Gesellschaft - Berlin:Lesen unterm Sonnenschirm: Bibliotheken ziehen erste Bilanz

Berlin
Regale voller Bücher stehen in der Zentral- und Landesbibliothek Berlin. Foto: Annette Riedl/dpa (Foto: dpa)

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Berlin (dpa/bb) - Die Corona-Pandemie hat auch die öffentlichen Bibliotheken Berlins vor große Herausforderungen gestellt. Allerdings blicken sie auch positiv auf das Krisenjahr zurück. "Wir haben in diesem Jahr viele gute Ideen entwickelt", sagte die Sprecherin der Zentral- und Landesbibliothek Berlin (ZLB), Anna Jacobi, der Deutschen Presse-Agentur. Die Wiese vor der Amerika-Gedenkbibliothek sei in den Sommermonaten zur Frischluftbibliothek umfunktioniert worden, mit WLAN, Tischen, Stühlen, Liegestühlen und sogar Sonnenschirmen. Unter freiem Himmel wurde unter anderem ein zusätzliches Sortiment an Tageszeitungen angeboten, sagte Jacobi.

Die öffentlichen Bibliotheken in Berlin mussten im ersten Lockdown von März bis Mai schließen. Seit dem 11. Mai waren die meisten Büchereien wieder geöffnet - allerdings mit eingeschränkten Angeboten und verkürzten Öffnungszeiten. Veranstaltungen konnten ebenfalls nur sehr eingeschränkt und mit wenig Gästen bis Anfang November oder online stattfinden.

Die Betreiber machten aus der Not eine Tugend: Ein wichtiger Bestandteil der Arbeit der ZLB sind laut Sprecherin Jacobi die Beratungsangebote, etwa wenn Schüler für Arbeiten Hilfe bei der Fachrecherche benötigen. Da dieses Angebot während der Schließung und auch derzeit nicht möglich ist, seien die telefonischen Angebote und Onlineberatungen ausgebaut worden.

Die Nutzerzahlen seien wegen der Pandemie in diesem Jahr natürlich zurückgegangen, sagte Jacobi. Die Besucher nutzten die ZLB normalerweise als Ort zum Arbeiten oder nähmen die Sprechstunden und Workshops wahr. Die Kinder- und Jugendbibliothek wurde vor dem Lockdown morgens immer von Kita- und Schulklassen besucht. In den Vorjahren zählte die ZLB an den beiden Standorten, der Amerika-Gedenkbibliothek in Kreuzberg und der Berliner Stadtbibliothek in Mitte, rund 1,5 Millionen Besucher. In diesem Jahr rechnet die ZLB durch Schließung und Einschränkungen im Zugang mit etwa 850 000 Besuchen.

Anders als die Besucherzahl stieg die Nachfrage beispielsweise nach den Angeboten der Digitalen Landesbibliothek um rund 40 Prozent. Besonders beliebt seien wieder die alten Berliner Adressbücher, sagte Jacobi. Schriftsteller recherchierten dort alte Straßennamen und Anwohner die Geschichte ihres Hauses.

Der Verbund der Öffentlichen Bibliotheken Berlins (VÖBB) verzeichnete in diesem Jahr ebenfalls einen deutlichen Nutzungszuwachs von 37 Prozent bei den Online-Angeboten, sagte Moritz Mutter, Projektleiter "Digitale Welten" im VÖBB-Servicezentrum. Rund 6,1 Millionen Abrufe von E-Books, Filmen, Musik und E-Learning seien gezählt worden - 1,7 Millionen mehr als im Jahr zuvor. Der Verbund, zu dem 81 Bibliotheksstandorte inklusive Fahrbibliotheken zählen, stockte in der Krise seinen Bestand an E-Books und E-Audiobüchern weiter auf. Darüber hinaus führte der Verbund im ersten Lockdown einen kostenlosen digitalen Bibliotheksausweis ein. Rückgabezeiten für Bücher wurden verlängert, Lesungen kurzerhand ins Netz verlegt.

Die Staatsbibliothek zu Berlin, eine der bedeutendsten Bibliotheken weltweit, hat in der Krise keine neuen Formate entwickelt. Es sei wichtiger gewesen, "das stets sehr gute Angebot auf dem gewohnten Level zu halten", sagte eine Sprecherin der wissenschaftlichen Bibliothek. Der große Lesesaal in der Potsdamer Straße stehe den Nutzern weiterhin offen. Bis zu 300 Besucher könnten gleichzeitig den Saal nutzen. Auf die Frage, ob die neuen Angebote der öffentlichen Büchereien fortgeführt werden, antworteten die Zentral- und Landesbibliothek Berlin und der Verbund der Öffentlichen Bibliotheken Berlins mit einem klaren "Ja!". Der VÖBB wolle auch weiterhin hybride Formate, also teils online, teils vor Ort, anbieten. Die ZLB möchte unter anderem die Frischluftbibliothek wieder öffnen.

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