Fotoreportage aus Iran:Generation ohne Revolution

Der Fotograf Kaveh Rostamkhani porträtiert junge Iraner, die von einem besseren Leben träumen und sich nach Westen orientieren. Doch seine Bilder sind nichts für Persien-Romantiker.

Von Christian Mayer

Diese Gesellschaft kommt einem merkwürdig vertraut vor. Man sieht ein Land, in dem junge Menschen ihr Leben genießen, sie sind nicht arm, aber auch nicht exzeptionell reich, sie sind meist gut gekleidet, träumen die Träume, die auch die Menschen im Westen träumen.

Wenn sich junge Frauen auf die Party des Wochenendes vorbereiten, dann wirken sie nicht anders als Altersgenossinnen in Deutschland, Italien oder Kanada: Sie sind für den Anlass entsprechend geschminkt, haben das Smartphone in der Tasche und ihre coolsten Kleider an, um in ihrer Gruppe zu bestehen.

Nehmen wir nur mal die beiden Freundinnen Setayaesh und Pariya: In ihren Gesichtern liegt eine freudige Erwartung, aber auch die Anspannung, wie sie jeder Theaterschauspieler kennt: Was der Abend bringt, ist noch nicht sicher, aber ein Drama wird es ganz sicher werden. Ähnlich ist die Stimmung bei den jungen Männern, die in traumhafter Selbstverliebtheit auf den Liegen am Pool rösten, mit genau den Posen, Brillen und Bärten, die man auch in Berlin, Madrid oder London gerne zur Schau stellt.

Es liegt wohl an der Arbeitsweise des Fotojournalisten Kaveh Rostamkhani, dass man das Gefühl hat, diese Menschen und ihre Sehnsüchte zu kennen. Die Fotos stammen von einer Reise nach Iran. "Generation Post-Revolution" heißt die Serie, die jetzt in der Stadtbibliothek im Münchner Gasteig ausgestellt ist. Einen besseren Ort hätte man für diese Bilder kaum finden können: Beinahe zwangsläufig stoßen die Besucher bei ihrer Büchersuche auf die mitten im Raum platzierten Fotos.

Rostamkhani, der 1989 in Teheran geboren wurde, in München zur Schule ging, in Hannover Kommunikationsdesign und in Newport, Wales, Dokumentarfotografie studierte, hat im Land seiner Großeltern eine Gesellschaft im Übergang erlebt. Bereits im Frühjahr 2013 begann er sein Fotoprojekt, also gerade noch in der Zeit des ultrareligiösen Präsidenten Mahmud Ahmadinedschad.

Wenig später wählten die Iraner den gemäßigten Präsidenten Hassan Rohani, der sich sofort mit den westlichen Staaten an den Verhandlungstisch setzte und die Aufhebung der Wirtschaftssanktionen erreichte. Damit hat er Hoffnungen auf ein freieres, besseres Leben ausgelöst, vor allem bei den Jungen, die in der Gesellschaft die absolute Mehrheit bilden: Etwa 60 Prozent der Iraner sind heute jünger als 30, sie kennen die Islamische Revolution von 1979 nur aus Erzählungen.

Nähe erzeugen, Vertrauen gewinnen

Auf seiner zweimonatigen Recherche-Reise hat Rostamkhani vor allem junge Iraner aus der Mittelschicht getroffen; oft war er tagelang mit ihnen unterwegs, bevor er die Kamera auspackte. "Die müssen erst einmal Vertrauen haben, dann nehmen sie dich vielleicht mit auf die Party und laden dich ein, im gleichen Zimmer wie sie zu übernachten", erzählt der Fotograf.

Wie vielen Dokumentarfilmern geht es auch ihm darum, Nähe zu erzeugen, um die Chance auf einen unverstellten Blick zu bekommen. Nur so gelingen private und zugleich publikumswirksame Momente. Etwa die Szene, in der Shora, die schöne Braut, bei ihrer Hochzeitsfeier von der Verwandtschaft abgelichtet wird: Die junge Frau, deren Schleier kunstvoll am Hinterkopf drapiert ist, sieht aus wie die Hauptfigur aus einer orientalischen Beziehungskomödie, zwischen weißen Ledersofas, schwarzen Stellwänden, monumentalen Hochzeitstorten und grellen Leuchtern wirkt sie wie eingeklemmt.

Ein realistischer Blick auf die Dinge

Kaveh Rostamkhani hat einen sozialkritischen Blick auf die Dinge, macht sich aber nie lustig über die Hoffnungen und Träume der Menschen, in denen es oft auch um Wohlstand geht, den man unbedingt erreichen will. Die Welt der iranischen Superreichen blieb ihm versperrt, dafür war er unterwegs in den Orten am Kaspischen Meer, in denen man sich auch mal fürs Wochenende eine Villa mieten und teilen kann, um den mondänen Lebensstil zumindest zu imitieren. Ein Lebensstil, der auch in den TV-Serien zelebriert wird, die auf den Satellitenkanälen laufen.

"Oft sind das ja Produktionen der Exilperser in Kalifornien", erzählt der Fotograf, dessen Wahlheimat momentan Berlin ist. Auf seinen Bildern sieht man die Iraner dann einsam auf ihren Sofas vor ihren leuchtenden Kleingeräten, dem Fenster zum Westen. Andererseits gibt es auch eine Kulturszene, die den heimischen Sound pflegt, das zeigt das Foto der Untergrund-Musiker "Garage 480", die in einem wie gemalt wirkenden Kellergehäuse proben. Gitarren-Rock made in Isfahan.

Fotoreportage aus Iran: Für den Foto-Essay "Reboardering Europe" reiste Kaveh Rostamkhani 2015 wochenlang durch Europa.

Für den Foto-Essay "Reboardering Europe" reiste Kaveh Rostamkhani 2015 wochenlang durch Europa.

(Foto: Kaveh Rostamkhani)

Nichts für Persien-Romantiker

Man muss aufpassen, dass man Iran nicht nur als Postkartenidylle begreift, als ein Traumland, das seit der vorsichtigen Öffnung von Kulturtouristen aus dem Westen in Beschlag genommen und von Filmkennern bejubelt wird: Ganz so lustig wie in den oft subversiven Komödien von Jafar Panahi ("Taxi Teheran") ist die Wirklichkeit dann wohl doch nicht. Dennoch blicken viele Persien-Romantiker mit Wohlgefallen auf ein Land, von dem man gerne glauben möchte, dass es die Restriktionen des Mullah-Regimes wie ein lästiges Kleidungsstück abstreift.

Rostamkhani, dessen Vater einst als Dolmetscher nach Deutschland kam, ist sich dieser Gefahr bewusst. "Manche Medien bedienen ganz bewusst den Blick, den sich der Westen wünscht - das versuche ich zu vermeiden." In der New York Times hat er kürzlich so ein Bild gesehen, das nach den Wunschvorstellungen westlicher Betrachter inszeniert war: Eine Frau betet neben dem laufenden Fernsehgerät, und neben ihr raucht eine andere Frau am Laptop: der perfekte Kontrast zwischen Tradition und Moderne, aber in der Bildsprache übertrieben aussagekräftig. "Ich mag eher das Unspektakuläre", sagt er.

Als freier Fotojournalist lebt man meist in prekären Verhältnissen, sofern man keinen festen Arbeitgeber oder Sponsoren hat. Aber Rostamkhani macht dennoch weiter. Für seinen Foto-Essay "Reboardering Europe" war er wochenlang mit Flüchtlingen auf dem Balkan unterwegs, auch in den Machtzentralen, wo die politischen Entscheidungen getroffen werden, und an den trostlosen Zwischenstationen, an denen die Menschen ein trügerisches Dauerquartier erhalten.

"Ich wollte keine Opfer zeigen, sondern Leute, die ihr Schicksal selbst in die Hand nehmen", sagt er. Weil er die Dinge weder verharmlosen noch romantisieren wollte, hat er den Bildern die Farbe entzogen und sie schwarz-weiß veröffentlicht. Ein Kunstgriff, der ihm irgendwie zwingend erschien.

Wohin die Reise als Nächstes geht? Das hängt immer davon ab, wie viel Geld für die Recherche da ist. Er hofft, möglichst bald sein Iran-Projekt fortsetzen zu können. "Die Menschen leben dort mit dem permanenten Wandel, ganze Wirtschaftszweige werden verramscht, Lebensmodelle brechen zusammen. Das möchte ich gerne dokumentieren." Mit seiner eigenen Migrationsgeschichte hat er dafür gute Voraussetzungen: Nur wer die Menschen verstehen kann, kommt ihnen wirklich näher.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: