Süddeutsche Zeitung

Gedenktag für Hannelore Kohl:Einer fehlt

Die Familie Kohl stand einst für das perfekte Familienbild. Bei der Gedenkfeier für Hannelore Kohl zeigte sich: Heute wollen sich der Einheitskanzler und seine Söhne nicht einmal mehr die Mühe geben, wie eine harmonische Familie zu wirken - Helmut Kohl bleibt der Gedenkfeier für Hannelore Kohl fern.

Marc Widmann

Einst war die Familie Kohl äußerst bedacht auf harmonische Bilder. In einem Schlauchboot im Wolfgangsee ließ sie sich ablichten, oder beim gemeinsamen Brettspiel am Wasser. Besäßen die Kohls ein Familienalbum, es wäre voll von solchen Aufnahmen. Sie zeigen eine heile Welt. Sie zeigen, wie sehr man sich irren kann beim Betrachten von Bildern.

Am Dienstagabend wurden wieder Fotos gemacht in der Dreifaltigkeitskirche von Speyer. Ein Gedenkkonzert fand statt zum zehnten Todestag von Hannelore Kohl, organisiert von ihrer Stiftung, ihr Sohn Walter hielt eine Rede und sagte: "Einige Dinge werden vielleicht niemals komplett geheilt."

Keine Harmonie - nicht mal für Fotos

Doch einer fehlte: Helmut Kohl, der Ehemann, der Kanzler der Einheit. Ein paar Tage zuvor war er noch ins Frankfurter Fußballstadion gekommen, zum Spiel der deutschen Frauen gegen Nigeria, "enttäuschend" fand er es. So sahen manche auch sein Fernbleiben in Speyer.

In der Familie Kohl bemüht man sich längst nicht mehr um Harmonie. Nicht mal für die Fotos.

In der Nacht zum 5. Juli 2001 nahm sich Hannelore Kohl das Leben, sie schluckte eine Überdosis Schlaftabletten. Sie starb allein in ihrem Bungalow in Oggersheim und hinterließ einen Brief an ihren Mann: "Ich liebe Dich und bewundere Deine Kraft." Darunter setzte sie eine Schlangenlinie. Er nannte sie Schlänglein.

Sie litt an einer Lichtallergie, die so schlimm war, dass sie am Ende nicht einmal den Schein des Fernsehgeräts ertrug. Doch war es wirklich das Licht? Oder litt sie nicht vielmehr an ihrem Leben?

Diese eigentlich sehr intime Frage wird nun wieder diskutiert, öffentlich, da der Journalist Heribert Schwan ein Buch über sie veröffentlicht hat. Es steht auf Platz eins der Bestseller-Listen und porträtiert Hannelore Kohl als todtraurige, einsame Frau.

Auch ihr Sohn Walter hat sich die Leidenszeit mit seinem Vater von der Seele geschrieben, hat Selbstmordgedanken nicht verschwiegen. Er glaube, schreibt er, dass seine Mutter das Licht in einer "psychologischen Symbolik" scheute: "Sie konnte und wollte ihr Leben nicht offen und ehrlich, eben bei Licht, betrachten."

Helmut Kohl hat sich mit der Stiftung seiner Frau überworfen, wie mit seinen Kindern. Er will offenbar nicht neben seinem Sohn fotografiert werden, der solch öffentliche Worte fand. Nicht mehr.

Der 81-Jährige besuchte am Dienstag das Grab seiner Frau. Sein Büro teilte mit, er habe dort Blumen niedergelegt.

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Quelle:
SZ vom 06.07.2011
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