Süddeutsche Zeitung

Frauentag:Wie sich das Leben von Frauen in 50 Jahren verändert hat

Sie arbeiten, sie kicken, sie trinken mehr: Fünf Dinge, die sich in einem halben Jahrhundert für Frauen geändert haben - zum Guten wie zum Schlechten.

Von Katharina Brunner und Elisabeth Gamperl

Das Ende der Sechzigerjahre ging als Chiffre für tiefgreifende gesellschaftliche Veränderungen in die Geschichte ein. Wie hat sich das Leben seitdem für Frauen in Deutschland gewandelt? Fünf Fakten über die Situation von Frauen heute und damals.

Vom Herd ins Büro

Ein Dasein als Hausfrau und Mutter. Das war vor einem halben Jahrhundert in der Bundesrepublik nicht nur eine private Entscheidung, sondern ein staatlich gewolltes Lebensmodell. Bis 1977 blieb es dem Ehemann per Gesetz vorbehalten, seine Zustimmung zu verweigern, wenn seine Frau arbeiten wollte. Als typische Frauenberufe galten Lehrerin, Krankenschwester oder Verkäuferin, weitergehende Ambitionen waren meist außerhalb der gesellschaftlichen Vorstellungswelt.

Mittlerweile ist die Erwerbsquote von Frauen gestiegen, von 45 Prozent auf 70 Prozent - und liegt nur mehr sieben Prozentpunkte hinter der der Männer. Doch es gibt neue Barrieren, die Arbeit und finanziellen Verdienst der Frauen prägen: 2015 arbeitete nach Angaben des Statistischen Bundesamts fast jede vierte Frau in Teilzeit, bei den Männern sind es dagegen nur neun Prozent. Doch ob Teilzeit oder Vollzeit: Frauen verdienen weiterhin deutlich weniger als Männer - bei gleicher Qualifikation. Insgesamt verdienten Frauen laut Statistischem Bundesamt 2015 mit einem durchschnittlichen Bruttostundenverdienst von 16,20 Euro 21 Prozent weniger als Männer (20,59 Euro).

Ab in den Vorlesungssaal

Es waren Ende der Sechzigerjahre vor allem Studierende, die in vielen Städten gegen den Vietnamkrieg und die Aufrüstungspolitik auf die Straße gingen und gegen die prüde Sexualmoral ihrer Eltern revoltierten. Doch auch wenn es bei den Protesten unter anderem um Frauenrechte ging: Die Studentenschaft bestand hauptsächlich aus Männern. Auf eine Studentin kamen zwei Studenten.

Das änderte sich in den folgenden Jahrzehnten, seit 2000 ist das Verhältnis ausgeglichen. Doch noch immer gibt es große Unterschiede in der Wahl der Studienfächer. Viele Hörsäle, in denen naturwissenschaftliche Vorlesungen stattfinden, sehen aus wie vor fast 50 Jahren: Viele Männer, wenige Frauen. Dabei stellte das IAB schon Ende der Sechzigerjahre fest, dass "bei Frauen Begabungsreserven, vor allem auf mathematischem Gebiet, kaum genutzt werden".

Ehe und Kinder sind kein Muss mehr

Vater, Mutter, Kinder - so sah das vorherrschende Familienmodell in der Bundesrepublik einst aus. Gelegentlich gab es noch die alleinerziehende Mutter - gesellschaftlich und rechtlich schlechter gestellt. Doch die gesellschaftliche Akzeptanz für diversifiziert Familien- und Lebensmodelle hat sich geändert: Heute sind Alleinerziehende, unverheiratete Pärchen, Patchwork-Familien, Geschiedene oder eingetragene Lebenspartnerschaften keine Seltenheit mehr.

Auch die Familienplanung wurde in den vergangenen Jahrzehnten selbstbestimmter. Nach dem Babyboom der Fünfziger und frühen Sechzigerjahre gingen die Geburtenzahlen drastisch zurück. 1961 kam die Pille auf den deutschen Markt, eines der ersten industriell gefertigten Verhütungsmittel auf Hormonbasis. Sie war der Schritt zur sexuellen Befreiung: Frauen konnten jetzt kontrollieren und frei bestimmen, ob Sex auch Fortpflanzung bedeuten sollte oder nicht.

Auch ohne die Pille wäre die Zahl der Geburten zurückgegangen, jedoch deutlich langsamer, weiß das Bundesamt für Bevölkerungsforschung. Einen ähnlich großen Einfluss hatten gesellschaftliche Entwicklungen, die Ende der Sechziger einsetzten: Frauen fingen an, verstärkt zu studieren, zu arbeiten, sich nicht mehr nur als Ehefrau und Mutter zu sehen - und sowohl später als auch weniger Kinder zu bekommen. Gleichzeitig veränderte sich die Betreuungssituation nur schleppend.

Frauen trinken

Nicht jede Entwicklung ist nur positiv: Frauen trinken heute viel häufiger und mehr Alkohol als vor einem einem halben Jahrhundert. In den Sechzigerjahren konsumierten erwachsene Männer mehr als doppelt so viel Bier, Schnaps oder Wein wie Frauen. Heute ist dieser Unterschied zwischen den Geschlechtern aufgehoben. Das liegt nicht etwa daran, dass Männer heute so viel weniger trinken würden - Frauen trinken mehr und immer häufiger auch zu viel.

Gerade in den Jahrgängen ab 1980 und besonders ab 1990 zeigt sich, dass Frauen fast so oft zum Rausch neigen wie Männer. Gleichzeitig vertragen sie in der Regel weniger und sind daher genauso häufig wie Männer von alkoholbedingten Schäden betroffen.

Fußballspielen erlaubt

Frauen und Fußball - das war in Deutschland ein holpriger Anfang. Zu unweiblich, zu roh, zu unästhetisch sei der Sport für die Frauen, hieß es früher. Der erste Frauenfußballclub Deutschlands wurde 1930 in Frankfurt gegründet, nur um nach einem Jahr und vielen Protesten wieder aufgelöst zu werden. In den Fünfzigerjahren ging der Deutsche Fußball-Bund sogar soweit, Frauenfußball zu verbieten. "Im Kampf um den Ball verschwindet die weibliche Anmut, Körper und Seele erleiden unweigerlich Schaden, und das Zurschaustellen des Körpers verletzt Schicklichkeit und Anstand", hieß es in der Begründung. Zwar wurde es Vereinen ab 1970 wieder erlaubt, Frauenmannschaften zu gründen, es gab aber strikte Regeln: So durften Frauen nur bei schönem Wetter spielen, eine Spielzeit dauerte nur 30 anstatt den regulären 45 Minuten und die Spielerinnen mussten laut Bundeszentrale für politische Bildung einen speziellen Brustschutz tragen.

Trotz dieser Auflagen gab es 1971 etwas mehr als 1000 Frauenmannschaften. Heute sind es fast zwölfmal so viele. Dennoch sind kickende Frauen im Fußballland Deutschland immer noch eine klare Minderheit, schließlich gibt es hierzulande insgesamt 160 000 Teams.

Zumindest im Leistungssport sind die deutschen Fußballerinnen an der Spitze: 2016 wurden sie erstmals Olympiameisterinnen. Aber: Wer kann aus dem Stand mehr als drei Spielerinnen aus dem Nationalteam nennen?

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