Flüchtlings-Protokolle:Der schreckliche Weg nach Europa

Lesezeit: 4 min

Sie saßen im Gefängnis, wurden von Schleppern misshandelt und wären fast im Mittelmeer ertrunken: Die meisten Flüchtlinge sind traumatisiert von ihrem Weg nach Deutschland. Zwei junge Eritreer erzählen.

Von Christina Waechter

Daniel, 30, aus Eritrea

Mein Name ist Daniel, ich stamme aus Asmara. Ich bin 2012 aus Eritrea geflohen. Es gibt seit 2002 ein Gesetz, das besagt, dass alle jungen Eritreer zum Militär müssen. Auch ich musste mein letztes Schuljahr zum Teil in Sawa verbringen, einem berüchtigten Militärcamp. 2004 bin ich dann an die Uni gegangen, um Meeresbiologie zu studieren. Zusammen mit einigen Kommilitonen stellte ich viele Fragen: Warum verlassen so viele junge Menschen das Land? Warum sind so viele Journalisten, religiöse Führer, Stundenten im Knast? Wir haben Briefe geschrieben, die aber nie beantwortet wurden. Der Präsident unseres Colleges sagte uns eines Tages: Ich werde das Problem für euch lösen. Aber statt etwas zu ändern, hat er dafür gesorgt, dass ich zusammen mit 17 Studenten im Gefängnis gelandet bin.

Acht Monate saß ich in dem Gefängnis. Es ist extrem schwierig, von dort zu entkommen, aber uns war klar, dass wir es versuchen mussten, wenn wir nicht den Rest unseres Lebens dort verbringen wollten. Am 28. August 2012 ergab sich dann die Chance. Wir wurden geschickt, Feuerholz zu sammeln. Da sind auf einmal alle losgerannt. Ich habe mich zusammen mit einem Freund in einer Höhle zwei Tage lang versteckt. Ohne Essen, Trinken oder Schuhe - die hatten sie uns vorher weggenommen, damit wir nicht fliehen.

16 Tage in der Sahara mit 220 Leuten in einem Truck

Nach zwei Tagen sind wir nach Asmara aufgebrochen, meine Heimat. Dort habe ich einen Tag mit meiner Familie verbracht, es war das letzte Mal, dass ich sie gesehen habe. Danach begann unsere Reise in den Sudan, die dauerte 13 Tage. An der Grenze war ein UNHCR-Camp, in dem wir ein paar Tage verbracht haben. Aber das war zu gefährlich, weil dort oft Menschen von Beduinen entführt werden und der eritreeische Geheimdienst nach politischen Flüchtlingen Ausschau hält. Deshalb sind wir weiter nach Khartum. Von dort ging es durch die Sahara nach Lybien.

Ich war 16 Tage in der Sahara zusammen mit 220 Leuten in einem Truck. Der hielt immer wieder, weil ständig Reifen platzten. Am Tag hatte es 50 Grad, um nicht zu verdursten habe ich meinen eigenen Urin und auch Benzin getrunken. Aber nach einer langen Reise erreichten wir zum Glück Lybien. Dort waren wir llerdings nicht willkommen. Es gibt dort viele Waffen, die seit dem Ende von Gaddhafis Regime in der Bevölkerung gelandet sind, auch Drogen und der Menschenhandel sind ein großes Problem. In Libyen war ich fast zwei Monate.

Italienische Schiffe wollten erst nicht helfen

Der 26. September 2013 war der erste Tag unserer Reise übers Mittelmeher. Einige Libyer haben uns zur Küste gefahren und von jedem 1600 Dollar für die Überfahrt kassiert. Die Überfahrt war auf einem kleinen Fischerboot aus Holz, das nicht hochseetauglich war. Wir waren 273 Personen, 250 Eritreer, der Rest stammte aus Westafrika.

Miten im Meer ist unser Boot fast untergegangen, durch Risse im Holz drang viel Wasser ein. Wir haben bei der italienischen Navy angerufen, aber die wollte uns nicht helfen. Erst als wir einen eritreeischen Geistlichen angerufen haben, hat der uns ein italienisches Schiff zu Hilfe geschickt, das uns nach Sizilien gebracht hat. Über Sizilien und Rom bin ich am 28. Oktober 2013 in Deutschland angekommen. Dort sind wir von Dortmund über Unna in Burbach untergebracht worden und schlussendlich in Warstein gelandet, wo wir Karen und Karl Spiekermann kennen gelernt haben.

Ich stamme aus einem Ort im Süden Eritreas, an der äthiopischen Grenzen. 2012 bin ich nach Äthiopien geflohen, weil ich nicht ins Militärcamp wollte und weil ich keine Zukunft für mich in diesem Land gesehen habe. In Äthiopien landete ich in einem UNHCR-Flüchtlingslager, aber dort war es unsicher. Es gab keinen Schutz, keine Zelte und die Gefahr war groß, gekidnappt zu werden.

Ich blieb sechs Monate in dem Camp, aber ich wollte weiter in den Sudan. Denn dort ist es für uns besser. Es gibt Arbeit und Eritreer werden dort gerne beschäftigt, weil sie als fleißig und zuverlässig gelten. Die Reise nach Al Qadarif im Sudan dauert eine Woche zu Fuß und mit dem Auto. Dort war ein Sudanese, der uns helfen wollte und uns sagte, wir sollten in einer Hütte auf ihn warten.

Gefesselt und auf Pick-Ups geschmissen

Doch stattdessen kamen Beduinen, die uns gefangen haben, gefesselt und auf ihre Pick-Ups geschmissen haben. Sie sind mit uns in den Norden gefahren, sehr weit in die Sahara, wo sie auf eine weitere Ladung entführter Flüchtlinge gewartet haben. Wir waren elf Flüchtlinge, mit einer Kette an Händen und Füßen gefesselt, die an dem Auto befestigt war. Nach sieben Tagen sind wir in den Sinai aufgebrochen zu einem Hafen an der Ägyptischen Grenze. Von dort ging es Richtung Norden zwischen Nil und Meer. Auf der dreiwöchigen Reise wurden wir in den Autos versteckt. Es gab kein Wasser zu trinken. Von den Beduinen bekamen wir nur ein Gemisch aus Wasser und Benzin, damit wir schwach blieben und uns nicht wehrten.

Nach 21 Tagen kamen wir im Sinai an. Im Sinai wurden wir gefoltert, damit wir die Telefonnummern unserer Familienangehörigen herausrückten. Die Beduinen fordern telefonisch 40 000 Dollar für ein Menschenleben. Wenn die Menschen keine Angehörigen und nichts Wertvolles zu geben haben, verkaufen sie oft ihre Organe, den einzigen Wert, den sie besitzen. Dabei sterben unendlich viele Menschen.

Sechs Monate Gefängnis in Kairo

Ich konnte nach zwei Tagen Folter zusammen mit sechs weiteren Menschen entkommen, als die Beduinen schliefen. Das war ungefähr um acht Uhr abends. Wir sind die Nacht durch gelaufen, bis wir am Morgen ein Dorf erreicht haben. Dort haben wir Eritreer getroffen und sind mit ihnen zur Polizei gegangen. Von dort wurden wir nach Kairo in ein Gefängnis gebracht, wo wir sechs Monate einsaßen.

Nach den sechs Monaten haben uns die Ägypter gesagt: Ihr habt die Wahl - entweder ihr geht zurück nach Eritrea oder nach Äthiopien. Ich bin also wieder in dem UNHCR-Camp in Äthiopien gelandet und habe im Januar 2013 die Reise wieder von vorne angefangen. Erst in den Sudan, dann nach Libyen, wo ich einen Monat im Gefängnis saß. Von dort übers Mittelmeer nach Italien. Von Sizilien bin ich über Rom nach Deutschland gekommen, wo ich am 16. August 2013 in Dortmund angekommen bin.

Protokolle: Christina Waechter

© SZ.de - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: