Frankreichs Finanzministerin Christine Lagarde:La belle dame

Wer den Hosenanzug-Einheitslook deutscher Politikerinnen gewohnt ist, dürfte vom Stil der französischen Ministerin Christina Lagarde beeindruckt sein. Nur wenige Frauen schaffen es, sich so stilvoll zu kleiden wie sie.

Jeanne Rubner

Es heißt ja manchmal, dass Frauen bevorzugt andere Frauen mobbten. Das stimmt. Gnadenlos ziehen wir über die zu kurzen Röcke der anderen, ihre schlecht getönten Haare und den verschmierten Lippenstift her. Frauensolidarität? Fehlanzeige, die Damen sind sich untereinander die ärgsten Feindinnen, zumindest wenn es ums Aussehen geht. "Hast du die gesehen?" So beginnt meistens ein zwangloses Gespräch, das fast immer in einer vernichtenden Stilkritik endet.

Nun aber gibt es in dieser gehässigen Damenwelt eine Frau, die jede Stilkritik glanzvoll übersteht und selbst lästermäulige Niederschreiber verstummen lässt: Frankreichs Finanzministerin Christine Lagarde hat es längst in den Olymp der bestaussehenden Frauen in Politik und Wirtschaft geschafft und hält dort ihre Stellung, unangefochten. Obwohl sie mit 54 Jahren nicht nur älter ist als viele ihrer Kabinettskolleginnen, sondern auch als absolutes politisches Schwergewicht der Regierung gilt. Wie sie das schafft? Anscheinend nur mit der Glaubwürdigkeit ihres Stils.

"Die einzig wahre Eleganz ist die im Geiste - wer sie besitzt, für den ergibt sich die äußerliche von selbst." Gesagt hat das die Modekritikerin Diana Vreeland, die in den sechziger Jahren Chefredakteurin der amerikanischen Vogue war. Wenn es für ihre Worte einen Beleg bräuchte, er hieße Christine Lagarde. Ihre Eleganz kommt von innen.

Natürlich würde fast jede Frau mit solch aristokratischen Gesichtszügen und einer Körpergröße von 1,80 Metern imposant wirken - aber die Ministerin strengt sich auch an, ihre kerzengrade Haltung zu bewahren. Mit Morgengymnastik und Yoga beginnt für die ehemalige Synchronschwimmerin (mit 15 war sie französische Vizemeisterin) der Arbeitstag, am Wochenende fährt sie gerne mit dem Fahrrad durch ihr Quartier. Ihre knappen freien Wochenenden verbringt sie im Ferienhaus mit Schwimmbad in der heimischen Normandie oder bei ihrem Lebensgefährten, einem Unternehmer in Marseille. Die provenzalische Sonne jedenfalls sorgt für einen guten Teint. Da bedarf es kaum mehr eines Make-ups.

Naturfarbe im Gesicht, Naturfarbe am Kopf: Christine Lagarde hat den Mut, ihre weißen Haare auch weiß zu tragen, obwohl sie erst 54 ist. Mit dem sportlichen Kurzhaarschnitt wirkt das elegant und passt perfekt zu den silbergrauen Chanel-Jäckchen, die sie gerne trägt.

Von deutschen Politikerinnen ist man ja inzwischen Einheitslook gewohnt: Ohne Hosenanzug, so scheint es, darf man die Berliner Bühne nicht betreten. Zugegeben macht man es als Frau ja auch immer falsch: Entweder der Ausschnitt ist zu tief (Angela Merkel beim Opernbesuch in Oslo) oder der Stoff zu hell, weshalb Schweißflecken zu sehen sind (wieder die Kanzlerin, diesmal Bayreuth). Am besten also auf Nummer sicher gehen und wie die Schröders-Von-der-Leyens-Haderthauers Uniform anlegen: den dunkelblauen oder schwarzen Hosenanzug, inzwischen bevorzugt mit T-Shirt, weil dann kein Blusenkragen verrutschen kann. Bei Angela Merkel darf man noch allenfalls rätseln, welche Farbe ihr stets gleich geschnittener Blazer diesmal haben wird. Lila, Apricot oder vielleicht Grün?

In Reiterstiefeln in den Élysée-Palast

Unsere Politikerinnen müssen sich als Männer verkleiden, um seriös zu wirken, oder sie glauben zumindest, das gehöre zur Jobbeschreibung. In Frankreich dagegen bekennt man sich zum Designerstück im Schrank, Mode gehört einfach zur Kultur. "Ich liebe Mode", sagte Christine Lagarde unlängst in einem Interview mit der französischen Zeitung La Tribune und verriet, dass ihre Mutter, eine Gymnasiallehrerin, ihre Kleider schneiderte. Lagarde selbst legt Wert auf praktische Mode. Wer von Termin zu Termin hetzen müsse, brauche die richtige Kleidung, sagt Lagarde. Keine Stilettos, keine Rüschen, keine knitternden Stoffe. Die meidet sie - und wirkt dennoch nie langweilig.

Dabei können Französinnen durchaus konservativ sein, sie tragen gerne Kostüm. Das muss deshalb nicht gleich langweilig oder bieder aussehen. Wenn der Schnitt stimmt, kann auch ein dunkelblaues Kostüm toll wirken, selbst mit klassischen Pumps und hautfarbenen Seidenstrümpfen. So trat Lagarde auf dem Familienfoto beim G-20-Gipfel in Seoul vor die Kamera.

Aber Lagarde traut sich auch im schwarzen Kleid und schwarzen Reiterstiefeln mit lässigem cremeweißen Wollmantel zur Kabinettssitzung in den Élysée-Palast. Einen bevorzugten Designer hat sie nicht, bekannt ist aber, dass sie Ng Swee Kuang mag. Der malaysische Modeschöpfer zieht Pariserinnen mit seinem Label Ornel Soie an. Lagarde kam in einer seiner Batikjacken mit auffallendem Blumenmuster zum Abendempfang.

Christine Lagarde ist die einzige der Quereinsteigerinnen, die Nicolas Sarkozy einst mit großem Getöse in die Regierung holte, und die noch immer im Kabinett sitzt. Ihre Kolleginnen Rachida Dati, Fadela Amara oder Rama Yade waren entweder nicht wirklich kompetent, zu aufmüpfig oder zu selbstbewusst für den egomanischen Präsidenten. Lagarde dagegen, die frühere Wirtschaftsanwältin, die Jahrzehnte in einer der bekanntesten New Yorker Kanzleien Partner war, hat immer durch ihre Haltung überzeugt, im Inneren wie nach außen hin.

Angriffe auf ihre Person - und die gab es - hat sie mit Humor weggesteckt. Wenn Lagarde nicht existierte, so schrieb unlängst ein britischer Journalist über ihren Stil, müsste man sie glatt erfinden. Das klingt verdammt pathetisch. Aber es stimmt.

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