Gesellschaft - Essen:Wüst: "Armut hat viele Gesichter" - Neue Hilfen angekündigt

Gesellschaft - Essen: Ministerpräsident Hendrik Wüst während eines Pressestatements. Foto: Dieter Menne/dpa
Ministerpräsident Hendrik Wüst während eines Pressestatements. Foto: Dieter Menne/dpa (Foto: dpa)

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Essen (dpa/lnw) - Zur Bekämpfung von Armut will Nordrhein-Westfalen die von den aktuellen Preissteigerungen für Energie und Lebensmittel besonders Betroffenen mit dreistelligen Millionenhilfen unterstützen. Als ein erster Schritt sollten aus einem geplanten Sondervermögen zur Krisenbewältigung 150 Millionen Euro an Tafeln, Wohnungsloseneinrichtungen oder auch Schuldnerberatungen fließen, sagte Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) am Mittwoch bei einer Konferenz gegen Armut in Essen. Mit weiteren 60 Millionen Euro wolle man Kitas helfen, die explodierenden Energiekosten abzufedern, damit das Betreuungsangebot nach den pandemiebedingten Einschränkungen nicht erneut gekürzt werden müsse.

Zu der Armutskonferenz hatten Sozialminister Karl-Josef Laumann (CDU) und Familienministerin Josefine Paul (Grüne) alle relevanten Akteure - etwa Vertreter von Kommunen, Sozialverbänden, Kirchen, Wirtschaft und Gewerkschaften - eingeladen. Laumann betonte: "Wir wollen einen Neustart in der Armutsbekämpfung in Nordrhein-Westfalen." Auch wenn in den vergangenen Jahrzehnten viele Maßnahmen ergriffen worden seien, "ist das Problem nach wie vor sehr groß".

Laumann zufolge sind etwa drei Millionen Menschen in NRW von Armut betroffen. Das Problem sei in den Städten deutlich größer als auf dem Land. Die derzeitige Inflation mache sich bei Haushalten mit geringen Einkommen besonders gravierend bemerkbar. "Die Menschen, die jeden Euro umdrehen müssen, sind mehr geworden." Die Landesregierung wolle gegensteuern und dabei in "erheblichem Umfang einsteigen". Zum Ausschalten von Heizungen aus einer Notlage heraus dürfe es nicht kommen.

Kinder und Jugendliche gehörten bei der Armutsbekämpfung in den Mittelpunkt, mahnte Familienministerin Paul. Armut stelle das größte Zukunftsrisiko für junge Menschen dar. Sie gehe häufig einher auch mit Scham, beengten Wohnverhältnissen, das Geld für eine ausgewogene Ernährung und Freizeitaktivitäten fehle. Die aktuelle Krise dürfe nicht zur Krise der jungen Generation werden.

Wüst sagte, Armut habe viele Gesichter. Sie betreffe viele Alleinerziehende, ältere Menschen mit kleiner Rente, ebenso wie obdachlose oder arbeitslose Personen - und in diesen Zeiten auch viele Menschen aus der Ukraine, die vor dem russischen Angriffskrieg flüchteten. Armut sei mehr als "Mangel an Geld". Sie bedeute oft, dass gesellschaftliche Teilhabe nicht möglich sei und es zu Vereinsamung komme. Die Regierung habe die von der Krise besonders stark getroffenen Menschen fest im Blick. Laut Staatskanzlei handelt es sich bei den angekündigten beiden konkreten Hilfen um erste Maßnahmen, weitere seien in Vorbereitung.

Nach Worten des Städtetagsvorsitzenden Thomas Kufen werden Gas- und Strompreisbremse der Bundesregierung, Wohngeld und Heizkostenzuschuss vielen helfen. "Wichtig ist, dass die Menschen, die Anspruch auf soziale Leistungen haben, diese auch wahrnehmen und beantragen", unterstrich Kufen, der auch Oberbürgermeister in Essen ist. "Gehen Sie zu den Beratungsstellen der Städte, von Sozialdiensten, Kirchen oder den Verbraucherzentralen. Holen Sie sich die Unterstützung, die Sie brauchen", appellierte der CDU-Politiker. Das Land müsse die soziale Infrastruktur in den Städten weiter stärken. "Denn auch hier kommen hohe Energiepreise an." Wenn sich finanzielle Lücken bei den Einrichtungen bildeten, solle das Land diese schließen.

Die SPD forderte eine umfassende Strategie und beklagte einen "Tropfen auf den heißen Stein". Schwarz-Grün bekämpfe nur die Symptome von Armut, packe das Problem aber nicht an den Wurzeln, monierte die Oppositionsfraktion. Das Land müsse sich besser um frühkindliche Bildung kümmern, es brauche ein kostenloses Mittagessen für Kinder und Jugendliche in Kitas und Schulen, mehr Wohnraum, allgemeine Lernmittelfreiheit und veränderte sozialpolitische Strukturen für mehr Arbeit.

© dpa-infocom, dpa:221214-99-896888/6

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