Geschmackssache: Tintenfisch:Wer ist eigentlich Paul?

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In den letzten Wochen bewegte ein Tintenfisch namens Paul die Nation - auch seine Kollegen sind im Sommer sehr gefragt: als Speise.

Marten Rolff

Tintenfische gelten unbestritten als die intelligentesten aller Weichtiere. Doch in den letzten Wochen hat man bei den zahllosen Fähigkeiten, die ihnen zugeschrieben werden, dann doch etwas übertrieben. Da starrte die fußballverrückte Nation fasziniert auf das Sealife-Aquarium in Oberhausen, wo der Krake Paul vor jedem Deutschlandspiel zwischen zwei beflaggten Futterboxen hin und her tentakelte, um sich als WM-Orakel zu versuchen. Über all die Aufregung (,,Irre, Paul lag immer richtig!'') hat man dann offenbar völlig vergessen, dass die beiden Orte, an denen Tintenfische am besten aufgehoben sind, sicher nicht Aquarium und Sportschau heißen, sondern Ozean und Edelstahlpfanne.

Der berühmteste Tintenfisch Deutschlands - Paul ist jetzt schon eine Ikone. (Foto: afp)

Frechheit!, werden sich nun alle Weichtierfreunde entrüsten, man kann doch den Paul nicht einfach braten, nur weil er die deutsche Niederlage gegen Spanien vorhergesehen hat. Schließlich sagte schon der weise Sophokles: ,,Töte nicht den Boten!'' Nein, nein, muss man da entgegnen, Paul hat zwar unfassbar genervt, aber keiner würde ernsthaft einen Tintenfisch braten, nur weil der eine schlechte Nachricht überbracht hat. Er kommt nur in die Pfanne, weil er ein delikates und kalorienarmes Sommergericht ist, das perfekt zum heißen Finalwochenende mit spanischer Beteiligung passt. Vor dem Viertelfinale gegen Deutschland haben argentinische Zeitungen übrigens vorgeschlagen, den Kraken Paul, weil der einen deutschen Sieg prophezeite, mit Olivenöl, Salz und Kartoffeln zuzubereiten. Dagegen aber spricht ein wichtiger Grundsatz aller Gourmets: Selbsthass ist kein guter Küchenmeister, und nur der schlechte Verlierer bestraft sich anschließend mit einem langweiligen Essen.

Das höchstens im Ansatz brauchbare Rezept der Argentinier lässt sich aber mit etwas Petersilie, Knoblauch, Pfeffer und Zitrone aufpeppen; zudem sollte man Baguette statt Kartoffeln reichen und nicht den achtarmigen Oktopus, sondern zehnarmige, kleinere Sepia verwenden - ein spanisches Rezept selbstverständlich. Wem Krake besser schmeckt, sollte dagegen aufs Braten verzichten und ihn lieber in Wasser mit Zwiebeln und Lorbeer für mindestens 45 Minuten weichkochen. In Stücke geschnitten, schmeckt er mit Olivenöl, Meersalz, wenig Knoblauch und viel pikantem Paprikapulver - Pulpo Gallego kann man auch lauwarm im Garten servieren.

Paul wird dann an diesem Freitag wohl schon weiter orakeln. Vielleicht sollte sich Oberhausen ja einfach mal Oktopus zum Frühstück gönnen.

© SZ vom 09.7.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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