Geschmackssache:Dosenbier

Dosenbier ist keine Frage des Geschmacks, sondern eine der Überzeugung. Der Liebhaber sollte sich also immer zu verteidigen wissen.

Marten Rolff

Was genau macht den Geschmack von Dosenbier aus? Nachlesen kann man das bei Jürgen Kron, der 1998 für ein Buch einmal 80 Dosenbier-Sorten getestet hat. Bitburger etwa, so glaubte Kron, schmecke "vollmundiger als die verschwitzten Küsse nach einem Tor von Andy Möller". Alles klar? Von Deutschlands offiziellem Sixpack-Magazin Maxim gab es für dieses Urteil immerhin den Titel "Dosenbierpapst". Was viele geärgert haben dürfte. Denn Bier muss für die Dose pasteurisiert, also auf 70 Grad erhitzt werden. Aromamäßig "ein Generalverbrechen", wie Hardliner seit 75 Jahren referieren.

Bierdosen

Das aromatische "Generalverbrechen" Dosenbier: Die Pasteurisierung erfordert eine Erhitzung auf 70 Grad.

(Foto: ag.ap)

Dosenbier war eben noch nie eine Frage des Geschmacks, sondern immer eine der Überzeugung. Und nun, wo die Dose wieder da ist, weil einige Discounter die Fußball-WM als Vorwand nutzen, die Regale billig zu füllen, wird dieser Frage niemand mehr ausweichen können. Einfach ein paar schnelle Biere einpacken, nur um beim Public Viewing problemlos versorgt zu sein? Völlig ausgeschlossen! Denn keinem wird in Deutschland mehr Haltung abverlangt als dem Dosenbiertrinker.

Sieben Jahre nach Einführung des Dosenpfandes sollte er sich deshalb zuerst darüber im Klaren sein, ob er eine ironische Distanz zu seiner Existenz als Ökosau pflegt. Oder ob er lieber als sensibler Logistiker gesehen wird, der die umweltfreundlichen Neuerungen in der Verpackungsindustrie verantwortungsvoll verfolgt und ergo die Dose zu verteidigen weiß. Klar ist: Alu-Exegeten und Weißblech-Laberer werden beides vor dem ersten Schluck verlässlich abfragen. Um sogleich zur popkulturellen und sozialen Verortung des Dosenbiertrinkers überzuleiten.

Also: Punk oder Hartz IV? Und wenn Hartz IV: Astra oder Hansa? Und wenn Astra (Slogan: "Was dagegen?"): Drückt das eine Protesthaltung gegen die neoliberale Klientel-Politik der FDP aus? Das sollte man als Dosenkonsument ebenso stilsicher kommentieren können wie die sehnsuchtsvollen Erinnerungen aller Ostalgiker, die die Dose noch als glitzerndes Symbol des Kapitalismus werten.

Auf solche Ausführungen darf man derzeit übrigens antworten mit: "Guck ma, der Schweinsteiger, geiler Pass, Alter!" Insgeheim wissen wir: Eine Dose ist eine Dose. Alle anderen sind Flaschen.

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