Generation 50 plus:Männer altern anders

Das Alter ist die größte Kränkung des Mannes. Sich damit auseinanderzusetzen, seine größte Herausforderung. Der Sozialwissenschaftler Eckart Hammer hilft ihm dabei.

Violetta Simon

Alle wollen es werden, doch niemand will es sein. Alt sind immer nur die anderen. Das mag daran liegen, dass man sich so ungern mit dem Begriff identifiziert. Nie war altern so negativ besetzt wie heute: Wer alt ist, gehört nicht mehr dazu. Alt sein ist unattraktiv. Unmännlich obendrein.

Johannes Heesters

"Jopi" Heestars gilt als der weltweit älteste aktive Bühnen-Künstler.

(Foto: Foto: dpa)

Als Fußballer gilt man mit 30 als alt, in der EDV-Branche mit 35. 42-Jährige laufen auf dem Arbeitsmarkt unter "alte Arbeitnehmer", mit 50 ist man faktisch nicht mehr vermittelbar. Ungeachtet dessen werden wir immer älter - es gilt also, die verbleibende Zeit sinnvoll zu gestalten. Vielleicht ist das der Grund, warum Johannes Heesters auch mit über 100 Jahren noch auf der Bühne steht und Karell Gott mit 70 noch Vater wurde.

Doch was genau wissen wir über den Mann ab 50? Dieser Frage geht Eckart Hammer in seinem neu erschienen Buch "Männer altern anders" auf den Grund. Der Sozialwissenschaftler reflektiert, was es in der heutigen Gesellschaft für einen Mann bedeutet, älter zu werden. Und stellt zwei Dinge fest:

1. Männer altern anders als Frauen. Durch die stärkere Identifikation mit dem Beruf erfahren sie den Austritt aus dem Berufsleben einschneidender als Frauen, die durch ihre verschiedenen Aufgaben sozial besser eingebunden sind. Auch das Verhältnis zum Körper ist anders: Während sich Frauen schon früh mit ihrer Gesundheit auseinandersetzen, verstehen Männer ihren Körper als Resource, der erst Beachtung findet, wenn er nicht mehr richtig funktioniert.

2. Jeder Mann altert auf seine Weise. Wichtig dabei ist, dass er es mit der richtigen Einstellung tut. Die Voraussetzung dafür sind die fünf Säulen der Identität: Arbeit, Familie und Freunde, Gesundheit, materielle Sicherheit, Werte.

Ein Opa ist eben kein alter Mann

Vor 50 Jahren war das Alter noch klarer umrissen. Der Begriff "Senioren" stand für eine feste Lebensform. Der Opa war ein älterer Herr, ein Rentner hatten nicht nur ein gewisses Alter - er verhielt sich auch so. Heutzutage hat so mancher Großvater kaum mehr Zeit für seine Enkel, weil er ständig unterwegs ist, und immer mehr lebenslustige Pensionäre verbringen die Wintertage auf Teneriffa, statt sich im Pfarrheim zum Bingo zu treffen.

Die Generation der 50-Jährigen lebt diesen Trend entsprechend vor: Der eine läuft seinen ersten Marathon, der andere kauft sich ein teures Auto, der nächste sucht sich eine junge Partnerin.

All das führt zu einer veränderten Wahrnehmung der älteren Generation. Der Frührentner von nebenan, dessen Leben sich vorwiegend daheim abspielt und der seinen Alltag als "Lebensabend" bezeichnet, existiert noch immer - nur nicht in den Medien. Der Witwer, der - dement, hinfällig und einsam - im Pflegeheim wartet und nicht weiß worauf, ist Realität - passt aber nicht in unsere Vorstellung vom eigenen Lebensabend.

"Die Alten" gibt es nicht mehr

"Es macht längst keinen Sinn mehr, von den Alten zu reden", erklärt Hammer. "Wir müssen uns immer wieder neu verständigen, von wem gerade die Rede ist." Entsprechend zahlreich sind die Wortschöpfungen, die diese facettenreiche Gruppe beschreibt: die jungen Alten, die alten Alten, die Fitten, die Abhängigen, die Slow-Goes, die Grufties, die Selpies (second life people).

In seinem Buch beschreibt Hammer deshalb auch nicht das Alter an sich, sondern lässt fünf Männer zu Wort kommen, die fünf ganz unterschiedliche Lebenslagen repräsentieren.

Da ist der ehemalige Manager eines Konzerns, der darunter leidet, dass er mit 56 beruflich nicht mehr gefragt ist. Oder der 70-Jährige, der nach seiner Scheidung neue Kontakte knüpft, seine Interessen auslebt und mit der neuen Lebensgefährtin ein Haus kauft. Da wäre noch der Handwerker, der nie Zeit hatte zu leben und nun, mit 79, seine kranke Frau pflegt. Oder der ehemalige Bauarbeiter, der mit 70 von einer kleinen Rente in einer Zwei-Zimmer-Wohnung lebt und keinen Kontakt mehr zu seinen Kindern hat. Und der gebürtige Rumäne, der sich in Deutschland eine Existenz aufbaute und eine Familie gründete. Nun, mit 69 Jahren, weiß er nicht, wo er seinen Lebensabend verbringen soll.

Zeit des Abschieds, Zeit des Wandels

Ein besonders harter Einschnitt im Alter ist der Eintritt in den Ruhestand - viele Männer verwechseln Kollegen mit Freunden und stehen plötzlich alleine da. Die Ehefrau wird plötzlich zur wichtigsten Bezugsperson. Je nachdem, wie unabhängig sie bisher ihr eigenes Leben gelebt hat, kann das von Vorteil oder von Nachteil sein. Jeder kennt Loriots Film "Papa ante Portas", in dem der Protagonist nach seinem Ausscheiden aus dem Berufsleben versucht, sich zu Hause nützlich zu machen. Leider ist er dort nicht erwünscht. Speziell beruflich stark engagierte Männer sind zwar abends und am Wochenende gern gesehen - unkomplizierter aber ist es oft ohne sie.

Ein weiterer Einschnitt kann aber auch die Trennung von der Ehepartnerin sein, die Umorientierung hin zu sich selbst, zum Freundeskreis, zu einer neuen Partnerschaft oder zur restlichen Familie.

Mit anderen Worten: Das Älterwerden birgt zahlreiche Stolperfallen, aber auch ebenso viele Möglichkeiten: Es kann neue Perspektiven und damit Freiheiten eröffnen, die eine persönliche Entwicklung nach sich ziehen. Älterwerden bringt auch körperliche und seelische Krisen mit sich. Diese Schattenseiten sollten Männer nicht verdrängen, wenn sie damit klar kommen wollen.

Der Autor bringt es auf den Punkt: "Das Alter ist die größte Kränkung des Mannes". Diese Angst kann nur überwinden, wer sich mit beiden Seiten auseinandersetzt.

Eckart Hammer hat dieses Buch über Männer aus Sicht des Mannes geschrieben. Doch ist es auch ein Buch für Frauen, die wissen wollen, wer der Mann an ihrer Seite eigentlich ist.

Das Buch "Männer altern anders" ist erschienen beim Herder Verlag. Der Autor Eckart Hammer ist Professor für Sozialpädagogik und Sozialwissenschaften und lehrt an der FH Ludwigsburg Gerontologie.

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