Bernhard Hanel lebt mit seiner Familie und eigenen Tieren auf einem Bauernhof im Schwarzwald. Der studierte Kulturdesigner und Vater von sechs Kindern baut Spielplätze in Kriegs- und Krisengebieten. Zudem ist er Gründer des Weltkinderforums in Davos in der Schweiz – jener Stadt, in der auch das Weltwirtschaftsforum stattfindet. Dort versammeln sich Kinder und Jugendliche aus aller Welt, um gemeinsam zu konferieren und über die Zukunft unserer Gesellschaft zu sprechen.
SZ: Warum hätten Kinder den Friedensnobelpreis verdient?
Bernhard Hanel: Kinder – wenn sie denn Kind sein dürfen – sind immer friedensbereit. Natürlich streiten sie sich auch mal. Aber sie gehen dann wieder aufeinander zu. Alle Kinder auf der Welt spielen gleich – egal ob in Nepal, Äthiopien oder München. Wenn sie natürlich in Krieg und Not aufwachsen, dann können sie nicht Kind sein. Kinder sind die Ersten, die im Krieg Leid tragen. Aber auch diejenigen, die am meisten Hoffnung geben, durchzuhalten. Damit es nach dem Krieg irgendwie auch wieder weitergeht und es zu einer Versöhnung kommt. Beim Weltkinderforum waren schon Kinder aus der Ukraine, aus Russland, aus Palästina und aus Israel zusammen dabei. Es ist immer bemerkbar: Es sind nicht die Konflikte der Kinder, sondern die der Erwachsenen.
Malala Yousafzai hat den Preis 2014 mit 17 Jahren erhalten. Damit ist die Frauen- und Kinderrechtsaktivistin bisher die einzige Preisträgerin, die ihn noch vor ihrem 18. Geburtstag entgegennehmen durfte. Setzen sich Kinder weniger für Frieden ein als Erwachsene? Oder werden sie einfach übersehen?
Sie werden total übersehen. Ich kenne Projekte von überall aus der Welt, in denen Kinder und Jugendliche Demokratie und Gemeinschaft leben. In Uganda zum Beispiel, da haben Kinder und Jugendliche ein großes Jugendzentrum praktisch alleine aufgezogen. Kinder werden viel zu wenig gehört. In Entscheidungsstrukturen finden sie zu wenig statt.
Fast zweieinhalb Milliarden Kinder leben auf der Welt. Da gibt es mit Sicherheit auch welche, die den Preis nicht verdient hätten.
Man kann sich auch wahnsinnig streiten, ob die EU oder Barack Obama den Preis verdient haben. Zu einem Teil vielleicht schon – zum anderen nicht. Es ist immer die Frage, ob jemand den Preis zu 100 Prozent verdient hat. Zum allergrößten Teil sind junge Menschen wunderbar. Natürlich gibt es einzelne, die es nicht sind. Aber wenn wir uns auf die stürzen, dann würden wir das Übliche tun: Das Schlechte raussuchen. Und nicht auf das Potenzial schauen. Wenn Kinder nicht friedlich handeln, dann hat das ganz viel mit ihrer Umgebung zu tun. Ein aktuelles Beispiel: Kinder in Gaza, die haben schon so viel erlebt, was gar nicht zum Kindsein gehört und gar nicht sein darf. Dass sich da schon etwas in ihren Biografie-Rucksack einschleicht, was später zu nicht Friedlichem führen kann, das ist klar. Aber wenn eine Kindheit gelingt und so ist, wie sie sein soll, dann trägt ein Kind Frieden in sich.
Können Kinder besser Frieden schließen als Erwachsene?
Unbedingt. Ohne Frage. Kinder würden das, was wir unter Krieg verstehen, gar nicht erst anzetteln.
Stellen Sie sich vor, Sie dürften nicht alle Kinder für den Friedensnobelpreis vorschlagen. Für welches Kind würden Sie sich dann entscheiden?
Da denke ich an junge Menschen aus Israel und Palästina, die versuchen, Brücken zu schlagen. Die sagen, es geht doch nur miteinander und nicht gegeneinander. Jeder weiß, dass der Graben zwischen ihnen tiefer gar nicht sein könnte. Von Kind auf gibt es diesen Graben. Die Kinder in Israel und Palästina werden schon so sozialisiert, dass der andere das Böse ist. Wir Erwachsenen reißen Kluften. Wir geben dieser Generation ein ganz schweres Erbe mit. Ein Kind würde von sich aus nie in diesen Kategorien denken. Niemals. Ein palästinensisches vierjähriges Kind würde mit einem israelischen Kind spielen. Das ist dem Jacke wie Hose. Ich würde es aber super schade finden, da einzelne Kinder rauszupicken und nicht das gesamte Potenzial der Kindheit als Geschichte des Gelingens zu sehen.
Donald Trump möchte den Preis auch gerne gewinnen...
Da wären mir die zwei Milliarden Kinder doch deutlich lieber. Ich fände es merkwürdig so einen alten narzisstischen Menschen mit diesem Preis auszuzeichnen. Wir müssen in etwas Zukünftiges kommen und dürfen nicht in diesen alten Systemen und Geschichten hängen bleiben. Ich fände es wirklich sehr furchtbar, würde er den Preis gewinnen.
Ist Ihr Vorschlag als Provokation gegen Trump gemeint? Selbst Kinder können besser Frieden schließen als er?
Ich mag es nicht, etwas gegen etwas zu machen. Ich würde lieber etwas für etwas machen. Sagen: Lasst uns doch jetzt mal starten und für etwas Neues denken. Einen Paradigmenwechsel zulassen. Es wird natürlich eine Provokation. Aber es ist eigentlich nicht mein Ansinnen.
Wie stehen die Chancen, dass die Kinder den Friedensnobelpreis 2026 tatsächlich gewinnen?
Das Friedensnobelpreis-Komitee müsste sich auf den Kopf stellen. Es würde komplementär handeln. Denn das Komitee würde einen Preis vergeben, als Option auf die Zukunft. In diesem Fall würde der Preis ja keine Leistung oder eine bestimmte Geschichte auszeichnen, sondern in die Zukunft gehen. Das ist so eigentlich nicht gedacht. Aber es würde den Erwachsenen mit auf den Weg geben, schaut danach, dass Kindheit weltweit gelingt. Ein Aufruf an uns alle – an die Gesellschaft. Ich sage nicht, die Kinder müssen 2026 diesen Preis bekommen. Ich frage, was würde passieren, wenn es passiert. Wir müssen uns als Gesellschaft fragen, was müssen und wollen wir denn tun, damit es besser klappt als bisher? Aktuell gelingt es uns ja nicht. Und wer kann das denn besser machen, als diejenigen, die doch die Zukunft sind?
Etwa eine Million Euro Preisgeld gehen an die Gewinnerin oder den Gewinner. Was würde mit dem Geld passieren, wenn alle Kinder Preisträger wären?
Das finde ich im Moment ganz schwierig zu beantworten. Am besten, man würde das Geld in ein Projekt stecken, in dem Kinder und Jugendliche schon Großartiges leisten. Wie das Jugendzentrum in Uganda.
Ihre Reaktion, wenn es mit dem Sieg klappt?
Ich würde mich rasend freuen. Nicht über den Preis an sich und auch nicht über das Geld, sondern dass man es mal geschafft hätte, dem Thema gesellschaftliche Relevanz zu verleihen.

