Freizeit - München:"Zeit des Zauderns vorbei": DAV beschließt Klima-Euro

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München (dpa/lby) - Schmelzende Gletscher, Bergrutsche, plötzliche Schneemassen, sintflutartiger Regen - oder auch Trockenheit: Der Klimawandel hinterlässt gerade in den Alpen schon jetzt seine Spuren. Der Deutsche Alpenverein (DAV) ruft Politik, Gesellschaft und die eigenen Mitglieder nun zu konsequenten Schritten für mehr Klimaschutz auf. "Die Zeit des Zauderns ist vorbei, wir müssen handeln. Jetzt!" heißt es in einer Klimaresolution, die der Verband am Samstag auf seiner Hauptversammlung in München verabschiedete.

Der DAV, der dieses Jahr sein 150-jähriges Bestehen feierte und sich stets für klimafreundlichen Bergtourismus einsetzte, will nun bei Touren und auf Hütten das Thema offensiver vorantrieben. Etwa eine Million Euro für Klimaschutzmaßnahmen soll zusätzlich über einen Klimabeitrag hereinkommen. Die rund 800 Delegierten stimmten dafür, dass ab 2021 jedes Vollmitglied jährlich einen Euro extra zahlt.

In seiner Resolution kritisiert der DAV auch die Bundesregierung. Berlin habe ein Klimaschutzgesetz auf den Weg gebracht, das mit der Klimaneutralität im Jahr 2050 ein hochgestecktes Ziel formuliere, aber vor wesentlichen Maßnahmen wie einer wirksamen Abgabe auf den CO2-Ausstoß zurückschrecke. "Gestalten Sie eine konsequentere und sozialverträgliche nationale Klimapolitik, die der Klimakrise als einer existenziellen Gefährdung entschieden entgegenwirkt", fordert der DAV. Die Politik sei zwar aktiv geworden, sagte der scheidende Vizepräsident Rudolf Erlacher. Es fehle aber der Mut zu einer wirklich konsequenten CO2-Abgabe.

Präsident Josef Klenner sagte, oft klaffe eine große Lücke zwischen plakativen Forderungen und echten Handlungen. In den nächsten Jahren sollen nun Bundesverband, Landesverbände und Sektionen eine Emissionsbilanz erstellen. Dies solle Ansatzpunkte für Maßnahmen liefern. "Der entscheidende Punkt ist, Themen und Bereiche zu identifizieren, wo man anfangen muss", sagte Klenner.

Schon jetzt soll der C02-Fußabdruck bei Kursen, Touren und bei den Kletterhallen drastisch reduziert werden. Alle Hütten sollen auf regenerative Energieversorgung umgestellt werden. Pächter von Hütten und Kletteranlagen sollen auch bei den Speisen auf eine Minimierung des C02-Verbrauchs achten. Ausbildungsfahrten und Touren sollen sich an der Erreichbarkeit durch öffentliche Verkehrsmittel orientieren.

In der Debatte kritisierten Delegierte, die verbandsinterne Diskussion um das Klima hätte schon vor 20 Jahren geführt werden müssen. "Der Klimawandel ist längst da. Und der Spruch "es ist Fünf vor Zwölf ist längst überholt"", sagte ein Redner. Zudem reichten Appelle nicht aus - und es fehle die Aufforderung auch an die Industrie. Ein Mitglied verlangte, der Bundesverband solle auf innerdeutsche Flüge verzichten. Es gab auch Kritik an der kommerziellen DAV-Tochter Summit Club, die Reisen in Bergregionen weltweit mit entsprechenden Flugreisen organisiert, die freilich über Abgaben inzwischen CO2-neutral sind. "Nur ein Flugzeug, das nicht startet, ist CO2-neutral. Alles andere ist Blödsinn", schimpfte ein Redner.

Präsident Klenner warnte, "mit Scheuklappen loszulaufen" und Forderungen zu stellen, die an der Realität der Menschen vorbei gehen. "Wer fliegt nicht mal in den Strandurlaub? Wer lässt das jetzt sein?", fragte er in den Saal.

Der DAV stellte bei der Hauptversammlung auch die Weichen für die Verbandsarbeit der nächsten Jahre bis 2023. Insbesondere soll neben dem Klimaschutz die Digitalisierung vorangetrieben werden. Die Delegierten befassten sich auch mit den Berg-Pedelecs, die immer mehr Menschen mit elektrischer Unterstützung in die Berge bringen.

Zum Verbandsjubiläum war abends der Münchner Fernsehturm im Grünton des DAV-Logos angestrahlt - laut DAV als "grünes Ausrufezeichen" für den Klimaschutz. Drei Dutzend Bergsteiger hatten den Verband vor 150 Jahren am 9. Mai 1869 in München gegründet, um "die Kenntnis von den Deutschen Alpen zu erweitern und zu verbreiten und ihre Bereisung zu erleichtern". Heute hat der weltgrößte Bergsportverband rund 1,3 Millionen Mitglieder - die Zahl steigt weiter.

Der DAV hat nicht nur angesichts seiner vielen Mitglieder, sondern auch in seiner Zwitterstellung als Sport- und Naturschutzverband gelegentlich intern Interessenskonflikte zu überbrücken. Das zeigte sich etwa bei der Bewerbung Münchens um die Olympischen Winterspiele.

Der Verband stellt sich aber klar gegen den Ausbau von Skigebieten mit Liften und Schneekanonen und kämpfte gegen den zunächst von der Staatsregierung unterstützten Liftausbau am Riedberger Horn im Allgäu. Ministerpräsident Markus Söder (CSU) räumte am Freitagabend bei der Jubiläumsgala des Verbandes ein: "Das mit dem Riedberger Horn war damals ein Fehler." Das Thema sei unterschätzt worden. Söder hatte als neuer Regierungschef das umstrittene Projekt einkassiert und mit den Kommunen den Verzicht auf den Lift verkündet.

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