Süddeutsche Zeitung

Gefühltes Alter:Endlich wieder 49!

Der 69-jährige Niederländer Emile Ratelband würde sich in seinem Pass gerne 20 Jahre jünger machen. Und hat er nicht recht? Warum beim tatsächlichen Alter bleiben, wo doch sonst alles austauschbar ist?

Von Hannes Vollmuth

Es gibt Dinge auf dieser Welt, die sind im ersten Moment sehr einleuchtend, im zweiten aber schon gar nicht mehr. Der Niederländer Emile Ratelband zum Beispiel ist am 11. März 1949 geboren, in der Stadt Arnhem, Provinz Gelderland, was gleich noch eine Rolle spielt. Nicht geboren ist Emile Ratelband am 11. März 1969, also 20 Jahre später, eine einfache Tatsache, die Ratelband aber nicht mehr schlafen lässt. Denn Emile Ratelband fühlt sich jünger, 20 Jahre jünger, und will deshalb sein gefühltes Alter im Pass stehen haben: Endlich wieder 49! Doch das ist nicht so einfach. Das Standesamt von Arnhem hat ihm den Wunsch erst einmal versagt. Woraufhin Ratelband Klage einreichte.

Es verhält sich nämlich, dass Ratelband mit seinen tatsächlichen 69 Jahren nur noch schlechte Chancen auf Tinder hat, das sagt er selbst. Tinder ist ein Kuppelportal, auf dem Menschen in aller Kürze die Fakten und die Optik potenzieller Sexual- und Lebenspartner checken können, und 69 Jahre ist offenbar kein guter Fakt. Für sein Pass-Anliegen hat er auch zwei Argumente: Er fühle sich nicht nur viel jünger, auch sein persönlicher Arzt habe ihm das attestiert. Und kann man inzwischen nicht alles ändern lassen? Kann das Standesamt Arnhem ihm, dem Motivationstrainer und Erfinder des Mottos "Tsjakkaa - Du schaffst es!" wirklich ernsthaft verbieten, sein Alter anpassen zu lassen? Unfair! Da hat der schon Recht, der Herr Motivationstrainer.

Der Mensch ist doch längst so frei. Frei, frei, frei. Wofür sonst wurde Botox erfunden? Bleaching? Zahnspangen? Brustvergrößerung bzw. -verkleinerung? Toupets? Photoshop? Redet Karl Lagerfeld noch übers schnöde Alter? Und heißt Cat Stevens nicht längst Yusuf Islam? Eben. Wie könnte man Emile Ratelband seinen Wunsch abschlagen, diesem Kämpfer für die Selbstbestimmung des Menschen? Diesem Widersacher des Todes. Des Todes, der als Spielverderber am Ende alles festlegen will, alle Optionen so entsetzlich zusammenschnurren lässt. In vier Wochen entscheiden also die Richter in der Causa des 69- bzw. 49-Jährigen.

Tsjakkaa, du schafft es Emile! Kleinigkeit noch: Welches Geburtsdatum soll denn jetzt auf deinem Grabstein stehen?

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