mecklenburg-Vorpommern kaum gefragt. In der Landeshauptstadt Schwerin hat noch niemand beantragt, die Angabe zum Geschlecht in "divers" zu ändern. Eine Umfrage der Deutschen Presse-Agentur bei den Standesämtern ergab weiter, dass in Rostock bislang vier Erklärungen nach § 45b des Personenstandsgesetzes abgegeben wurden. In Stralsund, Parchim und Waren/Müritz hat jeweils eine Person im Standesamt ihre Geschlechtseintragung in "divers" ändern lassen. In Neubrandenburg und Wismar wurden keine solchen Erklärungen beurkundet.

Der Bundestag hatte die Einführung des neuen Geschlechtseintrags Mitte Dezember 2018 beschlossen - verkürzt ist in diesem Zusammenhang oft vom "dritten Geschlecht" die Rede. Das Parlament setzte eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts um. Eine Kampagnengruppe um die intersexuelle Vanja aus Leipzig hatte zuvor geklagt.

Bei intersexuellen Menschen sind die Geschlechtsmerkmale nicht eindeutig ausgeprägt. Die Schätzungen zur Zahl der Betroffenen gehen stark auseinander. Das Bundesverfassungsgericht berief sich 2017 in seinem Beschluss zum Thema auf eine Quelle, der zufolge es bundesweit etwa 160 000 Intersexuelle geben könnte.

Wie die Sprecherin des Ministeriums für Soziales, Integration und Gleichstellung, Claudia Gerloff, sagte, ist das "Gesetz zur Änderung der in das Geburtenregister einzutragenden Angaben" für intersexuelle Menschen von sehr großer Bedeutung: "Es stärkt ihr Selbstbestimmungsrecht und hilft dabei Benachteiligung und Diskriminierung zu reduzieren. Jeder intersexuelle Mensch kann also frei entscheiden, welcher Geschlechtsidentität er angehört."

Dennoch befürchten intersexuelle Menschen möglicherweise Nachteile, wenn sie ihren Geschlechtseintrag ändern lassen. Im Oktober 2019 hatte Sozialministerin Stefanie Drese (SPD) die Ergebnisse einer nicht repräsentativen Online-Umfrage zur Lebenssituation von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Trans*, Inter* und queeren Menschen (LSBTI*) in Mecklenburg-Vorpommern vorgestellt. Darin habe jeder zweite Befragte angegeben, aufgrund der eigenen sexuellen Orientierung beziehungsweise geschlechtlichen Identität negative Reaktionen wie Benachteiligungen, Ablehnungen oder Ausgrenzungen erfahren zu haben. Dabei seien Trans* und Inter* deutlich häufiger betroffen gewesen.

Das Ministerium für Soziales, Integration und Gleichstellung setzt sich nach eigenen Angaben für die gesellschaftliche Akzeptanz der unterschiedlichen sexuellen und geschlechtlichen Identitäten ein, dafür habe die Landesregierung bereits 2015 einen Landesaktionsplan veröffentlicht, der derzeit evaluiert werde. Die Beratungs- und Anlaufstellen würden zudem mit weiteren Mitteln gestärkt, sagte Ministeriumssprecherin Gerloff: "Ab 2020 sind 90 000 Euro zusätzlich für die Beratungs- und Anlaufstellen vorgesehen. Das bedeutet mehr als eine Verdopplung der Mittel auf 170 000 Euro im Jahr."

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