Pränataldiagnostik:Die Freiheit der Frau, "Nein" zu sagen

Ultraschall bei Schwangerer

Wer wenig Stress spürt, hat bessere Aussichten auf eine komplikationslose Schwangerschaft.

(Foto: Daniel Karmann/dpa)

Die Möglichkeiten der modernen Medizin machen aus Schwangeren Risikomanagerinnen. Dafür, sich auf das Kind zu freuen, bleibt kaum noch Zeit.

Ein Gastbeitrag von Barbara Duden

Soll künftig die Krankenkasse bezahlen, wenn Frauen mit sogenannter Risikoschwangerschaft den Embryo per Bluttest auf Trisomie untersuchen lassen? Am 19. September hat der Gemeinsame Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen darüber zu entscheiden.

Die Fronten sind klar: Befürworterinnen des nichtinvasiven Pränataltests argumentieren, die mikrobiologische Untersuchung beseitige die Gefahr einer durch eine Fruchtwasseruntersuchung provozierten Fehlgeburt. Die Kritikerinnen führen ins Feld, der Test fahnde nach chromosomalen Abweichungen von der Norm, könne aber keine therapeutische "Handlungsoption" anbieten. Der Test sei diskriminierend, erhöhe den sozialen Druck auf die Eltern und stehe im Widerspruch zu den Zielen der UN-Behindertenrechtskonvention: Die Rechte von behinderten Menschen sind demnach auch in utero zu schützen.

So in etwa lässt sich das Kampffeld des Disputs skizzieren, der in einer "parlamentarischen Orientierungsdebatte" ausgetragen werden soll. Mir graust vor dieser Debatte, mich befremdet die Wortwahl der Kontrahenten, gleich welcher Couleur, auch wenn mir die Kritikerinnen näher stehen. Weshalb? Zwischen den Fronten wird zerrieben, was mir einzig bedeutsam erscheint: die Freiheit einer Frau am Beginn ihrer Schwangerschaft, den Fortgang ihres Schwangergehens ruhig und zuversichtlich abzuwarten.

Schwanger sein und sich auf das Kind freuen - das ist kaum mehr möglich. Stattdessen werden Schwangere vor die Aufgabe gestellt, "selbstbestimmte Entscheidungen" zu treffen. Die Geschäftigkeit der pränatalen Diagnostik weist Schwangeren die Aufgabe zu, "verantwortlich", "selbstbestimmt" und nach Kenntnisnahme professioneller Informationen über die wahrscheinlichkeitstheoretisch berechenbare Zukunft der Frucht in ihrem Bauch eine "informierte Entscheidung" zu treffen.

Die Tücke der "selbstbestimmten Entscheidungen"

Schon durch das Angebot der Fruchtwasseruntersuchung mussten Schwangere lernen, selbst zu entscheiden, welche Risiken sie eingehen wollen und von welchen Testergebnissen sie das Kommen ihres Kindes abhängig machen. Silja Samerski zeigt in ihrem Buch "Die verrechnete Hoffnung" eindrücklich, dass diese Entscheidungen sie weder ihrem Wunsch nach einem gesunden, "normalen" Kind näherbringen, noch ihre Autonomie vergrößern. Im Gegenteil: Die Entscheidungen, die man ihnen damit abverlangt, bürden ihnen die Verantwortung für das Risikomanagement ihrer Schwangerschaft auf. Sie fordern sie auf, das Kommen ihres Kindes von seinen berechneten Entwicklungschancen abhängig zu machen. Das ist die Tücke der "selbstbestimmten Entscheidungen": Das Gerede über "Risiken" und Testoptionen suggeriert, dass es etwas für die Gesundheit des kommenden Kindes zu wissen und zu tun gäbe.

Schon bisher verwandelte das pränatale Testangebot - mehrfacher Ultraschall, Nackenfaltenmessung, Ersttrimester-Screening, Fruchtwasseruntersuchung - die Frau in eine Risikomanagerin, die lernen musste, ihr Kind wie ein Aktienpaket zu behandeln, das je nach Wachstumschancen gehalten oder abgesetzt werden soll. Der diskutierte Bluttest bringt noch eine weitere Dimension ins Spiel: Bisher wurde nach Chromosomenveränderungen an einem ungeborenen Kind gesucht, das die Frau seit Monaten in sich trug, das sie inwendig gespürt hatte. Nun geht es um die genetische Prüfung des Embryos, von dessen Existenz die Frau noch kaum etwas hat spüren können. Anhand von Testbefunden und Risikoberechnungen soll die gerade erst schwangere Frau entscheiden, ob sie das Kind später bekommen will oder nicht.

Angesichts dieses frühen Stadiums ist es absurd, dass in der Debatte über die kassenärztliche Zulassung des Bluttests sowohl Befürworterinnen wie auch Kritikerinnen den gerade erst schwangergehenden Frauen abverlangen, ihren persönlichen Zustand in wertbeladenen Abstrakta zu fassen. Beide Seiten argumentieren mit politischen Werten und Begriffen. Für das ruhige Abwarten auf das Werden ihres Kindes ist kein Platz und keine Zeit. Stattdessen sollen die Frauen auch die Ziele der UN-Behindertenrechtskonvention in ihre Sorge einbeziehen.

Aber eine schwangere Frau ist kein uterines Versorgungssystem. Weder für "ein Leben" noch für berechnete soziale oder ökonomische Kosten. Immer noch, so hoffe ich, besteht für die einzelne Frau die Freiheit, eine Haltung des Nein - in beide Richtungen - zu beschließen. Diese Freiheit der Frau gilt es zu schützen.

Barbara Duden, 77, ist Medizinhistorikerin.

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