Flucht:Mitgenommen

Wer flüchtet, muss viel zurücklassen. Hier erzählen Kinder und Jugendliche, was sie alles retten konnten. Diesmal Andriiko, 6, aus Kiew in der Ukraine, der seit elf Monaten in München lebt und sich eine Verwandelmaschine wünscht.

Protokoll: Kathrin Schwarze-Reiter

"Das ist ein Auto, das sich in einen Käfer verwandeln kann: Wenn man auf einen Knopf tippt, springt es hoch und verwandelt sich. Cool, oder? Manchmal träume ich auch davon, ich könnte mich verwandeln und wäre woanders. Ich weiß auch schon wo: zu Hause in Kiew. Fast jeden Tag frage ich meine Mama, wann wir endlich zurück in die Ukraine können. Dort bin ich geboren, dort ist mein Papa, dort sind meine Freunde, dort sind meine anderen Spielsachen. Als wir vor etwa einem Jahr ganz schnell aufbrechen mussten, weil der Krieg angefangen hat, konnte ich nicht viel mitnehmen. Nur ein paar Spielzeugautos in meinem Rucksack. Mein Paw-Patrol-Truck hat nicht reingepasst. Ich musste ihn dort lassen, das hat mich sehr traurig gemacht. Aber es tröstet mich, dass ich mein Zauber-Auto bei mir habe. Es erinnert mich an meine Freunde aus dem Kindergarten in Kiew. Wir haben immer unsere Lieblingsspielsachen dorthin mitgebracht, weil es nicht so viele Sachen gab wie in dem Kindergarten hier in Deutschland, in den ich jetzt gehe. Gemeinsam haben wir die wildesten Fahrten mit den Autos gemacht und uns Geschichten und Abenteuer dazu ausgedacht. Dabei wurden wir Freunde. Leider sind wir durch den Krieg nun alle in verschiedene Ländern verstreut. Bei manchen Freunden weiß ich gar nicht, wo sie jetzt sind. Ich denke trotzdem oft an sie. Welche Abenteuer erfinden sie gerade? Meine Mama weint oft, wenn ich ihr sage, dass ich meine Freunde vermisse. Meine beste Freundin Arina ist nach Polen gegangen, mit ihr habe ich vor Kurzem telefoniert. Es war schön, ihre Stimme zu hören. Ich stelle mir dann vor, wie sie dort, wo sie jetzt lebt, auch mit ihren Autos spielt wie ich hier in München. Irgendwie sind wir dann doch ein bisschen zusammen. Und ich bin auch glücklich, dass ich hier neue Freunde gefunden habe. Mit ihnen spiele ich zum Beispiel gern Fußball oder male Bilder. Am Anfang wollte ich immer nur schwarze Farbe nehmen. Aber inzwischen mag ich auch wieder bunte Farben."

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