Geburtstag des Ampelmännchens:50 Jahre Rot-Grün

Eine Zeitlang sah es so aus, als würde es dieses Jubiläum nicht mehr erleben: Das Ampelmännchen wird 50 Jahre alt - und ist längst eine Kultfigur. Auf Ampeln in ganz Deutschland gibt es den Schritt vor, T-Shirts adelt es zum Modeobjekt. Das rot-grüne Verkehrszeichen hat eine Menge Konkurrenten - und endlich auch eine Frau.

Lena Jakat

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Ein stummer Mann mit Hut feiert Jubilaeum

Quelle: dapd

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Eine Zeitlang sah es so aus, als würde es dieses Jubiläum nicht mehr erleben: Das Ampelmännchen wird 50 Jahre alt - und ist längst eine Kultfigur. Auf Ampeln in ganz Deutschland gibt es den Schritt vor, T-Shirts adelt es zum Modeobjekt. Das rot-grüne Verkehrszeichen hat eine Menge Konkurrenten - und endlich auch eine Frau.

Vor 50 Jahren wird im Verkehrsministerium der DDR ein neuartiges Lichtsignal für Fußgänger vorgestellt: Der Ampelmann. Er ist das Kind einer fortschrittsskeptischen Zeit: Tief im Westen sangen Simon and Garfunkel vom "Neon-Gott".

Im sozialistischen Teil Deutschlands trieb die Bürokraten die Sorge um, dass sich im hellen Schein der vielen neuen, bunten Leuchtreklamen die runden Scheiben der Ampelanlagen nicht mehr so gut unterscheiden lassen könnten. Besonders Fußgänger sah man gefährdet. Folgerichtig wurde eine fachkundige Stelle beauftragt, eine Lösung für das Problem zu ersinnen: der "Medizinische Dienst des Verkehrswesens der DDR - Direktion Berlin". Ihr Leiter sollte als Vater des Ampelmännchens in die (ost-) deutsche Kulturgeschichte eingehen.

Später Ruhm mit grünem Männchen

Quelle: dpa

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Der Verkehrspsychologe Karl Peglau erfand auf staatliche Weisung hin das rundliche Männchen. Dass der Lotse mit Hut eine bessere Wirkung gerade auf Kinder haben würde, daran zweifelte Peglau schon damals nicht. Später schrieb er in feinstem Beamtendeutsch: "Bekanntlich erzielen angenommene und gerngesehene Verhaltenssymbole eine höhere Bereitschaft zur Einhaltung ihrer Regelungsabsichten."

Über großes zeichnerisches Talent verfügte Peglau allerdings nicht, und so war es seine Sekretärin Anneliese Wegner, die erste Entwürfe des Ampelmanns zu Papier brachte. Am 13. Oktober 1961 stellte ihr Chef die neuen Lichtsignale den obersten Verkehrspolitikern der DDR vor.

Ein stummer Mann mit Hut feiert Jubilaeum

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In dem folgenden Genehmigungsprozess, der gerade mal acht Jahre währte, wurden dem Ampelmann Finger und Ohren amputiert, das ursprüngliche breite Lächeln verschwand ebenfalls - aus "ausleuchtungstechnischen Gründen". Das leichte Übergewicht des Männchens aus dem Osten hat übrigens denselben Grund: Dicklich ist der Leuchtlotse schwieriger zu übersehen.

Dass er seinen Hut behalten durfte, überraschte selbst seinen Erfinder Peglau: "Wir hatten uns ernstlich Sorgen gemacht, dass dieses fröhliche Merkmal als eine kleinbürgerliche Tendenz angesehen würde", schrieb der Ostberliner im Rückblick. Doch offenbar wurde die ideologiegefährdende Wirkung des Männchens als vertretbar eingestuft und so ...

FUSSGÄNGERAMPEL

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... wurde 1969 die erste Fußgängerampel mit Peglaus Lichtsignalen in Betrieb genommen, wenig später regelten die Männchen überall in der DDR den Fußgängerverkehr. 

Ampelmännchen

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In Erfurt leuchteten zeitweise sogar 14 verschiedene Versionen des Ampelmännchens - dort trat er mit Schirm, als Fußballspieler oder Wanderer auf. Kaum Teil jeder Stadtkulisse, schafften die Männer mit Hut auch schon den Sprung ins Fernsehen: Von 1969 an erklärten "Stiefelchen" und "Kompass-Kalle" im Kinderprogramm des DDR-Fernsehens die Verkehrsregeln.

In kurzer Zeit wurde so aus schnöden Lichtsignalen ein beliebtes Volksgut. Und nach dem Mauerfall 1989 machten sich die roten und grünen Piktogramme auf, den Westen und später die ganze Welt zu erobern. Dabei sah nach der Wiedervereinigung zunächst alles nach einer Niederlage aus.

Ampelmännchen

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Denn die Bürokraten der wiedervereinigten Bundesrepublik - selbstverständlich nicht minder gründlich als ihre Kollegen in der DDR - wollten die unseriösen Verkehrslotsen kurzerhand aus dem Straßenverkehr verbannen.

Doch ein "Komitee zur Rettung der Ampelmännchen" machte sich 1996 die neugewonnenen demokratischen Möglichkeiten zu Nutze - mit Erfolg. Das Ampelmännchen erhielt zunächst ein vorläufiges Bleiberecht und wurde im Jahr darauf schließlich dauerhaft in die Straßenverkehrsordnung aufgenommen.

Im Bild: Eine Sambagruppe beim Bremer Straßenkarneval 2009.

Ampelmännchen

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Inzwischen regeln die Männer mit Hut den Verkehr auch in vielen Teilen Westberlins und einigen süddeutschen Gemeinden. Mit den revolutionären, ja fast schockierenden Umtrieben vom Frühjahr 2007 in Prag hatte der gemütliche Mann mit dem Schlapphut allerdings nichts zu tun.

Petra Pau PDS Ampelmännchen

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Dass der Ampelmann sich so erfolgreich über die Wiedervereinigung retten konnte, liegt nach Ansicht seines Erfinders in seiner politischen Neutralität: "Das Ampelmännchen ist eine unpolitische Figur der Straße, und dass er als solche ewig überleben würde, habe ich nie bezweifelt", sagte Peglau 2001 in einem Interview.

So ganz stimmt das allerdings nicht: Beispielsweise wählte die damalige PDS das Männchen im Wahlkampf 1998 kurzerhand als ihr Maskottchen (im Bild: die damalige Berliner Landesvorsitzende Petra Pau und der Bundesvorsitzende Lothar Bisky), und auch die FDP ließ den Ampelmann - natürlich ganz in gelb - schon einmal für sich werben.

Das Ost-Ampelmännchen wird 50

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Seinen Weltruhm verdankt der Ampelmann jedoch auch einem geschäftstüchtigen gebürtigen Schwaben: Nach seinem Umzug in die Hauptstadt in den neunziger Jahren entdeckte der Tübinger Markus Heckhausen seine Liebe zu den behüteten Männern und fertigte aus Original-DDR-Ampelglas zunächst ausgefallene Lampen. 

Das Geschäft boomte und so erwarb Heckhausen schon 1996 von Peglau weitreichende Nutzungsrechte für den Ampelmann.

Heute Urteil im Prozess um Markenrechte am Ost-Ampelmännchen

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Ob Handtuch, Tasse oder Flipflops: Wo die roten und grünen Figuren draufkleben, wird kräftig Geld verdient. Acht Millionen Euro erwirtschaften die 80 Mitarbeiter der Ampelmann GmbH im Jahr. Inzwischen betreibt Heckhausens Firma ein Restaurant, vier Souvenir-Shops in Berlin sowie jeweils einen in Tokio und Seoul.

Der weltweite Durchbruch seiner Figuren verhalf dem Beamten Karl Peglau zu spätem Ruhm - und machte ihn bis zu seinem Tod 2009 zu einem reichen Mann. Auch wenn ihm der kommerzielle Erfolg nie so ganz geheuer war. "Eine solche Vermarktung gehört wohl zur heutigen Marktwirtschaft dazu", sagte er einmal.

Nach Ampelmännchen beginnt Streit um Ampelfrau

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Vom Erfolg des Ampelmanns etwas abhaben wollte auch Joachim Roßberg: Der frühere Direktor der VEB Signaltechnik Wildenfels stritt mit Peglau und Heckhausen jahrelang um die Rechte. Seine Firma war zuletzt der einzige Betrieb, der in der DDR Ampelanlagen herstellte, nach der Wiedervereinigung wollte sich Roßberg neben seiner Verkehrstechnik-Firma mit Souvenir-Artikeln ein zweites Standbein aufbauen.

Der Prozess geriet für manche zum Symbol für die kapitalistische Übernahme von DDR-Kulturgut, schließlich musste Roßberg die Rechte an den meisten Ampelmann-Produkten abtreten. Heute vertreibt er nur noch Liköre im Signalleuchten-Design. Doch ihm ist es zu verdanken, ... 

Ampelmännchen

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... dass der Ampelmann nicht alleine alt werden muss. Seit 2004 leuchtet die Ampelfrau aus Roßbergs Firma schon in Zwickau. In Köln wurde sie prompt zur Revolutionärin gekürt: Eine Bürgerin schenkte ihrer Stadt vier Exemplare - als "Wegbereiterinnen für mehr Geschlechtergerechtigkeit". Auch in Dresden, Werdau und Bremen regeln inzwischen Damen aus Sachsen den Fußgängerverkehr. 

© sueddeutsche.de/jobr
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