Gesellschaft - Jena:Queere Menschen: Hoffnung auf Toleranz und Sicherheit

Deutschland
Teilnehmer des letztjährigen CSD in Jena gehen über den Ernst-Abbe-Platz. Foto: Bodo Schackow/dpa-Zentralbild/dpa/Archivbild (Foto: dpa)

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Erfurt/Jena (dpa/th) - In Thüringen könnten in diesem Jahr neben Weimar, Erfurt, Jena, Gera und Altenburg weitere Städte zum Austragungsort für Christopher Street Days (CSD) werden. Interessensbekundungen und erste Planungsabsprachen für neue Standorte gebe es sowohl im Osten als auch im Westen des Freistaats, hieß es vonseiten der CSD-Bündnisse. "Es wird jedes Jahr mehr und darüber freuen wir uns sehr", sagte etwa Theresa Ertel vom CSD-Bündnis Jena.

Das Bündnis setzt sich für die gesellschaftliche Akzeptanz von queeren Menschen in Jena ein. Als queer bezeichnen sich nicht-heterosexuelle Menschen beziehungsweise Menschen, die sich nicht mit dem traditionellen Rollenbild von Mann und Frau oder anderen gesellschaftlichen Normen rund um Geschlecht und Sexualität identifizieren.

Der potenzielle Zuwachs bereitet Ertel aber auch Sorgen. Die Hoffnung sei, dass - anders als beim ersten Altenburger CSD 2021 - dann nicht erneut ein Großaufgebot der Polizei bei einer Demo für Gleichstellung, Akzeptanz und Vielfalt gebraucht werde. Das sei zum Glück in Jena nicht der Fall gewesen. Ein erstes Planungstreffen für 2022 ist in Jena für Donnerstagabend anberaumt.

In Altenburg steht der Termin für den kommenden Christopher Street Day bereits. Am 2. Juli soll zum zweiten Mal im Rahmen eines CSD an die Rechte von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Transgender, Intersexuellen und queeren Menschen erinnert werden (englische Abkürzung LGBTIQ*).

Veranstalter Torge Dermitzel hatte nach der Bekanntgabe des ersten CSD Hunderte Hassbotschaften und Morddrohungen in den Sozialen Netzwerken erhalten. "Auch im Nachhinein bekomme ich immer wieder Drohungen", sagt Dermitzel. Die Gemeinschaft in Altenburg sei daher vorrangig anonym aktiv.

Beleidigungen, Drohungen und Angriffe: Den Berichten der Bündnisse und Organisationen zufolge sind sie keine Einzelfälle in Thüringen. Queere Menschen seien auch heute noch Gefahren beziehungsweise Übergriffen ausgesetzt. Immer wieder berichteten Mitglieder über Benachteiligung, abfällige Kommentare und Ähnliches im Alltag, sagt auch Ertel.

Zuletzt hatten Unbekannte ein Banner des Bündnisses verbrannt. Der Vorfall stehe exemplarisch für "die vielen Gründe, weswegen Christopher Street Days heute noch notwendig sind", so Ertel. "Abgesehen von einer juristischen Gleichstellung, für die wir bis heute kämpfen müssen, haben wir für eine gesellschaftliche Gleichstellung noch viel vor uns."

Gewalttaten gegen Menschen der LGBTIQ*-Community sind auch für Franziska Schestak-Haase von der Beratungsstelle ezra nicht neu. "Beispiele dazu kennen wir aus Erfurt, Altenburg und nun auch Jena." Betroffen seien hier auch Aktive, die sich für die Interessen und Sichtbarkeit der Community einsetzen.

"In Thüringen haben wir so wahnsinnig viel zu tun", sagt Dermitzel. Insgesamt fehle es an "sicheren Räumen", in denen sich etwa queere Jugendliche angstfrei treffen und austauschen könnten. "Unfassbar viele Menschen" in Thüringen sind dem Veranstalter zufolge nicht sichtbar queer. Die eingeschränkte Sichtbarkeit habe vor allem mit einem Rückzug der Menschen aufgrund geringer Toleranz - insbesondere in ländlichen Regionen - zu tun.

Der CSD soll an die Rechte von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Transgender, Intersexuellen und queeren Menschen erinnern. Ende Juni 1969 stürmten Polizisten in New York die Bar "Stonewall Inn" in der Christopher Street und lösten einen Aufstand von Schwulen, Lesben und Transsexuellen gegen die Willkür aus.

© dpa-infocom, dpa:220331-99-738645/2

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