Gesellschaft - Dresden:Dresden gedenkt ermordeter Muslima: Mahnung zu Zivilcourage

Dresden (dpa) - Weiße Rosen, stilles Gedenken und ein Ehrenpreis: Zum zehnten Mal hat Dresden der aus Fremdenhass ermordeten Ägypterin Marwa El-Sherbini gedacht. Zahlreiche Menschen erinnerten am Montag im Landgericht an die Bluttat, die 2009 das ganze Land erschütterte. Sie legten an der Gedenkplakette im Foyer weiße Rosen nieder. Die islamfeindliche Straftat stehe in der langen Geschichte des rechtsradikalen Terrorismus der Bundesrepublik, sagte der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime in Deutschland, Aiman Mazyek, und warnte: "Der Rechtsterrorismus ist eine Bedrohung für die gesamte Gesellschaft." Der Zentralrat vergibt künftig am Jahrestag des Verbrechens den El-Sherbini-Preis für Zivilcourage.

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Dresden (dpa) - Weiße Rosen, stilles Gedenken und ein Ehrenpreis: Zum zehnten Mal hat Dresden der aus Fremdenhass ermordeten Ägypterin Marwa El-Sherbini gedacht. Zahlreiche Menschen erinnerten am Montag im Landgericht an die Bluttat, die 2009 das ganze Land erschütterte. Sie legten an der Gedenkplakette im Foyer weiße Rosen nieder. Die islamfeindliche Straftat stehe in der langen Geschichte des rechtsradikalen Terrorismus der Bundesrepublik, sagte der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime in Deutschland, Aiman Mazyek, und warnte: "Der Rechtsterrorismus ist eine Bedrohung für die gesamte Gesellschaft." Der Zentralrat vergibt künftig am Jahrestag des Verbrechens den El-Sherbini-Preis für Zivilcourage.

Die Pharmazeutin hatte damals einen jungen Mann wegen rassistischer Beleidigungen angezeigt. In der Berufungsverhandlung am 1. Juli 2009, in der sie als Zeugin aussagte, stach der Angeklagte die schwangere 31-Jährige mit einem Messer nieder und verletzte auch ihren Mann schwer - vor den Augen ihres dreijährigen Sohnes. Die Bluttat löste Entsetzen in Deutschland und Proteste in der islamischen Welt aus. Der Täter wurde später wegen Mordes zu lebenslanger Haft verurteilt. Jeweils am 1. Juli um 13.00 Uhr, dem Tatzeitpunkt, versammeln sich Vertreter der Justiz, Verwaltung und Politik, Muslime und Bürger im Gerichtsfoyer.

Ihr Tod mahne zu mehr Wachsamkeit und Widerstand gegen tendenziellen und offen gelebten Rassismus sowie Islamfeindlichkeit in der Gesellschaft, sagte Mazyek. Er forderte Verfassungsschutz und Sicherheitsbehörden auf, dem Rechtsterrorismus in Deutschland "noch genauer ins Auge zu sehen", Netzwerke nicht länger zu ignorieren, zu verharmlosen oder wegzusehen. Der Rechtsstaat, Repräsentanten und Organe müssten sich stärker damit auseinandersetzen.

Der Zentralrat fordert Kommissionen in den Parlamenten, die sich mit der "alarmierenden Zahl" der Angriffe auf Muslime und deren Einrichtungen beschäftigen. "Wir brauchen einen Bundesbeauftragten für muslimfeindliche Straftaten", sagte Mazyek. "Muslimfeindlichkeit ist eine Variation der Menschenfeindlichkeit." El-Sherbini habe sich gegen Rassismus gewehrt und das mit ihrem und dem Leben ihres ungeborenen Kindes bezahlt. "Sie ist in unseren Augen eine Heldin der Zivilcourage."

Der nach ihr benannte Preis wurde zum Jahrestag erstmals vergeben, an Mevlüde Genç aus Solingen und Farid Ahmad aus Christchurch (Neuseeland). Beide hätten durch antimuslimischen Rassismus und Hass geliebte Menschen verloren, aber mit Versöhnung und Zusammenhalt geantwortet, sagte Mazyek. Die Verleihung werde am Jahresende erfolgen.

Genç hatte im Mai 1993 bei einem rechtsradikalen Brandanschlag auf ihr Haus in Solingen zwei Töchter, zwei Enkelinnen und eine Nichte verloren. Sie sei Hass und Zerstörung mit Barmherzigkeit und Versöhnung begegnet, das mache sie zu einer "Botschafterin des Friedens und der Zivilcourage", sagte Mazyek. Ahmad verlor bei dem Anschlag auf zwei Moscheen in Christchurch im März 2019 seine Frau. Seine Vergebung zeuge von menschlicher Größe und Entschlossenheit, dem Täter mit Humanität zu begegnen.

Nach Angaben von Mazyek leben Marwas Mann und Sohn seit einigen Jahren in den USA. Der Junge sei 13 Jahre alt und gehe in die sechste Klasse. "Er wird bald anfangen, über das Geschehen nachzudenken." Der Witwer versuche noch immer, Abstand zu gewinnen. Der Mikrobiologe war damals Doktorand an einem Dresdner Max-Planck-Institut.

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