Süddeutsche Zeitung

Ehe:Wie ist es, zur Hochzeit den Nachnamen abzugeben?

Noch immer nehmen meist Frauen den Nachnamen des Partners an. Wie das die eigene Identität beeinflusst und warum unsere Autorin weiterhin ihren Mädchennamen führt.

Kolumne von Kathrin Werner

Ich verrate Ihnen jetzt etwas: Ich heiße gar nicht Kathrin Werner. Nicht mehr. Ich habe vor ein paar Jahren geheiratet und nach längerem Hin- und Herüberlegen den Namen meines Mannes angenommen. Hilft bei Greencards und Grenzübertritten mit Kind. Und ganz schön fanden wir es sowieso. Unter meinen Artikeln steht, wie Sie sehen, allerdings weiter "Kathrin Werner" - so wie schon seit 20 Jahren und wie auch auf meinem Buch. Ich bin nicht die einzige Kollegin, die das so macht. Und wissen Sie warum? Weil man uns als Journalisten gesagt hat, dass wir zur Marke werden müssen - und dazu gehört auch der Name. Vor allem in einer Branche, in der die meisten Leserinnen und Leser von uns nicht viel mehr erfahren als ihn.

"Kathrin Werner" ist also nicht nur mein (alter) Name, sondern auch mein Markenname. Mir ist schon klar, dass so bald niemand T-Shirts mit diesen 13 Lettern darauf drucken wird und bei einer Umfrage unter 1000 Deutschen die allerallerallermeisten nichts mit "Kathrin Werner" anfangen könnten. "Kathrin Werner" ist nicht Coca-Cola. Wenn man sie googelt, findet man Tausende - und eine schreibt kitschige Gedichte in einem Internetforum. Aber es gibt eben doch Leserinnen und Leser und Kolleginnenund Kollegen, die mit "Kathrin Werner" etwas verbinden: mich. Beziehungsweise mein professionelles Ich. Darin stecken viele Jahre Arbeit, darauf lässt sich weiter aufbauen. Mit meinem neuen Nachnamen hätte ich wieder bei Null angefangen.

Der eine Name steht für meine professionelle Seite, der andere für die private

Ich habe jetzt also zwei Nachnamen. Das kann sich ein wenig nach gespaltener Persönlichkeit anfühlen. Denn Namen sind identitätsstiftend. Der eine zeigt die Zugehörigkeit zu meinen Eltern und meiner Schwester an. Der andere ist eine bewusste Entscheidung. Der eine steht jetzt für meine professionelle Seite, der andere für die private. Früher war das eins. Je mehr ich mich an den neuen Namen gewöhne, desto merkwürdiger wird es, den alten unter Artikel zu schreiben. Die Marke ist immer weniger ich.

Es ist ein Thema, mit dem Männer sich nur sehr selten auseinandersetzen. Noch immer nehmen nur sechs Prozent der Paare nach der Hochzeit den Nachnamen der Frau gemeinsam an. Für diese sechs Prozent ist das nicht immer leicht. Männer erleben blöde Sprüche, Unverständnis in der Familie und Ähnliches. Die Männer unter den anderen 94 Prozent leben einfach weiter wie immer. Männer müssen sich keine Gedanken machen, was es für ihre Karriere bedeutet, wenn Kunden, Chefinnen oder Mitarbeiterinnen sich an einen neuen Namen gewöhnen müssen. Ihre Identität teilt sich weniger offensichtlich in ein Davor und ein Danach.

"Der Frau ist ein Namenswechsel im Zweifel eher zumutbar, da sie als die zumeist Jüngere vor der Heirat weniger lang im Berufsleben stand, nachher zur Versorgung der Kleinkinder oft einige Jahre aus dem Beruf ausscheidet sowie überdies in ihm häufig weniger hohe Positionen einnimmt als im Durchschnitt der Mann", stand in einem der führenden juristischen Kommentare zum BGB, dem Münchner Kommentar, im Jahr 1976. Eigentlich wäre schon dieses Argument ein Grund gewesen, aus Protest meinen Mädchennamen (was für ein schlimmes Wort) zu behalten. Andererseits: Wenigstens weiß jeder gleich, wie man "Kathrin Werner" schreibt, zumindest in Deutschland. Leute, deren Namen nach Migrationshintergrund klingt, erzählen ganz anders vom Thema Marke und Identität.

Ich wünsche mir eine Welt, in der nicht zählt, wie jemand heißt. In der es auf die Leistung ankommt, nicht auf die Verkaufe. In der jede und jeder die Freiheit hat, die eigene Marke selbst zu definieren und zu benennen. In der der Mensch zählt. "Name", sagte schon Goethes Faust, "ist Schall und Rauch."

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Quelle:
SZ PLAN W vom 30. November 2019/swen
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