Süddeutsche Zeitung

Film über Uschi Obermaier:Everybody's Darling

"Er gefiel mir, weil er jung und exotisch war'' - das wilde Leben der Sex-Ikone Obermaier kommt peinlicherweise in die Kinos.

Willi Winkler

Merkwürdig, aber die Uschi gab es 1968 gleich doppelt. Die eine kam aus Niederbayern und wurde berühmt, weil sie in dem Film ,,Zur Sache, Schätzchen'' in einem strahlend weißen Bustier zu sehen war. Die andere kam aus München-Sendling und verzichtete gleich ganz auf den BH.

Die eine führte der weitere Lebensweg an die Seite von Franz Josef Strauß und in die Münchner Gesellschaft, die andere kuschelte im Bett mit Mick Jagger und Keith Richards und lebte in der ordentlich verrufenen Kommune I, die nur an Reich, Marcuse und vielleicht noch Mao Tse-tung glaubte.

Wenn die Reporter zu Besuch kamen, schilderten sie das Berliner Treiben gern pittoresk: das vollgemüllte Treppenhaus, die ausgebaute Kloschüssel im Zwischengeschoss, das Matratzenlager in der Fabriketage, und was die Langhaarigen da trieben, konnte sich der sabbernde Leser dann schon denken.

Der Stern informierte alle, die leider draußen bleiben mussten, hingebungsvoll über ,,Die Liebe der Kommune''. Den fernen Schlüssellochgucker faszinierte das Treiben der langhaarigen Gammler, die erst nach zwei Uhr nachmittags aufstanden und den Gast nackt empfingen, die sich an einem Becken mit Kaltwasser immerhin wuschen und noch vor dem Frühstück den ersten Joint in der Mache hatten.

Für den Fotografen posierten sie alle mit nacktem Oberkörper, Rainer Langhans, Rolf Pohle, Männer und Frauen, und mitten drin, strahlend, unschuldig, großäugig, engelsgleich, Uschi Obermaier.

Die Münchner Vorstadtgöre hatte Fotoretuscheurin gelernt, arbeitete gelegentlich auch für den Süddeutschen Verlag und saß ansonsten bewundernd zu Füßen der durchreisenden Stars. Musik interessierte sie, aber vor allem faszinierten sie die Musiker.

Frivole Flugblätter

Als festangestelltes Groupie der Münchner Band Amon DüülII kam sie 1968 auf die Essener Songtage, wo sie den musikbegeisterten Kommunarden Langhans traf.

Die beiden verliebten sich ineinander, und der deutschlandweit bekannte Anarchist mit den unglaublich wilden Haaren holte sie in die Kommune, die mit Schein-Attentaten und frivolen Flugblättern weltweites Aufsehen erregt hatte.

Fritz Teufel machte den Kasperl, Dieter Kunzelmann schwärmte von der Revolution, die Frauen litten unter den Männern und schwiegen trotzdem, und Langhans träumte von einem Popmusik-Konzern.

Noch vor dem amerikanischen wollte er ein deutsches Woodstock veranstalten und begnügte sich vorderhand damit, seine Freundin zu vermakeln. Uschi Obermaier, die Schöne neben dem Biest, brachte die Revolution in den Stern und genug Geld ins Haus, damit der Joint nicht ausgehen musste.

An der Kommune-Tür stand der eindeutige Knittelvers ,,Erst blechen, dann sprechen'', und natürlich waren die Bilder nicht bloß gestellt, sondern gut bezahlt; der Stern hatte, um das Bild vollzukriegen, vorsichtshalber mehrere Studenten aus einer Münchner Kommune einfliegen lassen.

Als Manager war Langhans erfolgreich: Er erhöhte den Tagessatz seiner Freundin von 300 auf 1000 Mark. Heute streiten sich die beiden darum, wer wessen Lebensgeschichte ausbeutet und wie gut der Sex wirklich war.

Uschi Obermaier war für ihn die ,,Illusion der Vollkommenheit'', diente ihm bereitwillig als ,,Lustautomat'', doch war nach glaubwürdigen Zeugnissen ihr Talent als Acht-Blatt-Joint-Dreherin sogar noch größer.

Langhans jagt bis heute seiner Illusion der Vollkommenheit nach, allerdings scheint ihn die Uschi so nachhaltig geschädigt zu haben, dass er längst die unbedingte Enthaltsamkeit predigt.

Sex als wesentlicher Bestandteil der Revolution

Die politischen Anliegen der Kommune, soweit sie im Drogennebel noch zu erkennen waren, traten in der Uschi-Phase etwas in den Hintergrund. Die anderen gaben ihr zwar gleich etwas Marx zu lesen, aber sie fand die Buchstaben ,,zu unattraktiv''.

Fürs Attraktive war ja auch nicht das ,,Kommunistische Manifest'', sondern die Uschi zuständig. Außerdem war das Private 1968 politisch geworden, und Sex ein wesentlicher Bestandteil der Revolution.

Die Uschi war nicht schuld daran, aber die Kommune zerfiel allmählich. Teufel haute ab, dann auch Kunzelmann. Die Revolution kam einfach nicht, aber Uschi wurde als Model berühmt.

Das magische Jahr 1968 liegt inzwischen so weit zurück, dass die Geschichten darüber immer unwahrscheinlicher werden. Aber wahr ist doch, dass Uschi sich von der Kommune und Langhans aus rasch verbesserte, mit Mick Jagger und Keith Richards kleinere Affären hatte und sogar mit Jimi Hendrix.

Den brachte sie nach einem Konzert mit in die Stephanstraße, legte ihn aufs Matratzenlager und begann ihn zu streicheln. Die anderen standen in lockerer Reihung um die beiden herum, denn - Marcuse hin, Reich her - wann kommt schon mal Jimi Hendrix zu Besuch? Jedenfalls wurde es ihm dann zu blöd, und die beiden verzogen sich lieber ins Hotel.

Film über Uschis Leben und Brüste

Dieses ,,Wilde Leben'', das sie mit Hilfe einer dienstbaren Feder grad in der Bild-Zeitung ausgebreitet hat (,,Er gefiel mir, weil er jung und exotisch war, und einen großen Schwanz hatte er auch'') ist schon ein bisschen länger her, die Uschi selber ist im vergangenen Herbst 60 geworden, sieht aber noch immer sexy aus.

Bild hat das knallhart wie immer recherchiert: ,,Sie hat die knisternde Aura der Sinnlichkeit.'' Im Februar kommt ein sagenhaft peinlicher Film über Uschis Leben und Brüste ins Kino.

Die Groupie-Karriere endete unspektakulär. Uschi Obermaier tat sich mit einem so genannten ,,Kiez-König'', also einem Zuhälter aus St. Pauli zusammen, der auf den schönen Namen Bockhorn hörte und mit ihr zusammen in einem Hippie-Mobil durch die Welt fuhr.

Am Ende ließen sie sich in Kalifornien nieder, wo die Uschi noch heute lebt. Vermutlich haben die beiden zusammen auch viel geraucht und getrunken und es vielleicht auch ganz lustig gehabt miteinander, aber am Ende fuhr sich der Dieter mit seinem Motorrad tot.

Die Geschichte von 68 brachte die einen in die Politik, trieb die anderen in den Untergrund oder in den Tod. Und wie hätte der Stern-Leser im November 1969 auch ahnen können, dass der ,,Kommunarde namens Holger'' im Jahr darauf dem Staat den Krieg erklären, mit der RAF in den Untergrund gehen und 1974 im Hungerstreik sterben würde?

Die Uschi ist Literatur geworden. In einer Ausstellung des Deutschen Literaturarchivs in Marbach war einmal ein Brief zu sehen, adressiert an ,,Miss Uschi Obermaier'': ,,Ich hätte mit deinen Freunden gern mehr gesprochen, aber ich wusste nicht, was ich sagen soll'', schrieb ihr Jimi Hendrix aus New York. Sie haben sich nicht mehr wiedergesehen.

Bei den beiden Uschis fällt die Entscheidung nicht schwer, wer von ihnen auf ein wilderes Leben zurückblicken kann: Uschi Glas ist beim Teleshopping gelandet, Uschi Obermaier bringt sich als Schmuckdesignerin durch.

Manchmal, wenn die tapfer mitgereiften Rolling Stones auf Tournee vorbei kommen, ist sie dabei und ganz die Uschi Obermaier aus Sendling. Und staunt mit großen Augen über dieses wilde Leben.

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Quelle:
Süddeutsche Zeitung vom 18.01.07
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