Flüchtlinge:Herr Alnadr darf nicht Teller waschen

Flüchtlinge: Er will arbeiten, ganz egal, als was: Doktor Safouan Alnadr, 32.

Er will arbeiten, ganz egal, als was: Doktor Safouan Alnadr, 32.

(Foto: Verena Mayer)

Ein syrischer Zahnarzt will in einem Berliner Restaurant Geschirr spülen, die Wirtin könnte ihn sofort einstellen - doch die Behörden haben etwas dagegen.

Von Verena Mayer, Berlin

Safouan Alnadr ist Zahnarzt aus Damaskus. In Syrien hat er Karies behandelt und Kronen eingesetzt, dann musste er flüchten. Seit zehn Monaten lebt er in Berlin, und jetzt würde Safouan Alnadr gerne arbeiten, sein eigenes Geld verdienen. Nicht als Zahnarzt allerdings, Alnadr will einfach nur irgendwo Geschirr spülen. Doch das verbieten ihm die Behörden. Der syrische Doktor darf in Deutschland nicht Tellerwäscher sein.

Alnadr steht vor dem Hotel Paulsborn im Berliner Grunewald. Ein Forsthaus an einem See, mit vielen Erkern und Gewölben, überall hängen Geweihe. Früher waren hier die Jagdgesellschaften des Kaisers untergebracht, jetzt kommen die Leute, um Urlaub zu machen oder Hochzeiten zu feiern. Neben dem Eingang hängt eine Tafel, auf der in großer weißer Schrift steht, dass im Hotel dringend Köche, Kellner und Leute für den Frühdienst gesucht werden.

Überall im Gastgewerbe mangelt es an Kräften

Alnadr bewarb sich um einen Job als Küchenhilfe, das Hotel wollte ihn sofort als Spüler einstellen. Doch die Bundesagentur für Arbeit und die Ausländerbehörde in Berlin, die in solchen Fällen gefragt werden müssen, erlauben das nicht. Zwar dürfe Alnadr, wie es in der Begründung heißt, als Asylbewerber nach drei Monaten in Deutschland arbeiten. Aber nur in Bereichen, in denen es nicht genügend Arbeitskräfte aus Deutschland oder EU-Ländern gebe. Tellerwaschen gehört für die Behörden nicht dazu.

Johanna Wahlig muss darüber fast lachen. Wahlig betreibt das Hotel seit zwei Jahren, und seither hat sie immer zwischen sechs und acht offene Stellen. Sie sucht jemanden zum Abräumen, Spülen, Gemüseschnibbeln. Ihre Grillhütte kann sie an manchen Tagen nicht öffnen, weil keiner da ist, der den Grill bedient. Nicht nur bei ihr ist das so: Jedes Jahr klagt der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga), wie schwer es geworden ist, Personal zu finden. Ob Hotels, Restaurants oder Großküchen - überall im Gastgewerbe mangelt es an Kräften. Bundesweit sind mehr als 40 000 Stellen nicht besetzt, dazu kommen fast 16 000 freie Ausbildungsplätze, die keiner will.

"Jeder Koch in Berlin hat einen Job"

Am schwersten haben es Betriebe in abgelegenen Gegenden, Leute zu finden. Aber selbst in der Hauptstadt müssen die Gastronomen sehen, wo sie bleiben. "Jeder Koch in Berlin hat einen Job", sagt Johanna Wahlig, "und wer noch keinen hat, kriegt einen an der nächsten Ecke." Sie ist inzwischen überrascht, wenn überhaupt mal jemand zum Vorstellungsgespräch erscheint. Einen ganzen Probetag macht dann aber kaum einer mehr, und letztens blieb ihr von einem Tag auf den anderen der Koch weg, einfach so.

Seit Jahren wird gefordert, man müsse es Flüchtlingen oder ausländischen Arbeitskräften erleichtern, im Gastgewerbe zu arbeiten - zumal eine so internationale Branche wie die Gastronomie, in der jetzt schon Leute aus hundert Nationen arbeiten, besonders geeignet sei, Flüchtlinge zu beschäftigen. Passiert sei allerdings noch nicht viel, was unter anderem an der Bürokratie liege. "Das ist für alle Seiten sehr unbefriedigend", heißt es beim Dehoga.

"Papiere" und "Bürokratie" kann er akzentfrei

Safouan Alnadr, ein zierlicher Mann mit blitzenden Zähnen, holt einen Packen Unterlagen aus seinem Rucksack. Ausweise, Zeugnisse, sein Facharztdiplom. Der syrische Zahnarzt spricht schon ziemlich gut Deutsch, die Worte "Papiere" und "Bürokratie" kann er akzentfrei. Er ist 32, hat in Odessa seinen Doktor gemacht und dann in Syrien und Jordanien als Zahnarzt gearbeitet. Danach verschlug es ihn nach Libyen, von dort aus flüchtete er mit einem Boot über das Mittelmeer, erst nach Italien, dann nach Deutschland. Warum er Damaskus verlassen musste, will er nicht sagen. Er hat Angst um seine Familie, die noch immer in Syrien ist.

Er sagt nur, dass er endlich arbeiten, nicht mehr herumsitzen will. "In Syrien hatte ich meine Klinik, ein Auto, eine Wohnung, ein Leben." Da wolle er dem Land nicht auf der Tasche liegen, das ihn als Flüchtling aufgenommen hat. Alnadr wohnt zur Untermiete in Kreuzberg, nebenbei lernt er Deutsch, bildet sich am Computer weiter. Und er wartet darauf, dass sein Asylverfahren endlich abgeschlossen wird, das seit zehn Monaten läuft. Dann wird es für ihn einfacher sein, eine Arbeit anzunehmen. Die Berliner Behörden teilten ihm allerdings schon mit, dass sie überlastet seien.

Alnadr schielt hinüber zum Hotel-Restaurant. Die Mitarbeiter wuseln zwischen Küche und Garten herum, wo gerade Tische für einen Fußballabend aufgebaut werden. Es ist viel zu tun an diesen Sommertagen, die Köche müssen jetzt nebenbei noch spülen, der Serviceleiter schleppt Tische, alle machen Überstunden. Manchmal bleibe das Geschirr stehen, die Gäste würden sich über lange Wartezeiten beklagen, sagt die Betreiberin Johanna Wahlig. Aber was soll sie tun, wenn sie keinen Küchenhelfer und Abräumer findet?

Sie will nun versuchen, Alnadr zumindest ein bezahltes Praktikum in ihrer Restaurantküche zu verschaffen. Ob die Behörden das zulassen, wird sich zeigen.

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