La Boum:Spiidermahn

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(Foto: Steffen Mackert)

Der Sohn unserer Kolumnistin spricht auf einmal von Schongau. Was will er da, was meint er damit, kann man das essen? Über Verständigungsschwierigkeiten im deutsch-französisch-englischen Bermudadreieck.

Von Nadia Pantel

Das Kind sprach auf einmal von Schongau. Wir kennen niemanden in Schongau, wir waren noch nie in Schongau, ich weiß noch nicht einmal genau, wo Schongau liegt. Und doch hörte ich, mit wachsendem Nachdruck ein Wort, das für mich am ehesten wie "Schongau" klang. Was denn in Schongau passiert sei, fragte ich vorsichtig nach. "Neeiiin!" Ah, okay, falsche Frage. Wer denn aus Schongau komme? "NEIIIN!" Wir befanden uns kurz vor der Eskalation. Zum Glück fiel mir die Frage ein, die eigentlich immer hilft: Kann man Schongau essen? Siehe da, man kann.

Bei "Schongau" handelte es sich um das französische Wort für Kaugummi. Was wiederum genauso geschrieben wird wie das englische Wort für Kaugummi, nämlich chewing-gum, dann aber klanglich irgendwie in eine ganz andere Form gekaut wird. Die französische Interpretation von "gum" zeichnet sich durch ein nasales "ö" aus, also "göm".

Ich gebe zu, dass das überhaupt nicht klingt wie "Schongau". Aber manchmal geraten Worte in den Gesprächen zwischen mir und meinem Sohn in ein englisch-deutsch-französisches Bermudadreieck, in dem mein Hirn völlig die Orientierung verliert. Als das Kind zum ersten Mal von Spiderman sprach, schaute ich aufmerksam, konnte aber nichts beitragen, weil ich keine Ahnung hatte, worum es ging. "Spiidermahn", sagte das Kind, sodass man darauf gut hätte Fliedermann reimen können, gäbe es einen Blumensuperhelden. Zum Glück trafen wir bald darauf die Kindergartenfreundin S. Sie machte mich auf ihre Shorts aufmerksam. "Schau mal, Spiidermahn!" Und da turnte er in seinem engen Anzug herum. Aus Erleichterung, endlich das Wort verstanden zu haben, wurde auch ich sofort Fan.

"Appin lukin" als eindrückliche Textzeile

Was das Kind wohl singen würde, bekäme es David Hasselhoff zu hören? Ich sang damals, 1989, mit sieben: "Appin lukin fofiiidem". Meistens nur "Appin lukin", die Textzeile fand ich am eindrücklichsten. Bis ich verstand, dass Hasselhoff "I've been looking for freedom" sang, vergingen glaube ich gut acht Jahre. Und dann noch mal ein paar, bis ich begriff, dass "freedom" nicht das englische Wort für Frieden ist.

Mit feinstem Fantasie-Englisch machte ich mich auf in die große Welt der internationalen Popkultur. So wie mein Sohn heute, nur dass ich vom deutschen Ufer aus startete und er vom französischen. Manchmal ist das Fantasie-Englisch so gut, dass es sich bis ins Erwachsenenalter herüberrettet. Wenn jemand zum Beispiel das schäbigste Bett im Haus abbekommen hat oder etwas gründlich misslungen ist, nennen das Franzosen "la loose". Sprachorthodoxe regen sich darüber auf, weil "la loose" komplett quer zu den englischen Wörtern "loser" (Verlierer) und "loose" (lose) und "loss" (Verlust) liegt. O und S wurden so sorglos ins Wort geworfen, wie Konfetti in die Luft. Aber stellen Sie sich mal vor, Sie jammern einen Freund voll, wie blöd Ihr Tag war und der sagt solidarisch: "Oh non, la loose." Es geht Ihnen sofort besser.

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Paris-Kolumne
:La Boum

Nadia Pantel ist SZ-Korrespondentin in Frankreich. Über ihr Leben in Paris schreibt sie jeden Freitag die Kolumne "La Boum". Hier gibt es alle bisher erschienenen Folgen zum Nachlesen.

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