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Gesellschaft - Potsdam:Rechtsexpertin sieht Brandenburger Paritätsgesetz kritisch

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Potsdam (dpa) - Das Brandenburger Verfassungsgericht entscheidet am kommenden Freitag über das Paritätsgesetz. Das Gesetz verpflichtet Parteien dazu, ihre Kandidatenlisten bei Landtagswahlen mit abwechselnd gleich vielen Frauen und Männern zu besetzen. Die Rechtswissenschaftlerin Sophie Schönberger hat große Bedenken gegen diese Regelung. "Vor allen Dingen halte ich es für einen Verstoß gegen die passive Wahlrechtsgleichheit der Bewerber, wenn sie auf jedem zweiten Listenplatz von der Kandidatur ausgeschlossen sind", sagte die Professorin der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf der Deutschen Presse-Agentur in Potsdam.

Brandenburg war das erste Bundesland mit einem solchen Paritätsgesetz. Der Landtag stimmte im vergangenen Jahr mehrheitlich dafür, seit 30. Juni dieses Jahres ist es in Kraft. Dem Landesverfassungsgericht liegen zwei Klagen der NPD und der AfD vor, die durch das Gesetz die Freiheit der Wahl und die Organisationsfreiheit der Parteien gravierend beeinträchtigt sehen. Vier AfD-Landtagsabgeordnete haben Verfassungsbeschwerden eingelegt.

In mehreren Ländern wurde oder wird über eine Paritätsregelung diskutiert. Der Thüringer Verfassungsgerichtshof kippte im Juli die dortige Regelung im Landeswahlrecht, wonach Parteien ihre Kandidatenlisten für Landtagswahlen abwechselnd mit Männern und Frauen besetzen müssen. Die Richter argumentierten im Kern, dass das Paritätsgesetz das Recht auf Freiheit und Gleichheit der Wahl sowie das Recht der politischen Parteien auf Betätigungsfreiheit, Programmfreiheit und Chancengleichheit beeinträchtige.

Schönberger hält es für wahrscheinlich, dass das Paritätsgesetz auch in Brandenburg gekippt wird. "Natürlich ist jedes Verfassungsgericht in seinen Entscheidungen eigenständig", sagte die Rechtswissenschaftlerin. "Ich halte es aber für wahrscheinlich, dass das Brandenburger Verfassungsgericht ähnlich entscheiden wird."

Eine rechtlich zwingende paritätische - also gleichmäßige - Besetzung von Wahllisten halte sie "nicht für verfassungskonform herstellbar", sagte Schönberger. Man könne aber darüber diskutieren, ob der Bundesgesetzgeber auf der Ebene des Parteienrechts, also losgelöst von Wahlen, Gleichstellungsmaßnahmen vorschreiben könne, die mittelbar auch Rückwirkungen auf die Kandidatenaufstellung hätten.

Der Präsident des Brandenburger Verfassungsgerichts, Markus Möller, hatte bei der mündlichen Verhandlung im August kritische Fragen zu dem Gesetz gestellt. Er fragte etwa, ob man sich bei der Wahl nicht an dem Recht des Einzelnen, sondern an der Zugehörigkeit zu einer Gruppe orientieren könne - dies erscheine problematisch. Er verwies auch darauf, dass der zuständige Ausschuss 1991 die Aufnahme der Parität in die Landesverfassung abgelehnt habe.

Brandenburgs Landtagspräsidentin Ulrike Liedtke hatte das Paritätsgesetz verteidigt. Wenn die Hälfte der Bevölkerung Frauen seien, sei die gleichberechtigte Repräsentanz von Frauen ein demokratisches Gebot. Die Gleichstellungsbeauftragten von Brandenburg und Thüringen, Manuela Dörnenburg und Gabi Ohler, forderten am vergangenen Donnerstag gemeinsam, dass Männer und Frauen in den Parlamenten paritätisch vertreten sein sollten.

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